Der als SS-Kriegsverbrecher zu lebenslanger Haft verurteilte Heinz
Barth klagt vor dem Sozialgericht Potsdam eine monatliche
Kriegsopferrente von rund 800 Mark ein. Die Verhandlung wird am Mittwoch
kommender Woche stattfinden.
Dem heute 80-jährigen Mann aus
Gransee (Oberhavel), der als "Schlächter von Oradour" bekannt wurde, hatte
das Versorgungsamt in Cottbus im März 1996 eine zuvor gewährte Rente wieder
entzogen. Die Begründung lautete, dass Heinz Barth auf Grund seiner
Verbrechen keinen Anspruch auf Entschädigung habe. Einen Widerspruch Barths
dagegen wies das Sozialgericht Neuruppin bereits zurück. Barth war im Juli
1997 nach 16 Jahren Haft wegen seines Alters, der Kriegsverletzung,
zahlreicher Krankheiten und der gezeigten Reue aus der Haftanstalt
Brandenburg/Havel entlassen worden.
Keine Leistungen
"In der Verhandlung vor dem Sozialgericht geht es nun um die Frage, ob die
Entziehung der Kriegsopferrente eine gesetzliche Grundlage hatte", sagte
Gerichtssprecher Müller-Gazurek. Denn erst 1998 sei eine entsprechende Lücke im
Bundesversorgungsgesetz geschlossen worden. Demnach können bei schweren
Verbrechen gegen die Menschlichkeit und rechtsstaatlicher Grundsätze die
Leistungen entzogen werden. "Barth verweist bei seiner Klage auf die Verletzung
des Vertrauensschutzes", sagte Müller-Gazurek.
Der 80-jährige Barth habe mit der Opferrente seinen Lebensabend geplant, sagte
sein Anwalt, Karl-Heinz Christoph. "Zwischen Strafrecht und Rentenrecht muss
deutlich unterschieden werden." Der Ausgleich solle auch den Familienangehörigen
zugute kommen, die wegen der Kriegsbeschädigungen Barths erhebliche Belastungen
zu tragen hätten, sagte Christoph. Der Anspruch habe in keiner Weise mit Oradour
und den Vorwürfen zu tun, weswegen Barth verurteilt wurde.
Heinz Barth war am 7. Juni 1983 in der DDR wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen
gegen die Menschlichkeit mit lebenslanger Haft bestraft worden. Das Gericht sah
es als erwiesen an, dass Barth als SS-Obersturmführer nach dem Attentat auf den
Chef des Reichssicherheitshauptamtes Heydrich im Juli 1942 an der Erschießung
von 42 tschechischen Zivilisten beteiligt gewesen war. Zwei Jahre später war
Barth als Offizier der Waffen-SS an der Ermordung von 642 Einwohnern des
französischen Ortes Oradour-sur-Glane beteiligt. Die SS hatte damals alle
Einwohner in eine Kirche zusammengetrieben und das Gebäude in Brand gesteckt.
Nur ein achtjähriger Junge konnte fliehen.
Zwei Wochen nach dem Massenmord in Oradour war Barth an die Front versetzt
worden. Dort wurde er schwer verwundet. Barth verlor sein rechtes Bein, der
rechte Arm blieb steif. Nach dem Krieg tauchte Barth mit falschem Lebenslauf
unter. "Bevor er erkannt wurde, hat er in Gransee als Konsumdirektor
gearbeitet", sagte der Sprecher des Potsdamer Sozialgerichts, Johann
Müller-Gazurek.
Nach Ansicht von Barths Anwalt Christoph wäre sein Mandant in der Bundesrepublik
nicht verurteilt worden. Schliesslich seien dort auch die Vorgesetzten Barths
straffrei ausgegangen, sagte Christoph. Sollte die Klage vor dem Sozialgericht
abgewiesen werden, erwägt er weitere Schritte. "Die Verurteilung wegen der
Vorwürfe aus dem Krieg kann dann wieder aktuell werden." Es müsse die Frage
gestellt werden, ob der Prozess von 1983 "rechtsstaatlichen Anforderungen, wie
sie in der Bundesrepublik gestellt werden, genügte", sagte Christoph.
"Schwere Schuld" Barths
Das Brandenburgische Oberlandesgericht hatte bei seiner Strafaussetzung vor drei
Jahren keinen Zweifel daran, dass das Urteil von 1983 rechtsstaatlichen
Grundsätzen genügte. Angesichts der Taten sei eine besonders schwere Schuld
Barths festzustellen, hieß es.
Zu der Verhandlung vor dem Potsdamer Sozialgericht werden auch Beobachter aus
Frankreich und Tschechien erwartet. "Die Botschaften beider Länder sind von uns
bereits verständigt worden", sagte der Sprecher des Sozialgerichtes.