Ein Überblick über den Terror:
Von Hamas und Islamischer Jihad
Eine Analyse von Yoav Limor,
Maariv Wochenendbeilage, 17.8.2001, S. 8-10
In Ermangelung von Antiterrormaßnahmen der
Palästinensischen Autonomiebehörde können Hamas und Islamischer Jihad
weiterhin in Gebiet A frei agieren und in einem bisher nicht gekannten
Ausmaß mörderische Anschläge initiieren.
Heute sind die meisten dieser Anstrengungen darauf
gerichtet, Selbstmordattentäter auf den Weg zu schicken, doch gibt es
auch Pläne, Autobomben einzusetzen, Personen des öffentlichen Lebens
anzugreifen, Soldaten zu entführen etc. etc. Sicherheitsbeamte haben
kürzlich ein recht präzises Bild der operativen Infrastruktur dieser
beiden Organisationen im Westjordanland und im Gazastreifen gezeichnet.
Erste Veröffentlichung: Letzte Woche entdeckte die
Palästinensische Autonomiebehörde ein großes Sprengstofflabor, das im
Haus eines hochrangigen Angehörigen des militärischen Flügels der Hamas
in Ramallah untergebracht war. Am letzten Donnerstag, mehrere Stunden
nach dem Angriff auf das Restaurant Sbarro in Jerusalem, verhafteten
Angehörige des palästinensischen Sicherheitsdienstes zwei hochrangige
Hamas-Vertreter, Abdallah Bargouti und Bilal Othman. Ihre Namen waren
zusammen mit Informationen über ihre Verwicklung in Terroraktivitäten
und einer Forderung, sie zu verhaften, in den vergangenen Monaten
mehrere Male an die Palästinenser übermittelt worden. Diese gingen
jedoch nicht gegen diese beiden Personen vor und warnten sie sogar, dass
sie "Gefahr laufen, eliminiert zu werden".
Die letzte Forderung, Bargouti zu verhaften, wurde den Palästinensern am
Morgen des Angriffes in Jerusalem zugeleitet. In Gesprächen zwischen dem
Israelischen Sicherheitsdienst (ISA) und hochrangigen Vertretern des
palästinensischen präventiven und allgemeinen Geheimdienstes, wurde
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Bargouti an Vorbereitungen für
einen "unmittelbar bevorstehenden" Selbstmordanschlag beteiligt war.
Dies wurde infolge der Tatsache bekannt, dass es Bargouti war, der einen
Sprengstoffgürtel sowie Anweisungen an Iz-e-Din Masri geschickt hatte,
der das Selbstmordattentat in Jerusalem verübte. Diese Information war
den Palästinensern zwar bekannt, jedoch ließen sie ihn weiterhin
agieren.
Erst am letzten Donnerstag gingen Palästinenser zu Bargouti
nach Hause, um ihn zu verhaften. Gleichzeitig führten sie in Othmans
Haus eine Razzia durch und waren überrascht, dort eine große
Sprengstofffabrik zu finden, in welcher Hamas Bomben von großer
Zerstörungskraft herstellte, die für Selbstmordattentäter bestimmt
waren. In dieser Fabrik befand sich in großer Menge Sprengstoff für den
Bau von Bomben. Die Palästinenser beschlagnahmten die Ausrüstung und
nahmen Othman mit, haben ihre Entdeckung jedoch bisher nicht publik
gemacht, aus Furcht, dass dies als Beweis für Israels Behauptung dienen
könnte, dass vor ihren Nasen eine Vielzahl von Terroraktionen
durchgeführt würden.
