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Flucht 1967:
Trauer und Entsetzen auch über die Unfähigkeit der arabischen
Führungen |
Menschen,
die keiner haben will
Über 3,7 Millionen
palästinensische Flüchtlinge leben laut Angaben des
UNO-Flüchtlingswerks UNRWA im ganzen Nahen Osten verstreut, inkl.
der Westbank und dem Gazastreifen. Die Palästinenser selber
sprechen von 5,2 Millionen Flüchtlingen, denen das Recht auf
Rückkehr gewährt werden muss, und zwar auch nach Israel.
In einem sind sich Jordanien, Libanon und Syrien einig: Die
Lösung des Flüchtlingsproblems wird nicht zu Lasten ihres eigenen
souveränen Territoriums geschehen.
Ein Artikel von Zvi Barel
/ Haaretz
ersch. auch in der JR Basel
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«Wenn sich mit einem
Male Arafats Besuche in Jordanien häufen», sagt der Redaktor einer jordanischen
Zeitung, «dann beginnen wir uns zu fragen, was vor sich geht. Wenn Arafat die
Souveränität über den Tempelberg haben will, braucht er dazu Jordanien nicht.
Schließlich gibt es kaum noch jemanden, der sich dieser Forderung widersetzt,
und Jordanien hat in Bezug auf Grenzen sowieso nicht mehr viel zu sagen. Mit
Israel ist alles geklärt, desgleichen mit der Palästinensischen Behörde, und die
Sache ist jetzt sowieso kein Gesprächsthema. Was bleibt also noch? Übrig ist
noch das Recht auf Rückkehr, und dafür ist Jordanien bereit, auf die Barrikaden
zu gehen.»
Palästinensische
Demonstration
in Jordanien |
Als vor kurzem die Nachricht die Runde zu beginnen machte, Israel
sei im Austausch gegen palästinensische Konzessionen in Bezug auf
das Recht auf Rückkehr bereit, in Jerusalem nachzugeben, ging
Jordanien in die Defensive. Jede palästinensische Konzession
hinsichtlich der Flüchtlinge nämlich würde gemäss dem eingangs
zitierten Redaktor eine Aufforderung an Jordanien bedeuten, zur
Lösung des Flüchtlingsproblems beizutragen. «Das Land wäre mit
anderen Worten gezwungen, einige weitere tausend Menschen zu
absorbieren, nachdem bereits 1,5 Millionen Flüchtlinge im Königreich
wohnen. Die Situation ist unhaltbar, sowohl finanziell als auch
politisch und gesellschaftlich.» |
US-Hilfsangebot
für Amman
Noch vor dem
Ausbruch der Intifada, als man noch mehr oder weniger miteinander verhandelte,
erklärte Jordaniens Premierminister Ali Abu al-Ragheb unmissverständlich, dass
sein Land keinen einzigen neuen palästinensischen Flüchtling aufnehmen würde.
König Abdullah II machte es sowohl seinem Volk als auch den sich in seinem Lande
umsehenden Vertretern der US-Administration gegenüber klar, dass Jordanien ein
Staat für all seine Bürger sei, dass Palästinenser und Jordanier Brüder seien,
Mitglieder der gleichen Familie. Die Familie wohne aber in Jordanien, zu dem in
anderen Ländern lebende Palästinenser nicht gehörten.
Diese in erster
Linie zur Beruhigung der jordanischen Öffentlichkeit gedachten Bemerkungen haben
weder damals noch heute den gewünschten Effekt gehabt. Vergangene Woche
spekulierte man in der Gerüchteküche über ein großzügiges amerikanisches
Hilfspaket für Amman. So sollen die Schulden von 7 Mrd. Dollar gestrichen
werden, und ein Freihandelsabkommen Jordanien-USA soll im Schnellverfahren
bewilligt werden. Im Gegenzug hätte das Königreich der Aufnahme weiterer
palästinensischer Flüchtlinge zuzustimmen.
Vor rund 6 Monaten forderten einige Beduinen vertretende jordanische
Parlamentarier nicht nur eine Weigerung ihrer Regierung, Flüchtlinge im Lande
anzusiedeln, sondern auch eine Entschädigung für die 50 Jahre, in denen
Jordanien palästinensische Flüchtlinge in seinen Grenzen beherbergt habe. Die
Parlamentarier legten sogar schon eine Berechnung vor, gemäss welcher Jordanien
rund 40 Mrd. Dollar erhalten sollte - 20.000 Dollar für jeden der im Lande
lebenden rund 2 Mio. Flüchtlinge.
Umliegende
Staaten wollen das Problem auslagern
Laut Umfragen
palästinensischer Organisationen sind nur 9% der Flüchtlinge gewillt, gegen eine
Kompensation auf ihr Recht auf Rückkehr zu verzichten. Sollte die Möglichkeit
einer Entschädigung aber in Griffnähe rücken, würden die Palästinenser
Forderungen von über 40 Mrd. Dollar für direkte Verluste anmelden können. Dr.
