Das Herz der Welt:
Die Geschichte der Juden in New York
Von
Tekla Szymanski
Die Autorin
lebt als Journalistin in New York und ist Associate Editor des
World Press Review Magazine sowie USA-Korrespondentin der
Frankfurter Zeitschrift Tribüne.
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III.
1930-1950
In den 20er Jahren waren 40 Prozent aller New
Yorker Juden, und in ganz Amerika lebten
1925 mehr als 4 Millionen jüdische Bürger.
New Yorks 1.6 Millionen Juden waren
zahlreicher als in Europas bisher größten
jüdischen Stadt, Warschau. 1909 wurde die
"Kehillah of New York City" gegründet, eine
jüdische Organisation, die sich um die
Belange der riesigen jüdischen Gemeinde
kümmern sollte, und sich aus Vertretern des
"American Jewish Committee" und der
"Orthodox Jewish Community" zusammensetzte.
In den 14 Jahren ihrer Existenz kümmerte
sich die Kehillah um das jüdische
Schulwesen, um das orthodoxe Gemeindeleben,
um die Sicherheit und das Wohlergehen der
New Yorker Juden, und um den gerechten
Umgang in der Bekleidungsindustrie. Zu
dieser Zeit gab es in New York schon 1.127
Synagogen, von denen 94 Prozent orthodox
waren und der Gottesdienst ausschließlich
auf Hebräisch geleitet wurde. 4 Prozent
waren konservativ und nur 2 Prozent reform
orientiert.
Um 1900 waren 60 Prozent der New Yorker Juden
ungelernte Arbeiter. 1925 lebten nur noch 15
Prozent der New Yorker Juden an der Lower
East Side und schon 1930 - mit Beginn der
großen Wirtschaftskrise - war die Hälfte
aller New Yorker Juden im privaten Sektor
beschäftigt, oder hatte sich selbstständig
gemacht. Die jüdische Durchschnittsfamilie
bestand aus Immigranten und deren Kinder,
die in Amerika geboren waren. Keine andere
Einwanderungsgruppe in New York hatte es je
so schnell geschafft: 1934 arbeiteten 56
Prozent der New Yorker Juden und 74 Prozent
der Jüdinnen als Büroangestellte. Sie waren
in die Randgebiete New Yorks gezogen,
"uptown" in die Bronx oder nach Brooklyn.
Jedoch die Wirtschaftskrise traf auch sie.
Die Jungen standen an einem Scheidepunkt: Sie
glaubten, das Ghetto ihrer Eltern, die Lower
East Side, überwunden zu haben, drauf und
dran zu sein, "es in Amerika zu etwas zu
bringen" und endlich unbehelligt in die New
Yorker Großstadtkultur eintauchen zu können.
Statt dessen wurden sie Zeuge eines
wachsendem Antisemitismus, der mit der
zunehmenden Zahl der Arbeitslosen stärker
wurde. Denn diese Arbeitslosen sahen sich
plötzlich einer gewaltigen neuen
Einwanderungswelle gegenüber: den
Flüchtlingen aus Nazideutschland und
Westeuropa, obwohl die in den 20er Jahren
eingeführten Einwanderungsquoten sogar noch
verschärft wurden. Jüdische Intellektuelle,
Künstler, Architekten, Schauspieler,
Professoren, Ärzte und Schriftsteller
schafften es ins New Yorker Exil - sie
gründeten 1936 die "Deutsche Akademie im
Exil" sowie 1932 die deutsch-jüdische
Zeitung "Aufbau". Insgesamt kamen rund
150.000 bis 190.000 deutsche Juden in dieser
"Intellektuellen Immigration", wie sie
genannt wurde, aus Europa nach New York, und
siedelten sich an der Upper West Side und in
Washington Heights, im Norden Manhattans, an
- dem "Frankfurt am Hudson".
Die wachsende Skepsis der alteingesessenen
New Yorker Juden in den 30er Jahren
gegenüber Amerika - angesichts des
Unwillens, gegen Hitler zu handeln - wich
bald, mit dem Eintritt der USA in den
Zweiten Weltkrieg, einer Euphorie. Die Welt
der jüdischen Immigranten, die "Alte Welt",
das Ghetto und die Lower East Side, waren
endlich vollends zerstört in ihren Augen,
und die New Yorker Juden fühlten sich als
Amerikaner - als amerikanische Juden. Die
Wirtschaftskrise und der Zusammenbruch
Europas gaben ihnen neue Energie; sie
schöpften aus den alten Traditionen, dem
kommunalen Zusammenhalt, und sie eigneten
sich die Kreativität von Roosevelts
wirtschaftlichem "New Deal" an.
Um 1939 lebten insgesamt 5 Millionen Juden in
Amerika, ein Drittel der jüdischen
Weltbevölkerung. Rund 30 Prozent der New
Yorker waren Juden. Mit Ende des Zweiten
Weltkrieges begann in New York ein Boom des
Synagogenbaus: 150 neue Bethäuser wurden in
der Stadt errichtet. Die Synagogen waren
Gemeindezentrum, Lehrstube und Treffpunkt.
1950 gab es 2 Millionen Juden in New York:
40 Prozent aller amerikanischen Juden lebte
jetzt in der Metropole.
Weitere Artikel
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01-09-2000
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