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Antisemitismus:
Wir dürfen uns an Gewalt nie gewöhnen

Die Anschläge von Lübeck, die Explosion der "Hass-Literatur" - Michel Friedmann ist in Sorge angesichts der wachsenden Gewaltbereitschaft. Zum Entschädigungsstreit bedauerte er, die junge Generation deutscher Manager übe sich in "Abwehr und Verdrängung", statt Engagement und Reife zu zeigen.
Eine aktuelle Studie weckt Besorgnis: Nach einer Infratest- Umfrage im Auftrag des Medienforschungsinstituts "Medien Tenor" lehnen nur noch 57 Prozent der Deutschen die Behauptung ab, dass der "Einfluss von Juden zu groß" sei. Laut Michel Friedmann, Präsidiumsmitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland und CDU-Mitglied, ist der Antisemitismus insgesamt zwar nicht größer geworden. Im KN-Interview warnt er aber vor einer zunehmend enthemmten Judenfeindlichkeit und wachsender Gewaltbereitschaft.

Kieler Nachrichten: Hat der Antisemitismus in Deutschland zugenommen?
Friedmann: Es gibt nicht mehr Antisemitismus, aber er tritt offener und unverschämter zu Tage. Einerseits in Form der fratzenhaften Skinhead-Gewalt. Andererseits auch in der Enthemmung in der bürgerlichen Gesellschaft, antisemitische Stereotype zu formulieren.

Woran machen Sie diese Entwicklung fest?
Die bürgerliche Mitte zeigt besonders in der Diskussion um den Umgang mit der Verantwortung der Geschichte Versuche, diesen in Verdrängung und Abwehr abzuschieben. Das sieht man einerseits an der Walser-Debatte, andererseits am Bundeskanzler mit seinem sich ständig wiederholenden Normalitätsanspruch. Aber auch die Diskussionen an den Universitäten zeigen, dass hier eine neue Offensive gestartet wird, Geschichte als Vergangenheit, nicht als eine Herausforderung in der Gegenwart zu definieren. Geschichte ist jedoch nicht als Bedrohung zu vermitteln, sondern als Herausforderung und Chance. Wer diese Chance nicht nutzt, nimmt der Jugend ihre Orientierungsfähigkeit. Das darf nicht geschehen.

Holocaust und Nazi-Diktatur nehmen aber doch in der öffentlichen Diskussion weiterhin breiten Raum ein...
Ohne Zweifel bemühen sich viele, auch aus der jüngeren Generation, Geschichte aufzuarbeiten oder für sich Orientierung daraus zu gewinnen. Ohne Zweifel verstehen viele Deutsche, dass Geschichtslosigkeit auch Gesichtslosigkeit und damit auch Identitätslosigkeit wäre. Und trotzdem: Wenn man sieht, wie abwehrend und unbefriedigend die jüngere Generation der deutschen Manager mit dem Thema Sklavenarbeit umgehen, stellt sich Unbehagen ein.

"Die Situation ist brutaler geworden"

Kann man das so verallgemeinern? Immerhin stellt sich die Industrie zum ersten Mal ihrer Verantwortung.
Dieser Schritt ist nur durch Druck von außen entstanden. Leider - und ich bedauere das sehr - war dies kein aktives, sondern ein reaktives Engagement.

Haben die Probleme in den neuen Ländern Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit verstärkt?
Ich warne davor, den Antisemitismus und den Neonazismus in die neuen Bundesländer zu entsorgen. Die alte Bundesrepublik hatte ja ihre eigenen Entwicklungen. Auch in Baden-Württemberg sitzen die Republikaner im Landtag mit über zehn Prozent und die Organisationsstrukturen der rechtsradikalen Parteien sitzen in München oder Stuttgart. Trotzdem ist mit der Vereinigung ein Gemisch entstanden, das sich verselbständigt. Richtig: Die Gewaltexplosionen haben auch mit der Vereinigungsphase zu tun. Aber leider ist die Gewalt in der gesamten Bundesrepublik verteilt.

Wie bedrohlich ist die Lage?
Die Gewaltentwicklung hat seit Anfang der 90er-Jahre eine neue Qualität erreicht. Nicht nur für Juden, sondern auch für andere Minderheiten ist die Situation insgesamt brutaler und mörderischer geworden. Ich erinnere daran, dass es in Lübeck zwei Mal einen Brandanschlag auf die Synagoge gegeben hat. Das war das erste Mal seit 1945. Ich warne davor, die Gewaltbereitschaft des rechtsradikalen Lagers zu unterschätzen. Rechtsradikalismus ist auch ein europäisches Phänomen. Die Vernetzung - ich weise auf die Explosion der "Hate-Literatur" ("Hass-Literatur"; d. Red.) - ist Besorgnis erregend.

"Multikulturell ist eine Chance"

Wer hat versagt? Die Medien, die Schulen, die Erziehung?
Kinder werden nicht als Antisemiten oder Rassisten geboren. Es liegt in der Verantwortung der Erwachsenen, den Kreislauf des Hasses und der Gewalt zu unterbrechen und dies zu ersetzen durch den Sauerstoff von Vertrauen und Menschlichkeit. Erziehung ist hier die allerwichtigste Herausforderung sowohl von Eltern als auch von Staat und Gesellschaft. Wir müssen Kinder so erziehen, dass eine multireligiöse und multikulturelle Gesellschaft eine Chance und etwas Wünschenswertes sind. Sie bedeutet - auch für Deutschland - die einzige Zukunftsmöglichkeit.

Ignatz Bubis hat kurz vor seinem Tod gesagt, er habe nichts bewirkt. Stimmen Sie seiner resignativen Aussage zu?
Ich glaube, dass er außerordentlich viel bewirkt hat. Er hat Gespräche mit Tausenden von Jugendlichen geführt. Die Wirkung solcher Gespräche kann man erst zehn, zwanzig Jahre später abfragen. Ich halte ihn für eine außerordentliche Persönlichkeit in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts. Er wollte uns wachrütteln und zeigen, dass noch vieles zu leisten ist. Diese Sorge teile ich.

Sehen Sie die Gefahr, dass der Rassismus wieder zum Massenphänomen wird?
Mit Sicherheit ist Deutschland nach wie vor ein demokratisches zivilisiertes Land. Aber wir haben Probleme und es sind nicht mehr nur sehr wenige. Wir dürfen uns an Gewalt in unserer Gesellschaft nie gewöhnen. Sie hinzunehmen wäre bereits der nächste Schritt in der Gewaltspirale - und da ist jeder Schritt einer zu viel.

Die Fragen stellte FRANK LINDSCHEID Kieler Nachrichten

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