Der iw Brennpunkt vom 11.August
2000 / 10 Aw 5760
Verirrte
Seelen?
Die Äusserungen von Rabbiner
Joseph haben auch die Frage aufgeworfen: "Was ist im Judentum unter
«Gilgul», «Ibbur», «Reinkarnation» und «Seelenwanderung» zu verstehen?"
Das Thema des «Gilgul Neschamot»
(wörtl. Rollen der Seelen) ist in der Tora nicht explizit erwähnt. Im
«Sohar» (Leuchten) in Paraschat «Mischpatim» unter dem Titel «Saba de
Mischpatim» (Grossvater oder Alter Mann der Paraschat Mischpatim) werden
die Geheimnisse der Reinkarnation ausführlich diskutiert. Weiterführend
griff auch der Arisal (Rabbi Yitzchak Luria) in seinem Buch «Schaar ha
Gilgulim» (Die Tore der Reinkarnation) dieses Thema auf. Der Grund warum
wir im Tenach keine ausführliche Erwähnung – ausser Andeutungen –
finden, wird damit begründet, dass G’tt dem Menschen die freie,
eigenverantwortliche Wahl lässt, zu tun und lassen was immer er möchte.
Ist der Mensch, so die Begründung unserer Weisen, zu sehr mit der
Reinkarnation als «Bestrafung» konfontiert, wird er unter Umständen
apathisch seinem «Schicksal» entgegendämmern. Eine Vertiefung dieses
Themas würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, deshalb beschränken
wir uns hier auf die Erwähnung einiger Werke, die sich intensiv mit der
Thematik auseinandersetzen.
Das «Sefer
Yetzirah» (Das Buch der Schöpfung)
Die beste Übersetzung sowie
Kommentar hierzu stammt von Rabbiner Aryeh Kaplan: «Sefer
Yetzirah», herausgegeben von Jacob Aronson. Dieses Werk enthält
den vollständigen hebräischen Text aller Versionen dieses Buches, einen
klaren Kommentar mit Bildern und Erklärungen sowie tiefgehenden
Diskussionen. «Sefer Yetzirah» ist ohne Frage das älteste und
mysteriöseste aller kabbalistischen Werke. Die ersten Kommentare zu
diesem Buch wurden im 10. Jahrhundert geschrieben, der Text selbst wird
bereits im 6.Jahrhundert zitiert. Dieses Buch ist so alt, dass seine
Ursprünge ungreifbar sind.
«Sefer Yetzirah» ist ein kleines
Buch, nur 1300 Worte in der kurzen und 2500 Worte lang in der langen
Version. Das erste Kapitel diskutiert die «Sefirot» (symbolisch für
himmlischer oder idealer Mensch); das zweite Kapitel ist eine Diskussion
der Buchstaben des hebräischen Alphabets, und der 231 Tore; Kapitel 3
bis 5 diskutieren die Einteilung der Buchstaben in übergeordnetem
Zusammenhang. Der Text wurde absichtlich in einer Art geschrieben, die
ihn einem Leser ohne umfassendes Hintergrundwissen in den Gebieten Tora,
Tenach und Midrasch bedeutungslos erscheinen lässt.
Der «Bahir»
(Das Buch der Erleuchtung)
Der «Bahir» (Das Buch der
Erleuchtung) ist einer der ältesten und bedeutendsten kabbalistischen
Texte. Bis zur Veröffentlichung des «Zohar» war er die einflussreichste
Quelle kabbalistischer Lehre. Er wird in nahezu jedem wichtigen
kabbalistischen Werk und sogar vielmals von Ramban in seinem Kommentar
zur Tora zitiert. Selbst im «Zohar» wird er mehrfach paraphrasiert und
erwähnt.
Der Name «Bahir» bedeutet
wörtlich «strahlend» oder «Erleuchtung» und wird von seinem ersten Vers
abgeleitet: «Und nun sehen sie das Licht, und es ist strahlend [bahir]
in den Himmeln», welcher selbst ein Zitat aus dem Buch Hiob (37:21) ist.
Das Buch wird auch «Der Midrash des Rabbi Nehuniah ben HaKana» genannt.
Obwohl der Bahir ein recht kleines Buch ist und insgesamt nur 12 000
Worte umfasst, war er sehr angesehen. Erstmalig wurde er 1176 in der
Provence (Frankreich) veröffentlicht. Die meisten Kabbalisten schreiben
ihn Rabbi Nehunia ben HaKana zu, einem talmudischen Gelehrten des ersten
Jahrhunderts. Eines der bedeutendsten in ihm offenbarten Konzepte ist
das der zehn «Sefirot». Ebenso werden die eröffnenden Verse der Genesis
und ihre wahre Bedeutung diskutiert, die mystischen Aspekte des
hebräischen Alphabets, «Gilgul» (Reinkarnation), die 32 Pfade der
Weisheit und weitere Themen.
Der «Zohar»
(«Der Glanz», Kabbala)
Er ist der grösste Klassiker
jüdischer Mystik, ein mystischer Kommentar der Tora, in aramäisch
geschrieben. Es wird behauptet, er sei auf die Lehren des palästinischen
Rabbiners Schimon ben Yochai (zweites Jahrhundert u.Z.) zurückzuführen.
Legenden zufolge versteckte dieser sich in einer Zeit der römischen
Verfolgung für 13 Jahre in einer Höhle, und studierte dort mit seinem
Sohn Tora. Während dieser Zeit soll er von Gott zum Schreiben des
«Zohar» inspiriert worden sein. Es findet sich jedoch keine wirkliche
Erwähnung dieses Buches in jüdischer Literatur vor dem 13. Jahrhundert.
Der «Zohar» enthält viel Material, welches sich in «Sefer Yetzirah» und
«Sefer Bahir» findet, und führt dieses weiter aus. Selbstverständlich
liesse sich die Reihe kabbalistischer Literatur, die sich mit dem
Phänomen des «Gilgul» auseinandersetzt fortführen. Leider gibt es aber
darunter viel Unseriöses.
Schlomoh Gysin
Weitere
Schwerpunkte im iw
Nr. 32 vom 11. August 2000-08-09
- Thema: Augenschein in Israels
Norden: (fast) alles ruhig
- Israel: Unter der Lupe: die
Gewerkschaften
- Schweiz: Macht Kunst aus
Email: Rivka Mayer, die Gattin des scheidenden israelischen
Botschafters Ytzchak Mayer
[Weitere
Artikel aus dem Israelitischen Wochenblatt]
[Foren zum Thema:
Strafe G'ttes
-
Ovadia Josef]
|