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Peacecamp 2004:
"Identities unsolved?"
Von Evelyn Böhmer-Laufer
Vom 26.6. bis 5.7.2004 trafen unter der
Schirmherrschaft von Hadassah Austria drei Gruppen Jugendlicher im
kärntnerischen Rechberg bei Eisenkappel zu einem 9-tägigen Friedenscamp
zusammen.
Die insgesamt 26 Burschen und Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren kamen aus
- der jüdisch-israelischen Ramot Hefer High School, einer regionalen AHS in
der Sharon Gegend im Zentrum Israels
- der arabisch-israelischen Ibn Sina High School der Stadt Kalanswa, einer
arabischen Kleinstadt innerhalb der "Grünen Linie" Israels
- dem Alpen-Adria-Gymnasium in Völkermarkt
Multikulturell wie die SchülerInnengruppe war auch das pädagogische Team:
eine israelische und eine österreichische Projektleiterin; ein
muslimisch-arabisches Lehrer- und Lehrerinnenteam aus Kalanswa; eine
jüdische, amerikanisch-israelische, sowie eine christliche, israelische
Pädagogin Schweizer Herkunft aus der jüdisch-israelischen AHS; ein
christlich-arabischer Künstler, der sich in erster Linie als Israeli fühlt,
sowie drei ProfessorInnen der teilnehmenden österreichischen AHS in
Völkermarkt.

"Wenn ich das Wort Friede höre, denke ich:"
- "Kein Rassismus, sondern Gleichheit"
- "Freiheit und Sicherheit, eine Gesellschaft, in der alle gleich sind"
- "Friede und Harmonie"
- "Eine gerechte Lösung für jeden"
- "Dass das Leben ewig ist und wir in einer Welt leben, in der Gemeinschaft
herrscht"
Diese Gedanken, die sich nur schwer den jeweiligen Gruppen
zuordnen lassen, trugen die Jugendlichen - als Zeichen der Gleichheit aller
Menschen hinter weißen Gipsmasken - am multimedialen Abschlussevent
"Identities unsolved?" vor. An die 60 Besucher aus Rechberg, Völkermarkt und
Umgebung – so Bürgermeister Dr. D. Haller und Pfarrer L. Zunder, beide aus
Eisenkappel, - nahmen an der Abschlussveranstaltung teil.
Schwieriger war die in der folgenden Diskussion angesprochene Thematik; die
Gruppe betitelte diesen für die Abschlussshow vorgesehenen, dann aber
weg"zensurierten" Sketch "Look back in anger or go forward in peace?": Man
geriet in die Sackgasse – und nicht, weil es sprachlich zu schwierig wurde:
Itamar (englisch): woher kommst du?
Fuad (englisch): aus Kalanswa
Maia (englisch): das ist neben Tulkarem, nicht wahr?
Saida (englisch): ja, aber auf israelischer Seite
Anat (englisch): neben Beit Lid ... da kam 1996 der Freund meiner Freundin
bei einem Terroranschlag ums Leben.
Fuad (arabisch): mein Cousin wurde in Nablus von einem israelischen Soldaten
erschossen. Genau wie die Soldaten, die an der Bushaltestelle von Beit Lid
standen.
M., der christlich-arabische Musiker, übersetzt für Albert aus dem
Arabischen ins Englische
Albert (deutsch): seid ihr nicht alle Israeli?... (Stille)
Monika (deutsch): er fragt, ob ihr nicht alle Israeli seid... (Stille)
Maia (englisch): ja, aber Palästinenser sprengen Busse mit Schulkindern in
die Luft
Ali (arabisch): ... und israelische Soldaten zerstören Häuser und nehmen
arabisches Land...
Martin (deutsch): wär' es nicht besser, die Vergangenheit einfach zu
vergessen, einfach das Leben zu leben?
Monika übersetzt für Albert, obzwar dieser Englisch gut versteht, vom
Englischen ins Deutsche
Dan (englisch): na klar; das sagst DU - was habt IHR denn vor 60 Jahren
getan? (Stille)
Monika: Hey, lasst uns Musik machen. Wer mag Metallic?????

