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"Blau-Weiß-Rot-Fest":
Der Front National im (Vor-)Wahlkampf

Von Bernhard Schmid, Paris

Na, wer sagt denn, dass Parteigänger der extremen Rechten keinen Humor besäßen? Humor, bei diesen Leuten geht das so: "Haben Sie auch nichts Unerlaubtes dabei? Sie wissen, bei uns sind nur Offensivwaffen erlaubt, (aber) keine Defensivwaffen." Ha ha. Sehr witzig. Der Mann in der blauen Uniform des DPS (Département Protection - Sécurité, Abteilung Schutz und Sicherheit), des parteieigenen Ordnerdiensts beim Front National, tastet mich noch kurz mit seiner Metallsonde ab. Ich tue so, als lachte ich über seinen Spitzenwitz, und setze sogleich eine grimmige Miene auf. Blickt so ein richtiger FN-Sympathisant drein? Anscheinend ja, jedenfalls will der Türsteher nicht mal mehr den Inhalt meines Rucksacks begutachten.

Drinnen im Saal steht die Hauptrednerin des heutigen Nachmittags, wir schreiben Samstag den 8. November, bereits hinter der Rednertribüne. Rund 2500 Leute sitzen in langen Stuhlreihen, einige von ihnen halten blau-weiß-rote Nationalfahnen, mit denen sie schwenken, wenn ein Stichwort fällt, das sie besonders anzusprechen scheint. Etwa "Nation" oder "Le Pen". Auf den ersten Blick fällt auf, dass gut 75 Prozent älter als fünfzig Jahre sein dürften. Ein paar jüngere Leute stehen, mangels Sitzplatz, am Rande.

An diesem Wochenendtag feiert der FN sein "Blau-Weiß-Rot-Fest", das den Eingeweihen unter seiner Abkürzung BBR bekannt ist (für Bleu-Blanc-Rouge), für die französische Hauptstadtregion. In früheren Jahren gab es nur ein landesweites BRR-Fest, alljährlich Ende September, das in den Neunzigern oftmals fünfstellige Besucherzahlen anzog. Doch seit dem Wechsel im Pariser Rathaus, der im März 2001 stattfand und den Sozialdemokraten Bertrand Delanoe auf den Stuhl des notorisch korrupten, rechten Bürgermeisters Jean Tiberi rücken ließ, ist es vorbei mit der "Herrlichkeit".

Zwar ist die Stadt nach wie vor rechtlich verpflichtet, das Gelände im Stadtwald Bois de Vincennes, das lange Jahre der Unterbringung der Fête BBR diente, allen Parteien und damit auch dem FN auf Antrag zu vermieten - wenn es denn frei ist. Seit 2001 jedoch hat die Stadtverwaltung entdeckt, dass Mitte und Ende September immer ein Zirkus auf dem Rasengelände (der Pelouse de Reuilly) gastiert, und der Platz daher leider leider unabkömmlich ist. So ein Pech aber auch - für den Front National. Es zeigt sich, dass es tatsächlich möglich ist, den "Volksfesten" der extremen Rechten einen Riegel vorzuschieben, wenn nur ein bisschen Wille und Fantasie da ist.

Auf regionaler Ebene und in bescheideneren Dimensionen hat der FN sich jetzt Ersatz besorgt, mit dem Veranstaltungssaal Salle Equinox an der südlichen Pariser Stadtgrenze. Die modern ausgestattete Halle mit zwei Stockwerken gehört zum Pariser Giganten-Schwimmbad "Aquaboulevard". Freilich hatte das Anmieten des Saals auf dem Aquaboulevard-Gelände einen unfreiwillig komischen Nebeneffekt: Im oberen Stockwerk, wo die Verkaufsstände der rechtsextremen Parteigliederungen aufgestellt werden, führen einige Bahnen des Schwimmbades direkt an der Außenwand vorbei, die sie an einer Stelle sogar durchqueren. So konnte man ab und zu - vielleicht ahnungslose - Schwimmer vernehmen, die sich die ganze schöne Gesellschaft von unten her und in der Badehose ansehen konnten! Urkomisch wirkt das neben den reichlich verkrampft wirkenden katholischen Fundamentalisten, die etwa Faltblätter der rechtsradikalen Abtreibungsgegner-Vereinigung "SOS tout petits" (SOS ganz Kleine) anbieten. Nicht nur Schwangerschaftsabbrüche sind demnach zu verdammen, sondern vor allem auch Verhütungsmittel.

