Zustände
im März 2005:
Dem polnischen Antisemitismus
geht es gut
Von Dominik Uhlig, erschienen
in:
Gazeta Wyborcza
28-02-2005
Polski antysemityzm ma sie dobrze
In den letzten Jahren ist die Anzahl der Polen
gestiegen, die der Meinung sind, dass "die Juden die Welt regieren".
Die Juden haben auch die Deutschen vom ersten Platz verdrängt- auf
einer Liste der Minderheiten, die den Polen einen Schaden zufügen
können.
Prof. Ireneusz Krzeminski hat das Buch
"Antisemitismus in Polen und in der Ukraine" veröffentlicht. Der
Autor vergleicht in dem Buch antisemitische Haltungen im Jahr 1992
und 2002, nach der Veröffentlichung der Details über das Massaker in
Jedwabne*.
Bei
der Untersuchung des so genannten "traditionellen Antisemitismus"
stellte Krzeminski die Frage, ob "die Juden die Schuld für den Tod
Jesu Christi trifft" und "ob sie selbst dafür verantwortlich sind,
was ihnen zustößt". Die Zahl der positiven Antworten auf diese
Fragen änderte sich zwischen 1992 und 2002 kaum. Es sind ca. 12% der
Polen, meistens die am schlechtesten ausgebildeten. Der Forscher ist
der Meinung, dass "Radio Maryja"** für die Festigung dieser Haltung
verantwortlich ist.
Moderner Antisemitismus
Entschieden gestiegen ist die Popularität des so
genannten modernen Antisemitismus; um diesen zu messen, fragte
Krzesinski, ob "die Juden einen zu hohen Einfluss auf die
Gesellschaft und Wirtschaft haben", "wie viele Politiker in Polen
jüdischer Herkunft sind", "welchen Einfluss die Juden auf die Medien
haben" und "welchen Einfluss die Juden in der Welt haben".
Es
hat sich herausgestellt, dass die Zahl der negativ zu diesen Fragen
Eingestellten seit 1992 gestiegen ist. Erfreulich ist, dass der Grad
des Antisemitismus bei den jüngeren Personen abnimmt. Die
Überzeugung von der jüdischen Verschwörung ist aber auch bei gut
ausgebildeten Personen verbreitet. Andererseits sind die gut
Ausgebildeten eher bereit, Antisemitismus abzulehnen.
Die Haltungen gegenüber Juden polarisieren – es
gibt immer mehr Antisemiten, aber auch Personen die ihnen
entschieden "Nein" sagen. 1992 haben sich 8% der Befragten eindeutig
zum Antisemitismus bekannt, 2002 waren es schon fast 16%.
Bei der Volkszählung 2002 haben nur 1100 Personen
die jüdische Nationalität deklariert, (die schlesische 173.000,
deutsche 153.000, weißrussische 49.000). Die Juden machen also
0,0028% der polnischen Bevölkerung aus, aber gerade sie werden 2002
an erster Stelle unter den Minderheiten genannt, die den Polen und
Polen als Land am meisten schaden können. Zehn Jahre davor waren es
die Deutschen.
Am meisten im Kongresspolen***
Die meisten der "traditionellen" Antisemiten leben
in Dörfern und kleinen Städten. In Orten mit über 200.000 Einwohnern
geben nur 4% den Juden die Schuld für die Ermordung Jesu Christi.
Die Geografie des Antisemitismus untersuchte
Krzeminski anhand der immer noch lebendigen Teilung Polens in die
drei Teilungsgebiete (Galizien [Österreich-Ungarn, Anm. d.
Übersetzers], Kongresspolen [Russland, Anm. d. Übersetzers], und
Preußen).
Es hat sich herausgestellt, dass der moderne
Antisemitismus meistens im ehemaligen russischen Teilungsgebiet
anzutreffen ist, hier gibt es aber auch die meisten
Antisemitismus-Gegner. Warum ist das so? Das alte Kongresspolen, das
sind einerseits rückständige ländliche Gebiete, andererseits
Warschau – die größte Stadt und Hauptstadt Polens.
Der "traditionelle" Antisemitismus ist dagegen im
Süd-Osten Polen (das ehemalige Galizien) am stärksten.
Es gab auch Zusammenhänge mit Partei-Sympathien.
Die meisten Befürworter der These "Die Juden sind selber schuld, die
haben doch unseren Herrn Jesus getötet" sind Samoobrona**** Wähler.