Die Weigerung, militante Terroristen zu verhaften, ist für
Israel angesichts der wachsenden Motivation von Hamas und Islamischem
Jihad, große Terroranschläge auf israelischem Boden zu verüben, sehr
Besorgnis erregend. Seit der Annahme des Tenet-Plans am 14.6.2001, der
die Verhaftung von gesuchten, aus palästinensischen Gefängnissen
entlassenen Terroristen vorsieht, hat Israel den Palästinensern
detaillierte Listen mit den Namen von mehr als 100 Terroristen (die
meisten gehören zu Hamas oder dem Islamischen Jihad), die an
Terroraktionen teilgenommen hatten, übermittelt. Außer einigen
"Schutzverhaftungen", deren Hauptzweck war, die Terroristen vor
israelischen Ausschaltungsmaßnahmen zu schützen, haben die Palästinenser
überhaupt nichts unternommen. Militante Mitglieder von Hamas und
Islamischem Jihad können weiterhin in Gebiet A frei agieren und
initiieren mörderische Terroranschläge in einem bisher nicht gekannten
Ausmaß. Heute sind die meisten dieser Anstrengungen darauf gerichtet,
Selbstmordattentäter auf den Weg zu schicken, doch gibt es auch Pläne,
Autobomben einzusetzen, Personen des öffentlichen Lebens anzugreifen,
Soldaten zu entführen und eine lange Reihe furchterregender Aktionen
durchzuführen. Der Eifer der
Terrororganisationen, Attentate zu verüben, macht es dem israelischen
Geheimdienst in einem gewissen Maße einfacher, Informationen
zusammenzutragen. Hamas und Islamischer Jihad sind sich bewusst, dass
ihr Ehrgeiz, die Aktionen "hier und jetzt" durchzuführen, der
Dezentralisierung und Geheimhaltung Abbruch tut, doch ist dies von ihrem
Standpunkt aus betrachtet ein kalkuliertes Risiko, das durch ihren
Wunsch, Israel Schaden zuzufügen, in hohem Maße aufgehoben wird. Dieses
wahnwitzige Streben, eine Vielzahl von Attentaten zu verüben, erklärt
auch die Tatsache, dass mehrere der nach Israel geschickten Bomben von
schlechter Qualität waren. Auf der
anderen Seite beobachtet Israel, wie sich eine große Zahl
palästinensischer Jugendlicher freiwillig für Selbstmordaktionen meldet.
Nach Schätzung der ISA soll es Dutzende - und vielleicht mehr -
potentielle Selbstmordattentäter geben, und viele zusätzliche Kandidaten
schließen sich täglich den Reihen der Organisationen an. Die Führer von
Hamas, die hingebungsvoll junge Palästinenser dazu aufrufen, sich für
den Kampf zu opfern, achten peinlich darauf, ihre eigenen Kinder ins
Ausland zu schicken. Erst vor einem Monat rief der Hamas-Sprecher in
Gaza, Abdul Aziz Rantisi junge Palästinenser dazu auf, "dem Weg der
Märtyrer zu folgen", schickte jedoch seinen Sohn Muhammad für längere
Zeit ins Ausland. Mahmoud Abu-Zahar und Abdul Nimr Hamdan, (der gesagt
hat "Die Tore zum Paradies werden den Märtyrern geöffnet") haben sich
gleich verhalten und ihre Söhne für längere Zeit ins Ausland geschickt.
Sogar die Namen der potentiellen Selbstmordattentäter, die
noch nicht aktiviert worden sind, wurden von Israel an die Palästinenser
weiter geleitet. Vor zwei Wochen hat die Israelische Verteidigungsarmee
in der Gegend von Kalkilya Nihad Abu-Kishak, ein militantes Mitglied des
militärischen Flügels von Hamas, verhaftet. Er war in der Bande aktiv,
die den Selbstmordattentäter im Delphinarium von Tel-Aviv auf den Weg
geschickt hat. Unter den Sachen, die bei Abu-Kishak gefunden wurden, war
das Testament von Basat Ouda. Dieser plante, bei einem anderen Anschlag
Selbstmord zu begehen. Israel verlangte die Verhaftung von Ouda sowie
von Muhammad Khalil imd Jimil Jedallah, zwei weiteren potentiellen
Selbstmordattentätern aus Samaria. Die drei sind weiterhin auf freiem
Fuß und warten auf ihren Einsatz. Die Einschätzung in Israel ist, dass
die Sprengstoffgürtel bereits vorbereitet wurden und die Verzögerung nur
mit der Schwierigkeit, die Gebiete zu verlassen, zusammenhängt, was ein
Ergebnis des physischen Druckes ist, den die Israelische
Verteidigungsarmee auf die palästinensischen Städte ausübt.
Dieser Druck zusammen mit der neuen Politik der Reaktion,
die letzte Woche zum ersten Mal in Jenin ausprobiert wurde - soll das
Leben für die Palästinensische Autonomiebehörde schwer machen und
bewirken, dass diese gegen die terroristische Infrastruktur vorgeht, die
auf ihrem Territorium operiert. Dies betrifft weitreichende Aktivitäten
(die täglich zunehmen), an denen hauptsächlich militante Mitglieder von
Hamas und Islamischem Jihad beteiligt sind, die zu Beginn des Konflikts
aus palästinensischen Gefängnissen entlassen worden waren. Infolge des
Informationsflusses sowie von Einzelheiten, die aus der Befragung von
Häftlingen stammen, ist es Israel gelungen, ein recht präzises Bild der
operativen Infrastruktur der beiden Organisationen im Westjordanland und
Gazastreifen zu erhalten. Dieses Bild, das den Palästinensern
übermittelt wurde, wird hier zum ersten Mal veröffentlicht. In
Anbetracht der Sorge um weitere Schlagzeilen schaffende Attentate auf
israelischem Gebiet entsteht hier ein sehr beunruhigendes Bild.
haGalil onLine 24-08-2001 |