Familienplanung sei "Revolution und Mord", ist ein solches Faltblatt überschrieben, denn es handele sich bei Empfängnisverhütung um einen "revolutionären Akt" - da in die natürliche Ordnung eingegriffen wird und "die Sitten, die Familie und die gesamte Gesellschaft umgewälzt" würden. Schlimm. "Noch nie hat die Menschheit ein solches Massaker erlebt, in solcher Zahl und so alltäglich. Alle Opfer sind unschuldig, 50 Millionen pro Jahr in der Welt" (der Holocaust muss dagegen eine Kleinigkeit gewesen sein). Das ist nur dank einer gigantischen Verschwörung möglich. Denn die Familienplanung wird "durch die Lobbies, den Großkapitalismus und die Regierungen finanziert. Sie ist die tödliche Sichel des mondialisme". Unter dieser letztgenannten Vokabel haben die Rechtsextremen den objektiven Prozess der Globalisierung (französisch mondialisation) und die ihnen verhasste Ideologie des Internationalismus oder Universalismus in einer einzigen Vokabel zusammengezogen, die quasi als Chiffre für die Weltverschwörung (von Juden, Marxisten und Freimaurern) steht. Man solle Ende November zum öffentlichen "Beten" kommen, quasi vor der Tür eines (feministischen) Familienplanungsinstituts, dessen Mitarbeiterinnen damit moralisch zum Abschuss freigegeben würden.

Nicht alle, vor allem jüngeren, FN-AnhängerInnen würden vermutlich dieses Delirium zum Thema der Abtreibung teilen. Aber was den harten Kern der Aktivisten (jedenfalls auf dem katholisch-fundamentalistischen Flügel, der im ideologischen Wettstreit mit dem neuheidnisch-antichristlichen Flügel steht, der das Christentum als Abkömmling des Judentums ablehnt) umtreibt, wird hier deutlich benannt.

Die Le Pen-Tochter lanciert ihren Wahlkampf

Noch ein anderer Anlass, neben dem verpatzten BBR-Fest vom September, motiviert allerdings die Versammlung an der Grenze zwischen Paris und der Vorstadt Issy-les-Moulineaux. Heute soll nämlich die jüngste Tochter des FN-Parteigründers, Marine Le Pen (35), ihren ersten Wahlkampf als Spitzenkandidatin zu einem ersten Höhepunkt führen. Die meisten anderen Parteien haben noch gar nicht mit der Wahlkampagne zu den Regionalparlamentswahlen, die am 21. und 28. März 2004 frankreichweit stattfinden, begonnen.

Anders die Rechtsextremen, die Wahlkampf immer als möglichst intensive Propagandafeldzug verstanden haben. Auch die Konkurrenz vom, mittlerweile stark zusammengeschrumpften, MNR zeigt schon Präsenz mittels zahlreich verklebter Aufkleber ("Nein zur Einwanderung, nein zur Islamischen Republik in Frankreich") - doch ist die Materialschlacht in seinem Falle eher das Zeichen eines verzweifelten Kampfs um die politische Existenz. Bei Marine Le Pen hingegen bemüht man sich um eine etwas aufgelockerte Auftretensweise, soll Madame doch als "Modernisiererin" der rechtsextremen Partei verkauft werden. Die etablierten Parteien wollten einen künstlich verkürzten Wahlkampf, moniert sie auf der Tribübe, da sie "die politische Diskussion um die Sachthemen ersticken" wollten. Man selbst aber wolle debattieren, jederzeit, gerne.

Auch ansonsten gibt man sich um ein relativ unverkrampftes Erscheinungsbild. So hat die Le Pen-Tochter das traditionelle Parteisymbol des Front National für ihre Zwecke im Regionalwahlkampf ein wenig abgewandelt. Bisher zeigt das FN-Wappen eine züngelnde Flamme in den blau-weiß-roten Nationalfarben; sie wurde bei der Parteigründung 1972 vom italienischen neofaschistischen MSI übernommen, der damals die stärkste Partei der extremen Rechten in Westeuropa darstellte und bei der FN-Gründung mithalf. Beim MSI wiederum, als dieser 1946/47 aus der Taufe gehoben wurde, symbolisierte die grün-weiß-rote italienische Flamme "die Seele Benito Mussolinis, die aus seinem Sarg empor steigt". Daraus nun hat Marine Le Pen ein auf den ersten Blick adrett wirkendes Symbol gemacht: Nicht mehr eine statisch züngelnde, sondern eine dynamisch wirkende verbogene Flamme, die einem Olympiasymbol ähnlich wirkt, zumal sie auf drei (quasi-olympischen) Ringen fußt, die ihrerseits wiederum auf einem vierblättrigen Kleeblatt als Regionalsymbol aufliegen. Auch der Wahlkampfslogan, mit dem für die Tochter des alternden FN-Gründervaters geworben wird - Une femme à vos côtés (Eine Frau an ihrer Seite) - wirkt eher unverfänglich.

