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Empfehlungen an die zukünftige Bundesregierung

Vorgelegt von Teilnehmern des NGO FORUM BERLIN

Berlin, den 9. November 2005

Antisemitismus ist auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch immer ein Problem, das unsere Demokratie bedroht. Deswegen ist es nötig, wachsam zu bleiben und entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Das NGO Forum Berlin ist ein Netzwerk von Nichtregierungsakteuren, die sich zum ersten Mal im Vorfeld der OSZE-Konferenz in Berlin im April 2004 zusammengefunden haben. Als Sachverständige, die auf eine lange Erfahrung bei der Bekämpfung des Antisemitismus verweisen können, empfehlen wir der neuen Bundesregierung die Umsetzung folgender Maßnahmen:

1) Stärkung der OSZE-Erklärungen von Berlin und Cordoba und konsequente Thematisierung des Antisemitismus in den bilateralen Beziehungen

Die Vorreiterrolle der Bundesregierung bei der Bekämpfung des Antisemitismus, nicht zuletzt auch im Rahmen des OSZE-Prozesses, ist ausdrücklich zu begrüßen. Wir wünschen uns, dass die Bundesregierung diese Rolle weiterhin spielt und auch innerhalb anderer internationaler Organisationen, wie den Vereinten Nationen, im Rahmen ihrer außenpolitischen Agenda aktiv wahrnimmt.

Auch in den bilateralen Beziehungen ist es wichtig, das Problem des Antisemitismus konsequent zu thematisieren. Mit Geldern aus der internationalen Entwicklungszusammenarbeit darf keine antisemitische Propaganda – beispielsweise in  Medien oder Schulbüchern – gefördert werden. Neben den Anstrengungen auf Regierungsebene sollten zivilgesellschaftliche Initiativen, die den Antisemitismus bekämpfen, weltweit gefördert werden. Dies ist nicht zuletzt in Deutschlands eigenem Interesse, da Antisemitismus aus dem Ausland durch grenzüberschreitende Medien und Migration an den Grenzen der Bundesrepublik keinen Halt macht.

Wir empfehlen nachdrücklich, die in den Erklärungen der OSZE-Konferenzen in Berlin und Cordoba formulierten Forderungen nach stärkerer Beobachtung und Erfassung von Antisemitismus in Deutschland und in anderen OSZE-Mitgliedsstaaten zügig und nachhaltig umzusetzen.

2) Schaffung von Grundlagen im Kampf gegen Antisemitismus

Die Entwicklung und Umsetzung eines Maßnahmenkatalogs gegen Antisemitismus bedürfen einer  soliden empirischen Grundlage. Deshalb muss ein kontinuierliches Monitoring von antisemitischen Erscheinungsformen und Vorfällen durchgeführt werden. Nur eine einheitliche Definition, der sich staatliche Stellen und zivilgesellschaftliche Organisationen bedienen, und eine koordinierte Zusammenführung der Daten garantieren eine umfassende und aussagefähige Erhebung. Die von der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) entwickelte Working Definition of Antisemitism, die auch vom Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) und vom Persönlichen Beauftragten des OSZE-Vorsitzenden zur Bekämpfung des Antisemitismus bei ihrer praktischen Arbeit verwendet wird, sollte zu einer offiziellen und auf allen Ebenen von Politik und Verwaltung verwendeten Grundlage werden. Die Fachkompetenz der NGOs und ihr Wirken in der Zivilgesellschaft sollte genutzt werden, um das Ausmaß des Antisemitismus in der Gesellschaft über die formell erhobenen Daten hinaus zu erfassen.

Es ist wichtig, dass die Gesellschaft ausreichend über das Ausmaß von Antisemitismus informiert wird. Daher sollen die erhobenen Daten der Öffentlichkeit und den entsprechenden Instanzen regelmäßig zugänglich gemacht werden. Ein jährlicher Sachstandsbericht der Bundesregierung zum Antisemitismus und seiner Bekämpfung wäre in diesem Zusammenhang erforderlich.

3) Behandlung von Antisemitismus in den Parlamenten

Wir ermutigen den deutschen Bundestag und die Landtage, eine jährliche Debatte zum Thema Antisemitismus zu führen. Hier sollten die erzielten Fortschritte im Kampf gegen Antisemitismus erörtert und neue Projekte beschlossen werden. Zudem sollten Bundestag und Landtage entsprechende Gremien einsetzen, welche die Umsetzung der im Rahmen der OSZE getroffenen Vereinbarungen überprüfen.

