ECRI Wien meldet sich zu Wort:
Wie Europa Antisemitismus definiert
von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 17. Mai 2005
Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres versucht die EUMC in Wien,
ein brisantes Dokument zum Thema Antisemitismus der Öffentlichkeit
vorzuenthalten. Vor einem Jahr passten der EUMC nicht die Ergebnisse
einer Untersuchung über Antisemitismus in Europa, weil sich
herausstellte, dass die ebenfalls rassistisch verfolgte muslimische
Minderheit vor allem in Frankreich, für viele antisemitisch
motivierte Übergriffe verantwortlich war. Die EUMC versuchte, den
Report zu "begraben". Aber er kursierte schon in der Welt und der
EU-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit veröffentlichte den unter
Verschluss gehaltenen Report auf seiner Homepage.
Diesmal geht es um eine von EU-Experten formulierte Definition des
Antisemitismus. Sie ist brisant, weil auch Ansichten über den Staat
Israel als antisemitisch eingestuft wurden und nicht mehr als
"legitime Kritik an der Politik Israels".
Wieder versucht die EUMC, eine Veröffentlichung zu verhindern. Der
Originaltext auf Englisch und eine
inoffizielle deutsche Übersetzung werden jetzt erstmals auf
der Homepage dieses Korrespondenten veröffentlicht:
usahm.de/Dokumente/ANTISEMITISM. Eine inoffizielle deutsche
Übersetzung des Dokuments:
usahm.de/Dokumente/DEFINITION.Die
Wiener Behörde EUMC (European Monitoring Centre on Racism and
Xenophobia) erfasst, analysiert und dokumentiert, im Auftrag der EU
antisemitische, rassistische und fremdenfeindliche Vorfälle. Sie tut
sich schwer mit einer Definition des Begriffes "Antisemitismus" und
der Frage "Wer ist Antisemit". Der Sprecher der Behörde, John
Kellock, bestätigt, dass die EUMC zusammen mit dem American Jewish
Committee (AJC) und anderen internationalen Organisationen eine
Definition ausgearbeitet habe, um klare Kriterien in der Hand zu
haben, einen antisemitischen Vorfall als solchen auszumachen.
Kellock bestätigt auch, dass es schon ein "Arbeitspapier" gebe. Das
habe aber noch "keinen Status" und dürfe deshalb nicht
veröffentlicht werden. Er weigerte sich auch, die Echtheit des uns
vorliegenden Dokuments zu bestätigen.
Nach Angaben von Eldad Beck, dem Berliner Korrespondenten der
israelischen Zeitung "Jedioth achronoth", sei dieses Dokument an
jüdische Gemeinden geschickt worden. Nachfragen bei mehreren
Gemeinden, in Wien, München, Düsseldorf und Berlin, ergaben, dass
niemand von dem "Arbeitspapier" wusste. Doch Rabbi Andrew Baker von
der AJC in Washington bestätigte, was die EUMC in Wien ableugnete:
Das ist das Papier mit jenen Antisemitismus-Definitionen, wie sie
von den Experten der EU und der EUMC nach langen Beratungen
akzeptiert worden seien. Am 28. Januar sei es verfasst und am 18.
März an die "Monitors" in den europäischen Ländern verteilt worden.
Diese "Monitors" benutzen diese ausformulierten Definitionen jetzt
schon als "Arbeitsgrundlage", um antisemitische Vorfälle in ihren
Ländern zu identifizieren, so Baker.
Im Vorspann heißt es: "Antisemitismus ist eine gewisse Vorstellung
von Juden, die als Hass auf Juden ausgedrückt werden könnte."
Antisemitisch seien verbale und physische Vorstöße gegen Juden oder
nicht-jüdische Individuen, gegen deren Eigentum oder gegen jüdische
Gemeinden oder religiöse Einrichtungen. Antisemitische Äußerrungen
betreffen auch den Staat Israel, wenn der als "jüdisches Kollektiv
aufgefasst" werde. Der Antisemitismus beschuldigt Juden , sich zu
verschwören und der Menschheit zu schaden. Der Antisemitismus in
Worten, Bildern und Taten benutze "finstere Stereotypen und negative
Charakterzüge".
Nach Ansicht der EU-Beamten sei es antisemitisch, den Juden eine
Kontrolle der Medien, der Wirtschaft oder Regierungen zu
unterstellen.
Die Juden verantwortlich zu machen für Taten einzelner Juden,
jüdischer Gruppen oder sogar von Nicht-Juden.
Die Tatsache, das Ausmaß oder Mechanismen des Holocaust, wie
Gaskammern, zu verleugnen sei ebenso antisemitisch wie die
Behauptung, wonach die Juden als Volk oder Israel als Staat den
Holocaust erfunden oder "übertrieben" dargestellt hätten.
Antisemitisch sei es auch, Juden eine größere Loyalität zu Israel
oder vermeintlichen "weltweiten jüdischen Prioritäten" zu
unterstellen, als Treue zu den Ländern, deren Bürger sie sind.
Eine antisemitische Erscheinungsform ist gemäß der offiziellen
europäischen Definition auch eine Betrachtung des Staates Israel als
"rassistisches Unternehmen". Dem jüdischen Volk das Recht auf
Selbstbestimmung abzusprechen sei ebenso antisemitisch, wie die
Anwendung von "doppeltem Standard", indem an Israel Ansprüche
gestellt werden, wie an keine andere demokratische Nation. Ein
Vergleich der heutigen Politik Israels mit dem Vorgehen der Nazis
sei ebenso ein Ausdruck des Antisemitismus, wie die Ansicht, alle
Juden seien für die Politik des Staates Israel verantwortlich.
"Allerdings kann Kritik an Israel, wenn sie vergleichbar ist mit
Kritik an anderen Ländern, nicht als antisemitisch betrachtet
werden", heißt es abschließend in dem Geheimdokument, dessen
Veröffentlichung von der EUMC unterbunden wird.
hagalil.com
18-05-2005
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