Die FN-Rhetorik ändert sich kaum

Tatsächlich geht Marine Le Pen in ihrer Rede nicht nur auf die klassischen FN-Schlager (Ablehnung der Einwanderung, mehr Law & Order) ein, sondern sie greift auch echte gesellschaftliche Probleme auf. Sie spricht von dem, was derzeit vielleicht das drängendste soziale Problem in der Hauptstadtregion Ile-de-France darstellt, dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum. "Die (in der Stadt Paris sowie im Regionalparlament regierende) Linke kümmert sich längst nicht mehr um die Probleme derer, die täglich mehrere Stunden mit den Transportmitteln zu ihrer Arbeit fahren und am Abend zurück in ihre Vorstädte. Sofern sie sie heil und lebend erreichen" (angesichts der angeblichen, teilweise auch realen, Unsicherheit in den öffentlichen Transportmitteln, die jedoch sehr stark übertrieben und in grellen Farben ausgemalt wird).

Die Linksparteien verträten längst nur noch die Interessen derer, die reichlich Kohle hätten und umso hehrere soziale Prinzipien verträten, als sie von den sozialen Problemen in den Banlieues verschont seien. Daran ist im Kern zumindest so viel sogar richtig, dass die soziale Basis der Pariser Sozialdemokratie heute in der Hauptstadt vorwiegend aus den intellektuellen Mittelschichten, den finanzkräftigen und deshalb problemlos nach Lebensqualität strebenden BoBos (Bourgeois-Bohèmes) besteht. Wenn diese sich überhaupt um Wohnraum für die "kleinen Leute" kümmerte, stellt die Rednerin fest, dann "um neue Wohnhaustürme an den Stadtgrenzen zu planen, mit Blick auf die Stadtautobahn und Abgas garantiert auf allen Stockwerken." Bis dahin greift Marine Le Pen durchaus reale Begebenheiten auf, die den - seit kurzem wieder entdeckten - "sozialen Anspruch" der extremen Rechten unterstreichen sollen. Keine dumme Wahlkampfstrategie. Nur eines sagt die Rednerin überhaupt nicht: Was sie denn bei diesen Fragen anders machen würde, wenn sie in die Verlegenheit käme, konkrete Vorschläge zu unterbreiten. Wer sich nicht festlegt, kann es sich auch mit niemandem verderben.

Nicht fehlen darf in der Rede die neue Argumentationsfigur im Vokabular der extremen Rechten: l'insécurité sociale (Die soziale Unsicherheit). Dadurch sollen die klassisch, polizeilich verstandene "Innere Sicherheit" bzw. Unsicherheit einerseits und die sozialen Probleme (die erstgenanntem Konzept bisher durch die Linke und die Antifaschisten als "reale Probleme, aus denen die Zukunftsangst in Wirklichkeit resultiert" entgegen gesetzt wurden) zu einem vermeintlichen Ganzen zusammengezogen werden. Alle möglichen, voneinander unabhängigen Problembereiche sollen so auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden: Den der "Unsicherheit", die wiederum auf eine Generalerklärung - die Zerstörung traditioneller gesellschaftlicher Hierarchien und die Unterminierung der Nationen durch Immigration und "Globalismus" - zurück geführt. Marine Le Pen macht es vor, indem sie von einer "sozialen, physischen (das betrifft die Straftaten) und sanitären (in Bezug auf die Funktionsstörungen im Gesundheitswesen, als Opfer der Sparpolitik) Unsicherheit" als dreifachem Wortgeschöpf spricht.

Selbstverständlich bleibt daneben genügend Platz für die altbekannten FN-Themen. Das "Einwanderungsproblem", und dieses betreffende Hetze, liegt auch der ach so modernen Marine Le Pen am Herzen. "Die massive, anarchische und unkontrollierte Immigration" überflute angeblich das Land. Behauptet wird, es lebten "zwei bis vier Millionen (!) nicht registrierte Ausländer" im Land. Dabei dienen ihr als Grundlage zu dieser Behauptung lediglich ein paar Zahlen (zur "Lage der Einwanderung in Europa"), welche die konservative Tageszeitung "Le Figaro" am 17. Oktober - anscheinend ohne nähere Prüfung auf ihre Stimmigkeit - publiziert hatte. Würden die Zahlenangaben, die jedoch nicht näher gerechtfertigt werden, zutreffen, dann hätte - so wiederum Marine Le Pen - "gar nicht 61 Millionen Einwohner, wie offiziell immer angegeben wird, sondern 63 oder gar 65 Millionen".