Die meisten, die daran glauben, dass "die Juden die Welt regieren"
wählten die LPR*****
PBS Sopot für die Universität Warschau,
repräsentative Umfrage unter 1085 erwachsenen Polen, 2002
Dominik Uhlig, Aus dem Polnischen von Michael
Brys
Antisemitismus in Polen:
Kommentar von Prof. Ireneusz Krzeminski
*Jedwabne
-
Pogrom in Jedwabne war kein Einzelfall
... publiziert wird. Das Weißbuch "Rund um Jedwabne" ist parallel
zu den Ermittlungen entstanden. Der ... des taz-Verlags.
hagalil.com 14-11-02...
-
Identitätsspiele: Juden und Kommunismus
... Shoah war, wurde von der polnischen Bevölkerung, so Tych, als
Kränkung empfunden, die jetzt im Streit um Jedwabne nochmals
aufbricht ... hagalil.com / 20-11-2001...
-
Als in Jedwabne die Scheune brannte
... In einem Punkt aber sind sich die meisten Publizisten einig:
"Jedwabne ist ein schwarzer Fleck in der Geschichte Polens." Daran
... haGalil onLine 20-02-2001...
-
Polens Präsident brach das Tabu
... Nicht nur über das unfassbare Geschehen in Jedwabne 1941,
möchte man hinzufügen. Auch über die katholischen Bischöfe Polens
von heute. hagalil.com / 26-07...
-
Gedenkstätte des KZs Lety
... Als der polnische Staatspräsident im Juli 2001 eingestand,
1941 seien Polen am Pogrom von Jedwabne beteiligt gewesen, da ...
kt / hagalil.com / 2003-07-25...
-
Zentrum gegen Vertreibungen
... Osteuropa erst mit den Deutschen gemeinsam die Juden
entrechteten« (er meinte wohl den Massenmord von Jedwabne),
»danach die ... kt / hagalil.com / 2003-10-02...
-
Warschauer Institut stellt Studie über Progrome von
Polen an ...
... Das Weißbuch "Rund um Jedwabne" ist parallel zu den
Ermittlungen entstanden...
hagalil.com 12-11-2002. Theodor Herzls Altneuland 18.80Euro! Ihre
Anzeige hier!...
-
Antisemitismus in Mittel- und Osteuropa
... Der Pogrom von Jedwabne gehört weniger zur Geschichte der
Shoah als vielmehr zur Geschichte des Antisemitismus in Polen. ...
hagalil.com 20-04-2002...
Alle nachfolgenden Erklärungen:
www.wikipedia.de
Während des
Zweiten
Weltkrieges ereignete sich in der Stadt Jedwabne ein
Pogrom
an den
jüdischen
Einwohnern. In den Jahren
1949 und
1953
wurden zwölf polnische Einwohner wegen dieses Verbrechens
verurteilt, aber bald wieder aus der Haft entlassen. Nach
1960
errichtete die Stadt einen Gedenkstein für die "von der Gestapo und
den Gendarmen Hitlers verbrannten 1.600 jüdischen Bürger".
Der polnisch-amerikanische Soziologe
Jan Tomasz Gross deckte in seinem Buch "Nachbarn.
Der Mord an den Juden von Jedwabne" im Jahre
2000
diese
Geschichtsfälschung auf. In dem Buch berichtet Gross
von der Ermordung fast der gesamten
jüdischen
Gemeinde des Ortes, etwa 1.600 Menschen, durch ihre polnischen
Nachbarn.
Der Autor berichtet, wie am
10. Juli
1941 nach
seiner Darstellung die katholischen Bewohner des etwa zur Hälfte
jüdischen Ortes durchaus bereitwillig die gesamte jüdische
Bevölkerung des Ortes bis auf wenige Überlebende ermorden. Der
Pogrom
findet seinen Höhepunkt, als die gesamte noch lebende jüdische
Bevölkerung in eine Scheune getrieben und dort bei lebendigen Leibe
verbrannt wird. Das Buch löste international starke Reaktionen aus,
da es auf den polnischen
Antisemitismus,
der unabhängig vom deutschen Antisemitismus bestand, aufmerksam
machte.
Diese Veröffentlichung löste eine intensive
Diskussion aus - insbesondere, da Gross schrieb, dass es sich bei
den Ereignissen vom 10. Juli 1941 nicht um einen Einzelfall
handelte. Gross sah in der gesamten Gesellschaft Polens eine
antijüdische Grundhaltung. Darüberhinaus behauptete er, dass mehrere
Generationen von Historikern diese Ereignisse bewusst zu verstecken
oder zu verschweigen versucht hatten. Seine Aussagen stützt Gross
auf den Augenzeugen und überlebenden Juden Szmul Wasersztajn, auf
Akten der Prozesse in Lomza zwischen 1949 und 1953, auf das
1980
veröffentliche Memobuch der Juden aus Jedwabne sowie auf eine
1998 von
Agnieszka Arnold gedrehte Dokumentation von Gesprächen mit
Einwohnern aus Jedwabne.