Die arabischen Teilnehmer |

Masken basteln |
Knapp vor der Aufführung befanden die Erwachsenen das
Ansprechen der komplizierten Verstrickung der drei Volksgruppen zu
schwierig; die von einem an dieser Stelle eingeführten Erzähler
vorgetragene, etwas langatmige Erklärung, dass ein vorgesehenes Stück ob
seiner Komplexität nicht ausreichend geprobt und deshalb nicht in die Show
aufgenommen wurde, lässt das Unbehagen ahnen, das gerade bei den Erwachsenen
durch die von den Jugendlichen aufgezeigte Verknüpfung von Gegenwart und
Vergangenheit aufkam. Und so erklärt der "narrator": " the...historic and
current conflicts between the ethnic groups that converged on Völkermarkt
was something which was easier to resist ( Hervorhebung in der Textvorlage
für die Show) discussing ....., which is natural"....
Im Vorfeld des Friedenscamps hatten die TeilnehmerInnen aller drei Gruppen
im Rahmen ihrer jeweiligen gesamten Schulklassen zum Thema "Meine Identität:
meine Wurzeln, mein Stammbaum, meine Familie" gearbeitet und ein "Family
Album" erstellt. Zu diesem Zweck sollten die SchülerInnen ihre Eltern und
Angehörigen interviewen und Informationen über die jeweiligen
Lebensgeschichten, Lebensräume, Bräuche und Traditionen ihrer Familien
zusammentragen.
Am Friedenscamp arbeiteten sie in Klein- und Großgruppen an dieser Thematik
weiter und stellten sich der schwierigen und komplexen Frage ihrer oft
mosaik-artigen Identitäten. "Ich bin zu allererst Israelin" ..."und ich zu
allererst Jude", "ich bin erst Israeli, dann Moslem", "ich bin Österreicher
und katholisch", u. s. w.
Diverse Indoor- und Outdoor-Aktivitäten boten eine lustvolle und kreative
Umsetzung dieser Fragen und ermöglichten es, eigene Antworten zu finden und
in künstlerischer Weise darzustellen.
Ein anderer Aspekt waren Gruppenspiele, bei denen es um das Erforschen
gewaltfreier Problem- und Konfliktlösungen ging. Die Jugendlichen wurden mit
Aufgaben konfrontiert, die sie im Team lösen sollten, und diskutierten
hinterher Aspekte des Problemlösungsprozesses. Höhepunkt dieser
Outdoor-Aktivitäten waren eine Schatzsuche im Wald und ein Wettrudern über
den Klopeiner See, bei denen "gemischte Teams" gegeneinander antreten - und
miteinander kooperieren - mussten, um die Aufgaben zu lösen und als
Gewinnerteam hervorzugehen.
Eine psychoanalytische Großgruppe unter der Leitung von Prof. Josef Shaked
bot schließlich allen TeilnehmerInnen, Jugendlichen wie Erwachsenen, die
Möglichkeit, die vielschichtigen individuellen und ethnischen Aspekte ihrer
Identität(en) zu erforschen. Auch hier bewiesen die Jugendlichen größeren
Mut, in die Tiefen ihrer Seele hineinzutauchen, während die Erwachsenen bald
dafür plädierten, die Jugend allein, also ohne Erwachsene, diskutieren zu
lassen. Was hier thematisiert wurde war das Dilemma der arabischen
Jugendlichen und das resultierende Gefühl des Ausgeschlossenseins: Zwischen
dem Imperativ ihrer Lehrerin, ihre Schüchternheit zu überwinden und sich in
die Diskussionen mehr einzubringen, einerseits und den immer wieder von
ihrem Lehrer vorgebrachten Bedenken, zu viel zu sagen, was sich dann "zu
Hause" herumsprechen und zu Repressalien führen könnte, andererseits
verstummten sie schließlich und blieben erstmals, nach der Pause, der
Diskussion überhaupt fern...
Bleibend wie die im Team gemeinsam entworfene "Friedensfahne", die bei der
Abschlussveranstaltung die T-Shirts der Jugendlichen schmückte, war auch und
vor allem die sehr berührende, trotz aller kulturell, religiös und
sprachlich bedingter Verständigungsschwierigkeiten zustande gekommene
Begegnung verwandter Seelen und das Erleben einer offenbar universellen
Bereitschaft zum Dialog und zum friedlichen Austausch unter Jugendlichen.
Eine Hoffnung und Chance für Frieden.
Ebenso bleibend die in der Aula des Alpen-Adria-Gymnasiums enthüllte
Steintafel mit der Aufschrift "Ich vertraue dir" und dem Wort "Frieden" in
Deutsch, Hebräisch und Arabisch, sowie der im Wintergarten der Schule
gepflanzte Olivenbaum.
Besonders berührend war der tränenreiche Abschied zu früher Morgenstunde am
Flughafen Klagenfurt, bei dem die Jugendlichen unisono eine Fortsetzung des
Camps "im nächsten Jahr in Israel" forderten.
Dokumentation
Eine Fotodokumentation finden Sie auf der Homepage des
Alpen-Adria-Gymnasiums in Völkermarkt unter
www.gym1.at/peacecamp.
Peacecamp 2004 wurde von einem Filmteam (Produktion: Petrus van der Let;
Regie: Walter Wehmeyer) begleitet und wird voraussichtlich im kommenden
Herbst als Film zu sehen sein. Geplant ist auch eine Dokumentation in
Buchform.
Ein großes Dankeschön gilt unserer "Burgherrin" Frau Fugger, die uns in der
Kommende beherbergt und kulinarisch verwöhnt hat, sowie all unseren
Sponsoren, ohne die das Friedenscamp nicht zustande gekommen wäre.
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Nili Gross:
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19-07-2004 |