4)  Gesamtgesellschaftliche Ächtung von Israelfeindlichkeit

Ein gesamtgesellschaftlicher Konsens über die Ächtung von antisemitisch inspirierter Israelfeindlichkeit – vor allem im politischen Diskurs – ist dringend erforderlich.  Dazu gehört auch, dass Regierungsbeamte und andere öffentliche Akteure auf jegliche Form solcher Feindlichkeit verzichten. Im Hinblick auf die Beurteilung, was als antisemitisch inspirierte Israelfeindlichkeit anzusehen ist, empfehlen wir die erwähnte Antisemitismusdefinition der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC), des Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) und des Persönlichen Beauftragten des OSZE-Vorsitzenden zur Bekämpfung des Antisemitismus zu benutzen. Darüber hinaus ist konkret eine Intensivierung von deutsch-israelischen Austausch- und Begegnungsprogrammen anzustreben, da nur ein  intensiver Kontakt langfristig zu einem realistischen Bild Israels unter Meinungsträgern und in der Öffentlichkeit – vor allem unter Jugendlichen – führen kann.

5) Langfristige Förderungen von Projekten

Es wäre zu begrüßen, wenn praktische Projekte gegen Antisemitismus von der Regierung stärker gefördert würden. Damit sie eine nachhaltige Wirkung entfaltet, müsste eine solche Förderung langfristig angelegt sein. Zu empfehlen wäre die feste Integration von Projekten gegen Antisemitismus in die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen – unabhängig von aktuellen Vorkommnissen. Hierbei kommt Projekten Priorität zu,die Antisemitismus aufgrund seiner spezifischen Erscheinungsmuster und wesentlichen Merkmalsunterschiede zum Rassismus eigenständig behandeln. Konkret wäre es hilfreich, zur Abwehr von Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus die Handlungs- und Vorbeugungsstrategien für Toleranz und gegen Gewalt weiter auszubauen – unter anderem zum Beispiel im "Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt" insbesondere der Programme Civitas, Xenos und Entimon.

6) Polizei und Justiz

Die konsequente Verfolgung von strafbarem antisemitischen Verhalten ist sicherzustellen. Dabei ist eine Fortbildung von Polizei und Justiz zum Thema Antisemitismus nach dem Modell des entsprechenden Programms von ODIHR zu empfehlen, damit Beamte entsprechende Vorfälle als antisemitisch motiviert identifizieren können.

7) Bildung  

Lehrer und Schüler können durch Fortbildungen und Projekte gegen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit sensibilisiert werden. Es wäre daher zu begrüßen, wenn dies auch im Rahmen des Lehrerstudiums – in erster Linie und zumindest für Sozialkunde-, Geschichts- und Politiklehrer – geschehen würde. Der langfristig beste Weg, um ein ausgeglichenes und informiertes Bild über das Judentum in Deutschland zu schaffen, besteht darin, neben der Geschichte des Holocaust sowohl das Thema Antisemitismus zu einem festen Bestandteil des Lehrplanes zu machen als auch die Vermittlung von jüdischer Kultur und Geschichte im Unterricht stärker zu thematisieren.

Die Bildungsarbeit gegen Antisemitismus darf sich nicht auf die Vermittlung von Wissen über Judenfeindschaft und Judentum beschränken. Da Antisemitismus sich immer als Kampf gegen Demokratie und die allgemeine Emanzipation der Menschen äußert, ist es notwendig, dass an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen demokratische und zivilgesellschaftliche Werte vermittelt werden. Dies ermöglicht, gegen Antisemitismus als gesamtgesellschaftliches Problem vorzugehen und ihn  nicht als  isoliertes Problem einzelner Gruppen  zu betrachten. Dazu ist auch der Ausbau entsprechender Bildungsprogramme notwendig.

Teilnehmer des NGO FORUM BERLIN, die die Empfehlungen an die Bundesregierung vom 9. Nov. 2005 unterstützen:

Aktion Sühnezeichen Friedensdienste
Amadeu Antonio Stiftung
American Jewish Committee
Anne Frank Zentrum
BildungsBausteine gegen Antisemitismus
B’nai B’rith, Frankfurt Loge
Bundesverband Jüdischer Studierender in Deutschland
Deutscher Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit
Deutsch-Israelische Gesellschaft Berlin
Friedrich-Ebert-Stiftung
Friedrich Naumann Stiftung
Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Berlin
haGalil Online
Heinrich-Böll-Stiftung
Initiative 9. November 38
Jugendbegegnungsstätte Anne Frank
Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA)
Konrad-Adenauer-Stiftung
Middle East Media Research Institute (MEMRI) Berlin
Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus
RAA Brandenburg e.V.
Tacheles Reden e.V.
Weltkongress Russischsprachiger Juden
Zentralrat der Juden in Deutschland KdöR

Zu diesen offiziellen Empfehlungen kommen noch einige von haGalil eingebrachte Anregungen, die nicht in den gemeinsamen NGO-Forderungskatalog aufgenommen wurden.

hagalil.com 10-11-2005


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