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Im kriegerischen Nahen Osten ist Religion die Fortsetzung der
Politik mit anderen Mitteln. Wenn in den Niederungen der Wille zum
gerechten Ausgleich fehlt, bleibt als Ausweg immer noch die Flucht
in hochheilige Gefilde. Dabei macht das Übersinnliche durchaus Sinn.
Denn es gibt keinen leichteren Weg, etwas schwer zu machen - so
schwer, dass es am Ende fast unmöglich erscheint, es tragen oder
ertragen zu können.
Am Anfang also war das Wort Frieden, das der amerikanische Präsident
Bill Clinton wieder einmal in das nahöstliche Gezeter hineingerufen
hatte. Dann begann der Streit um Worte, um Orte, um Zahlen und
Prozente. Doch überall da, wo Kompromisse nötig wären, wird von den
Kontrahenten eilig 'heilig' gesprochen und mit diesem Attribut die
eigene Hartleibigkeit ummäntelt. So hat nun die Arabische Liga beim
Treffen der Außenminister mit dem Palästinenser-Präsidenten Jassir
Arafat auf dem Weg weg vom Frieden mit religiöser Wucht wieder einen
Pflock eingerammt und dem Clintonschen Plan eine Absage erteilt: Das
Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge in ihre Heimat sei
'heilig', hieß es. Heilig ist Palästinensern wie Israelis auch der
Tempelberg mit Al-Aksa-Moschee, Felsendom und Klagemauer. Heilig ist
überdies die ganze Stadt Jerusalem sowie natürlich das gesamte Land,
über dessen Aufteilung sich die profanen Politiker deshalb
eigentlich gar nicht den Kopf zu zerbrechen bräuchten.
Dass sie es doch immer wieder tun müssen, hat zwei Gründe: Erstens
wird viel Unheil angerichtet mit der Heiligkeit, und zweitens steckt
viel Scheinheiligkeit dahinter. Das 'heilige' Rückkehrrecht? In
Wirklichkeit ist Israels arabischen Nachbarländern wohl vor allem
das eigene Hemd heilig, sprich der eigene Vorteil. Es schreckt sie
die Vorstellung, auf Dauer für die meisten der nun annähernd vier
Millionen Palästinenser Verantwortung übernehmen zu müssen, die auf
ihren Staatsgebieten Zuflucht gesucht haben. Und auch hinter der
Betonung der Heiligkeit von Tempelberg und der Stadt Jerusalem
steckt - bei aller Anerkennung religiöser Gefühle - auch viel
politisches Kalkül.
Denn Heiligsprechungen dienen der Wertsteigerung. Je heiliger desto
teurer - für eine flexible Haltung glauben die politischen
Protagonisten also eine entsprechend hohe Kompensation verlangen zu
können. Weil natürlich beide Seiten so verfahren, wird ein Ausgleich
enorm erschwert. Den Politikern ist also vorzuwerfen, dass sie sich
aus der Verantwortung stehlen. Ihnen fehlt der Mut zum schmerzlichen
Kompromiss, obwohl sie wissen, dass vom Frieden alle profitieren
würden. Letztlich werden sie so sogar zu Gefangenen ihres eigenen
Systems. Denn Fanatiker gibt es auf beiden Seiten zuhauf, und die
haben es leicht, die Politiker auf heiligem Boden in die Enge zu
treiben.
So gerät, wie nun zu beobachten ist, der politische Prozess außer
Kontrolle. Jenseits politischer Logik aber ist kein Frieden zu
finden. Am Ende könnte schließlich ein Krieg stehen. Und es wäre
ganz gewiss ein 'heiliger'.
haGalil onLine
05-01-2001
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