Dieses reichlich fantastisch anmutende Szenario dient ihr wiederum als Grundlage, um alle sozialen Probleme aus dieser behaupteten Zustandszuschreibung abzuleiten: "Wenn dem so ist, dann nimmt es auch nicht mehr Wunder, dass die Kosten für das Gesundheitswesen, die Kosten für die Versorgung der Arbeitslosen, die Sozialkassen allesamt explodieren". Abgesehen von der Kleinigkeit, dass die "Sans papiers" (oder "illegalen" Immigranten) gar kein Anrecht auf Arbeitslosenversicherung haben. Und offiziell auch nicht auf soziale Absicherung, auch wenn es als Armenrecht eine garantierte Mindestversorgung im Gesundheitsbereich - in Form der Aide médicale d'Etat (AME) - gibt. Genau deswegen sind solche Einwanderer ja auch bei vielen Unternehmen sehr beliebt, da man sie als weitgehend rechtlose, extrem prekarisierte Arbeitskraftkontingente nutzen kann.

Auch bei der so genannten Inneren Sicherheit wählt Marine Le Pen die - nicht ungeschickte - Methode, nicht eine eigene Zustandsbeschreibung zu rechtfertigen, sondern sich auf die Angaben und Statistiken der etablierten Politik zu stützen und deren innere Widersprüchlichkeiten auszunutzen. So arbeitet sich am amtierenden Innenminister und konservativen Hardliner in Sachen Law & Order, Nicolas Sarkozy, ab. Seit seinem Amtsantritt setzt Sarkozy auf einen medienträchtigen Aktivismus, indem er die polizeilichen "Erfolgsstatistiken" jeden Monat veröffentlichen und mit denen des Vorjahres vergleichen lässt. Dadurch schuf Sarkozy selbst einen enormen Erwartungsdruck dahin gehend, dass nunmehr Wunderlösungen zum Zurückdrängen gesellschaftlicher Kriminalität gefunden würden. Sehr oft aber gehen die Erwartungen dann nicht in Erfüllung, da Voluntarismus dafür nicht genügen dürfte. Also behilft man sich im Innenministerium anscheinend mit einem kleinen Trick: Die Statistik weist einen Niedergang etwa der Zahl der Diebstähle (namentlich der verbreiteten Handy-Diebstähle) auf, zugleich jedoch findet man dort die kuriose Angabe, wonach die Zahl "verlorener" Handys und Brieftaschen um satte 160 Prozent gestiegen sei. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich hier lediglich um den Effekt einer "Umschichtung" in den Statistiken handele. Ein Einfallstor für Marine Le Pen, das wie gerufen kommt: Man sehe daran ja einerseits, wie gravierend die Situation tatsächlich sei - andererseits aber könne man auch die Schlappheit und Feigheit des Establishments erkennen, das nicht mit eisernem Besen auskehren will.

Nicht fehlen darf am Ende ein rhetorischer pseudo-rebellischer Schlenker, da die extreme Rechten sich in ihrer Rhetorik gern als quasi-revolutionäre Kraft gegen "das System" verkauft. Nachdem sie die "Einheitspartei UMPS" (die für die konservative UMP und den sozialdemokratischen PS stehen soll) in überpathetisch wirkender Emile Zola-Pose - "Ich klage an" - aller möglichen Übel beschuldigt hatte, etwa dessen, "alle demokratischen Freiheiten abzuschaffen", kommt sie auf die "Pseudo-Opponenten" zu sprechen. "Ich klage die Bayrou, Pasqua, de Villiers (bürgerliche Politiker außerhalb der Regierungspartei UMP), die Besancenot (Präsidentschaftskandidat der radikalen Linken, der im Vorjahr 5 Prozent erhielt) und Bové (linker Bauerngewerkschafter und Globalisierungskritiker) an, immer Schein-Opposition zu sein, bevor sie sich dann doch dem System anschließen." Der einzige Herausforderer dieses "Systems" (das nie als politisches oder ökonomisches System konkret definiert wird, sondern stets als Generalbegriff herhalten muss) ist demnach, man hat es geahnt, der Front National.

