Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Andreas Nachama, schlug gestern
vor, auf dem Gelände der "Topograhie des Terrors" auch die Mahnmale
nicht jüdischer Opfergruppen anzusiedeln. Andere Opfer wie etwa Sinti
und Roma, Homosexuelle und Wehrmachtsdeserteure sollten ein qualitativ
ähnlich würdiges Gedenken erfahren wie die ermordeten Juden. Dazu
gehörten Mahnmale samt zusätzlicher Informationsmöglichkeiten zu der
jeweiligen Opfergruppe.
Das Kreuzberger Gelände sei groß genug, um neben dem Dokumentations- und Lernort
über die Täter auch ein Ort des Mahnens sein zu können, betonte Nachama. Während
die eigentlichen Terrorzentralen des NS-Regimes wie die SS-Reichszentrale eher
an der Niederkirchner Straße gelegen hätten, gebe es auf dem Gelände auch noch
ein damals nicht von den Nazis genutztes Areal: ein Robinienwäldchen und ein
Parkplatz in diesem Block. An diesem Ort könnte der anderen Opfergruppen gedacht
werden.
Der Gemeindevorsitzende fügte hinzu, ein Gedenken an die Sinti und Roma am
Stadtrand in Marzahn werde ihren vielen Opfern nicht gerecht. Mit einer solchen
Entscheidung gehe man den Nazis auf den Leim, die damals eine Sammelstelle für
"Zigeuner" gerade an diesen Ort installiert hätten, weil er vom Zentrum so weit
entfernt war.
Die Gedenkstättenleitung und Politiker von SPD und Bündnisgrünen wiesen den
Vorschlag Nachamas gestern zurück. Die geplante Gedenkstätte, die unter einem
De-facto-Baustopp steht, solle sich auf die Täter und ihre Schuld konzentrieren,
nicht auf die Opfer und ihr Leiden, so die übereinstimmende Kritik.
Der wissenschaftliche Direktor der Stiftung "Topographie des Terrors", Reinhard
Rürup, sagte, der Vorschlag Nachamas sei schon in den Achtzigerjahren erwogen,
aber dann verworfen worden. Zwar sei von hier der Terror gegen alle Opfergruppen
ausgegangen. Das Gelände müsse aber ein "Ort der Täter" bleiben.
Auch von der Politik erhielt Nachama Gegenwind: Bausenator Peter Strieder (SPD)
sagte, das historische Areal sei ein "Ort der Täter und nicht der Opfer". Die
Kulturexpertin der Bündnisgrünen, Alice Ströver, betonte: "Die Erinnerung an
Opfer und Täter darf nicht miteinander vermischt werden."
Nachama verwies dagegen darauf, dass die "Topographie des Terros" das einzige
Projekt in der Bundesrepublik sei, das versuche, allen Opfergruppen gerecht zu
werden. Es müsse möglich sein, solche Fragen öffentlich zu diskutieren. Mit
seinem Vorschlag wolle er einen Stein ins Wasser werfen.
Unterdessen hat die Bundesregierung für das laufende Jahr 28 Millionen Mark für
die Förderung von Gedenkstätten zur Erinnerung an NS- und SED-Unrecht
bereitgestellt. Wie das Bundespresseamt am Freitag in Berlin ferner bekannt gab,
sind dies zehn Millionen Mark mehr als 1999. Während bisher nur die fünf neuen
Bundesländer Anspruch auf Zuwendungen geltend machen konnten, gelte die jetzige
Regelung für das gesamte Bundesgebiet.
Das neue Gedenkstättenkonzept der Bundesregierung gehe von der Überlegung aus,
dass der Unterhalt der Gedenkstätten vorrangige Aufgabe gesellschaftlicher
Gruppen, der Kommunen und der Länder sei. Der Bund beteilige sich daran, wenn
die Gedenkstätten von nationaler oder internationaler Bedeutung seien. Ferner
müsse ein "wissenschaftlich, museologisch und gedenkstättenpädagogisch
fundiertes Konzept für die Gedenkstätten vorliegen".