Dass es keinen Rückzug unter Luxusbedingungen gibt hat sich in
dieser Woche bestätigt. Das Geschehen war voraussehbar. Die Bilder
des Abzugs und der verfrühten Siegesfeiern der Hisbollah, bedeuten
den Anfang vom Ende eines inzwischen jahrzehntelangen Dilemmas,
viele haben mit ihrem Leben bezahlt. Viele kehren nie wieder zurück.
Die Übergangszeit wird nervenzermürbend sein. Die Armee räumt den
Libanon nicht aufgrund eines politischen Abkommens, sondern wegen
des Zusammenbruchs einer Konzeption, auf der ihr Verbleiben im
Libanon viele Jahre lang basierte. Ein einseitiger Rückzug erfordert
Reife, Zurückhaltung und zusammengebissene Zähne, eine Kombination
von Eigenschaften und Verhaltensweisen, mit denen die israelische
Öffentlichkeit nicht gerade gesegnet ist.
Es sieht so aus, als werde Barak sein Rückzugsversprechen einlösen,
doch ob man ihm dafür danken wird, ist eher zweifelhaft.
Ehud Barak befindet sich ein Jahr nach Amtsantritt in einer
kritischen Entscheidungslage. Die Situation im Libanon ist
kompliziert, dann die palästinensische Frage, die Steuerreform, um
nur drei Punkte zu nennen. Die Merez-Shas-Krise ist
noch lange nicht beigelegt, während sich neue Koalitionskrisen
bereits am Horizont zusammenbrauen. Selbst die Minister
seiner eigenen Partei machen es ihm nicht leicht.
Ein Jahr nach
seiner Wahl drängen sich immer mehr Fragen über Baraks
Fähigkeit, die auf ihn gesetzten Hoffnungen zu rechtfertigen auf.
Vor dem Hintergrund der allgemein säuerlichen Stimmung in der
Öffentlichkeit und in den Medien traf sich Ehud Barak zu einigen
tiefschürfenden Gesprächen mit Ari Shavit. Es ging um eine Reihe von
Themen - auch von seinen persönlichen Gefühlen als Regierungschef,
als Jude und Israeli war die Rede.
Nach
Einschätzung der Tageszeitung M'ariw (Chemi Shalev) legt Barak
derzeit einen anderen Gang ein und signalisiert, dass er links
abbiegen will. Er rede heute in einem Ton über
Verhandlungen mit den Palästinensern, den er bis jetzt den Syrern
vorbehalten hat. Gemeint ist ein Ton, der den Verhandlungspartner
als ebenbürtig respektiert. Nicht die Betonung der Überlegenheit
wird ein friedliches Zusammenleben ermöglichen, sondern die Einsicht
in die Tatsache, dass beide Völker in diesem Land Rechte haben - und
beide das Recht haben diese Rechte einzufordern und notfalls zu
verteidigen.
haGalil onLine
24-05-2000
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