Die Personenfixierung auf den "starken Mann" bleibt

Deutlich wird aber auch, wie stark die Fixierung auf den "Übervater" in Gestalt von Jean-Marie Le Pen bleibt. Die Rede seiner Tochter, die circa 45 Minuten dauert - der Vater macht es normalerweise nicht unter 80 Minuten - wird zwar höflich beklatscht. Enthusiasmus im Saal und richtig donnernder Applaus kommt vor allem dann auf, als Marine Le Pen den Namen dessen beschwört, "der im kommenden Frühjahr Präsident der Region Provence-Alpes-Côte d'Azur, PACA, sein wird". (Real hat Jean-Marie Le Pen sehr geringe Chancen, tatsächlich den Präsidentenstuhl in Marseille zu erobern.)

Dessen Ankunft wird auch sehnlich erwartet, nicht zuletzt durch die Rednerin selbst, die eigentlich in Anwesenheit des Big Boss sprechen hätte sollen. Der (leibliche und politische) Übervater will schließlich darüber wachen, wie seine Nachfolgerin aufgebaut wird. Doch, oh weh: Am Flughafen von Marseille-Marignane verhindert ein Streik das Auftanken der Flugzeuge. Wozu so ein französischer Streik doch so alles gut sein kann!

"Er kommt, er kommt" flüstern sich, nachdem die Rede dann zu Ende gegangen ist, die Parteigänger immer wieder nervös zu. "Glauben Sie wirklich, dass Er kommt?" wird zurückgefragt. Die Fixierung scheint zur Obsession zu werden. Am Ende, gut anderthalb Stunden zu spät, trifft "Er" dann gegen 16.30 Uhr doch noch ein. Nervöse Anhänger stürzen sich ihm entgegen. In Sprechchören wird "Le Pen zum Präsidenten, Le Pen in den Elysée-Palast" gefordert. Beim Rundgang an den Verkaufsständen der rechtsextremen Parteigliederungen im oberen Stockwerk sind die Le Pens, Vater und Tochter, ab diesem Zeitpunkt stets von Dutzenden aufgekratzten Anhängern umringt, ganz abgesehen von den Kameraleuten. Auf wen es - jedenfalls solange er noch bei Leben und Gesundheit ist - wirklich und allein ankommt, wird überdeutlich. Die extrem hohe Bedeutung der Personenfixierung, der Verkörperung einer autoritären Idee im "starken Mann" könnte kaum deutlicher demonstriert werden. Die Tochter wird bisher eher loyal geduldet, weil "Er" es so anzuordnen scheint.

Sehr viele der hier versammelten Parteigänger sind ältere Leute, einige davon mit einem ausgeprägten Tick in Mienenspiel oder Sprache - offenkundig oftmals Personen mit geringem Selbstbewusstsein, die sich durch das Aufgehen in einer "Sache", die durch "Ihn" verkörpert wird, wieder stark fühlen können. Aber auch einige besser gekleidete Leute mittleren Alters, anscheinend in vielen Fällen mittelständische Unternehmer, kann man treffen. Im Eingangsbereich stehen einige junge Männer mit auffälligem Extrem-Kurz-Haarschnitt herum, ein paar von ihnen mit Militärklamotten. Aber auch ein paar normal bis bieder wirkende Jugendliche sind anzutreffen. Neben der Tür steht lange Zeit eine dieser ultrakatholischen Familien mit einem halben Dutzend Kindern, die wie Orgelpfeifen nebeneinander aufgereiht sind - jedes Jahr kam wohl ein Kind dazu -, mit adrett geschnittenen Blondschöpfen und artig gehorsam.

Sollte so das Frankreich von übermorgen aussehen? Wahrscheinlich wohl nicht - aber die alleinige Vorstellung daran genügt, einen das Fürchten zu lehren.

Hinzugesetzt sei, dass auch eine Gegendemonstration gegen die ganze Veranstaltung stattfand, die von linken und antifaschistischen Gruppen getragen war und - ein Novum - bis fast in unmittelbare Nähe des Veranstaltungsorts geführt werden konnte. Ein beeindruckendes, martialisch aufgemachtes Polizeiaufgebot sollte verhindern, dass die beiden Parteien miteinander in Berührung kommen sollten. Vom Räumpanzer über mehrere Kompanien Bereitschaftspolizei bis hin zum ständig tief fliegenden Hubschrauber war die ganze Palette moderner "Sicherheits"technik vertreten. Ach ja, die "Sicherheit"...

hagalil.com 10-11-2003

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