Keine Klage gegen Zentralrat:
Verhandlungen sind die bessere Alternative
Von Gudrun Wilhelmy
Die Delegierten der Union progressiver Juden haben auf
ihrer 10. Jahrestagung in Berlin einstimmig entschieden die Klage vor dem
Verfassungsgericht nicht weiter zu verfolgen, um angemessen bei der Vergabe
von staatlichen Mitteln berücksichtigt zu werden, informierte Katarina
Seidel, Stellvertretende Vorsitzende, in einem Gespräch mit HaGalil Online.
Sie betonte das "könnte" ausdrücklich, wenn es um die
Einigung mit dem Zentralrat der Juden geht, denn eine außergerichtliche
Einigung ist abhängig von der Umsetzung der bisher erreichten
Gesprächsvereinbarungen, wobei auch klar sei, dass die Zeit für eine
Umsetzung bisher wirklich sehr kurz gewesen sei. Die Frist zur
Weiterverfolgung der Verfassungsklage wäre der 15. August 2004 gewesen.
Die Union sieht die Angelegenheit weniger als
innerjüdischen Streit, denn als eine der Verfassung widersprechende
Verhaltensweise staatlicherseits. Die deutsche Verfassung garantiert
"Gleichheitsgrundsatz und die Neutralitätspflicht des Staates als
Verfassungsprinzipien". Diese sieht die Union durch die einseitige
Mittelvergabe an den Zentralrat ohne Berücksichtigung der Union der
Liberalen Juden oder anderer außerhalb des Zentralrates stehender Gemeinden
zu Recht verletzt. Das Medien daraus einen innerjüdischen Streit machen
wollen und zu einer publizistischen und verkaufsfördernden Maßnahme, steht
auf einem ganz anderen Blatt.
Dieses positive Signal geht auf die bisher erreichten
Fortschritte in den Verhandlungen zurück, die in einer Presseerklärung der
Union als Abschluß der Tagung wie folgt formuliert wurde: "Die
Jahresversammlung der Union begrüßte einmütig den eingeleiteten Prozess
einer Integration der Unionsgemeinden in den Zentralrat der Juden in
Deutschland. Die vom Zentralrat beschlossene Übergangslösung, die
Unionsgemeinden an seinen Leistungen zu beteiligen, hat erste positive
Ergebnisse erbracht: So teilte Dr. Dieter Graumann, Präsidiumsmitglied des
Zentralrats, in seiner Begrüßungsrede bei der Eröffnung der Unionstagung am
Donnerstag mit, dass erste Förderanträge der Unionsgemeinden für Projekte
zur Integration der Zuwanderer aus der früheren UdSSR vom Präsidium des
Zentralrats" wohl zumindest angenommen hat. Gleichzeitig erklärte er die
Absicht des Zentralrats, für drei Rabbinatsstudenten am liberalen Abraham
Geiger Kolleg in Potsdam Stipendien zu gewähren."
Insbesondere hoffe man auf die Unterstützung durch den
Zentralrat, dass die beiden Landesverbände Niedersachsen und
Schleswig-Holstein die Körperschaftsrecht bekommen, die Voraussetzung sind
für eine Mitgliedschaft und damit die Sicherung überregionaler Leistungen
durch den Zentralrat. Schwieriger werde sich möglicherweise die Aufnahme in
die Einheitsgemeinde für kleinere Gemeinden gestalten, wie beispielsweise in
München. Auch hier hoffe man auf die aktive Fürsprache durch den Zentralrat
und Vermittlungshilfe. Insgesamt gäbe es im Zentralrat eine große
Bereitschaft zur Unterstützung. Anders, als in der Presse häufig
dargestellt, sind dabei nicht die strittigen Fragen um Geld die wesentlichen
Punkte der Auseinandersetzung, sondern die Auseinandersetzung dem liberalen
Judentum einen festen, anerkannten Platz als Teil der jüdischen Gemeinden
anzuerkennen, erläuterte Seidel in dem Gespräch.
Bei diesen bisherigen Signalen aus beiden Richtungen, ist
es verständlich, dass sie Union in ihrer Presseerklärung weiter schreibt:
"Dies hat die Union als hoffnungsvolle Zeichen bewertet, die auf eine
verfassungskonforme Umsetzung des zwischen der Bundesregierung und dem
Zentralrat im letzten Jahr geschlossenen Staatsvertrags hinziele. In
Erwartung weiterer positiven Schritte und als Zeichen des wachsenden
Vertrauens hat die Jahresversammlung den Unionsvorstand ermächtigt, die
vorbereitete Verfassungsbeschwerde gegen das Ratifizierungsgesetz des
Staatsvertrags nicht weiter zu verfolgen."
Hohen Stellenwert nimmt dabei auch die Mahnung an die
Bundesregierung aus, auf der verfassungsrechtlich verankerte Mittelvergabe
zu bestehen. Hier wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die
Bundesregierung "ihrer Verpflichtung zur Gleichbehandlung aller Strömungen
des Judentums nachkommt". Insbesondere denkt man da an eine Unterstützung
des Abraham-Geiger-Kollegs. "Von der Bundesregierung erwartet die
Jahresversammlung der Union, die bisherige begrenzte Projektförderung des
Abraham Geiger Kollegs (www.abraham-geiger-kolleg.de)
auf eine ausreichende, langfristige Basis zu stellen." Unter den drei
Rabbinatsstudenten, die mit einem Torah-Aufruf besondere Ehrung erfuhren war
auch eine junge Frau. Und so ist der Satz von Irith Shilor, der amtierenden
Rabbinerin, sicherlich insbesondere auch an sie gerichtet gewesen: "Wir
warten auf euch", weil man sie dringend braucht.
Dass man es mit den Verhandlungen sehr ernst meint, dass
man sich eine Lösung außerhalb von Gerichtssälen wünscht, ist
offensichtlich. "Dies könnte auch künftig rechtliche Maßnahmen zur
Durchsetzung der Interessen der liberalen Jüdischen Gemeinden entbehrlich
machen". Das dadurch die jüdische Stimme auch als geschlossenere wieder mehr
Gewicht und Kraft gewinnen könnte, wäre ein für alle Mitglieder jüdischer
Gemeinden in diesem Land ein großer Gewinn.
Im Internet:
Die Union
progressiver Juden in Deutschland
10. Jahrestagung der Union progressiver Juden:
Podium der Generationen
10. Jahrestagung der Union progressiver Juden:
Liberales Judentum heute
hagalil.com
20-07-2004 |