**Nationalkonservativer katholischer Radiosender
Radio Maryja
http://www.klick-nach-rechts.de/gegen-rechts/2002/09/maryja.htm
Katholischer
Antisemitismus in Auschwitz
***Als Kongresspolen bezeichnet man das
1815 auf
dem
Wiener
Kongress (daher der Name)geschaffene und durch
Personalunion
mit
Russland
verbundene konstitutionelle Königreich
Polen.
siehe auch:
Teilung Polens
****Samoobrona (offiziell:
Samoobrona Rzeczypospolitej Polski; deutsch:
Selbstverteidigung der Republik Polen; Abkürzung: S) ist
eine politische Partei in
Polen.
Samoobrona wurde
1992 von
ihrem charismatischen Führer
Andrzej Lepper
gegründet und beansprucht für sich, die Interessen der polnischen
Bauern zu verteidigen.
Die Partei wendet sich außenpolitisch gegen
NATO und
EU. Innenpolitisch grenzt sich Samoobrona
scharf von allen liberalen und demokratischen Bewegungen ab und
verfolgt nach eigenen Angaben einen Dritten Weg zwischen
Kapitalismus und Kommunismus, der sich in der Praxis jedoch oft auf
eine allgemeine Ablehnungshaltung und eine Glorifizierung ihres
Parteivorsitzenden Lepper reduziert.
Samoobrona setzte in der
Vergangenheit häufig auf außerparlamentarische, teilweise illegale
Aktionen. Mehrmals wurden Straßenblockaden errichtet, um den
Transport von landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus der
EU zu verhindern. Im
Sejm
fordert Samoobrona höhere Subventionen für die polnische
Landwirtschaft und knüpft damit bewusst an die Planwirtschaft des
kommunistischen Polen in der Zeit von
1945 bis
1989 an.
Lange eher unbedeutend gewann Samoobrona mit
dem Näherrücken des polnischen
EU-Beitritts
enorme Popularität. In den Parlamentswahlen 2001 erreichte
Samoobrona 10,2% der Stimmen und stellt damit derzeit im
Sejm die
drittgrößte Fraktion.
*****Die LPR (poln.: Liga Polskich
Rodzin - deutsch: Liga der polnischen Familien) ist eine
Partei
in
Polen.
LPR wurde
2001
gegründet als ein Sammelbecken für alle, die sich gegen den
ankommenden Beitritt Polens zur
EU
Polens wandten. Sie ist aus verschiedener nationalen und
katholischen Gruppierungen entstanden, u.a. aus Stronnictwo Narodowe
(Nationale Partei), Ruch Katolicko-Narodowy (Katholisch-Nationale
Bewegung), Ruch Odbudowy Polski (Bewegung für Wiederaufbau Polens).
Dabei genoß sie lange Zeit die Unterstützung des
nationalkonservativen katholischen Radiosenders Radio Maryja
und dessen Leiters Pfarrer
Tadeusz Rydzyk, die zum großen Erfolg der Partei im
Sejmwahlen
2001
beigatragen hat. LPR war bis
2002 mit
38 Abgeordneten vertreten, heutzutage sind das ungefähr 28.
LPR steht politisch gegen Mitgliedschaft Polens in
der
EU,
mindestens in der heutigen Umständen. Einerseits setzt sich die
Partei für freie Wirtschaft, anderseits untertonen immer wieder
LPR-Politiker, daß polnischer Boden in polnischen Händen bleiben
soll. Die Partei-Führung erwog schon mehrmals die eventuelle
Mitgliedschaft Polens in
NAFTA,
hat aber bisher keine klare Position dazu genommen. Sie trat jedoch
gegen polnischen Anteil am
Irak-Krieg
und war damit zusammen mit Samoobrona, Bauernpartei (PSL)
und extrem Linken in der Minderheit im
Sejm. LPR
steht für konservative Werte im öffentlichen Leben: protestiert
gegen Legaliesierung der Abtreibung und gleichgeschlechtlicher
Partnerschaften.
Bekannteste Persönlichkeit in der Führung der LPR
sind Roman und
Maciej Giertych, entsprechend: Enkel und Sohn der
bekannten polnischen
ND-Politiker
aus der Zwischenkriegszeit, ein bekannter Gewerkschafter aus „Solidarnosc“
Zygmunt Wrzodak, Urszula Krupa, Robert Strak oder
Marek Kotlinowski, der formell auch der Vorsitzende
der LPR ist.
Bei den
Europawahlen
im Juni
2004
wählten 15.9 % der Wähler die LPR, damit errang sie zehn Sitze im
Europäischen Parlament. Dort hat sie sich der
europakritischen
Fraktion
Unabhängigkeit und Demokratie (Ind/DEM)
angeschlossen.
hagalil.com
02-03-2005
|