Manuel Hassasian, Rektor der Universität Bethlehem, zeigt in einer Studie, dass
die Zahl auf Listen basiert, welche die UNO in den Jahren 1950 und 51 angelegt
hatte, und welche detaillierte Informationen über die zurückgelassenen
Wertgegenstände und Ausrüstung enthält. Der entsprechende Wert war in den 50er
Jahren ursprünglich mit 7,5 Mrd. Dollar angegeben, doch Hassasian behauptet,
diese Summe müsse auf den Zeitpunkt einer eventuellen Zahlung angepasst werden.
Ungeachtet aller potenzieller Entscheidungen bzgl. des Schicksals der
Flüchtlinge betonen Quellen am jordanischen Königshof heute bereits, man werde
zu keiner Lösung Hand bieten, welche den heute schon auf 50–60% geschätzten
Anteil der Palästinenser an der Bevölkerung des Landes erhöhen würde. In dieser
Beziehung herrscht Übereinstimmung zwischen Jordanien, Libanon und Syrien, und
die drei Staaten präsentieren eine identische politische Front: Eine Lösung des
Flüchtlingsproblems zu Lasten ihrer eigenen territorialen Souveränität wird es
nicht geben.
In einem gemeinsamen
Communiqué erklärten letzte Woche Libanons Präsident Emil Lahoud und
Parlamentssprecher Nabih Berri: «Libanon lehnt jede Lösung des
Palästinenser-Problems ab, welche die nationalen Rechte des libanesischen Volkes
kompromittieren würde. Vor allem weil die vorgeschlagene Lösung kein Ende der
Auseinandersetzung zur Folge haben, sondern ein neues Problem schaffen würde,
dessen Auswirkungen viel ernsthafter wären als der gegenwärtige Konflikt.»
Der libanesischen
Regierung sind schon zahlreiche Vorschläge zur Einbürgerung und Umsiedlung der
rund 350.000 auf ihrem Territorium lebenden palästinensischen Flüchtlinge
unterbreitet worden. Jedes Mal folgte auf dem Fuss eine syrische und
libanesische Zurückweisung. Als Elias Harawi Präsident und Rafik Harir Premier
des Zedernlandes waren, hatte Libanon einen Plan entworfen, gemäss welchem die
Flüchtlinge in Palästina, den Araber-Staaten und dem Westen, vor allem Kanada
und Deutschland, Aufnahme finden sollten. Einer der Pläne, mit dem in der
Vergangenheit herumgespielt wurde, sah die Integration palästinensischer
Flüchtlinge aus Libanon in Irak vor. Laut unbestätigten Berichten wollte
Frankreich im Austausch gegen eine Aufhebung der UNO-Sanktionen gegen Bagdad
Irak und die USA zur Annahme dieses Planes veranlassen. Der Plan tauchte 1993
und dann wieder 1997 auf.
Die Absicht
Beiruts
Ein
typisches Flüchtlingslager im
Winter 1948, hier Nahr al-Barid im
Norden des Libanon
(UNRWA Archiv).
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Der
libanesische Plan löste Unmut in Jordanien aus, sah er u.a. doch
vor, 20% der Flüchtlinge in Ländern anzusiedeln, in denen sie
Verwandte haben. Der Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Jordanien
war mehr als deutlich, und die Idee wurde fallen gelassen. Die
Absicht Beiruts, Libanon völlig von der Last der Flüchtlinge zu
befreien, war offensichtlich. Diese Haltung prägt die derzeitige
Politik Syriens und Libanons, welche darauf hinausläuft, das Recht
auf Rückkehr als das Recht der arabischen Gaststaaten der
Flüchtlinge zu interpretieren, sich dieser Bürde zu entledigen,
die in Libanon nicht nur als menschliches Thema, sondern als
Angelegenheit der Staatssicherheit angesehen werden. |
«Das
palästinensische Recht auf Rückkehr», meint ein libanesischer Journalist, «ist
ein Synonym für unser Existenzrecht. Nicht wenige Libanesen werden Ihnen
erklären, dass sie das Gefühl haben, noch immer unter Besatzung zu leben, da
Teile des Landes von hunderttausenden palästinensischer Flüchtlinge beherrscht
werden, die in Enklaven leben, Waffen tragen und weder vor Gericht gestellt noch
deportiert werden können.» Das unter Gamal Abdul Nasser 1969 unterzeichnete
Kairoer Abkommen zwang die Libanesen, den Palästinensern das Tragen von Waffen
zu gestatten, damit sie ihren Kampf gegen Israel weiterführen konnten. Zwar
wurde das Abkommen 1987 annulliert, doch war Libanon seither nicht fähig, die
Bewaffnung der Palästinenser zu reduzieren, welche die Flüchtlingslager als
unabhängige Einheiten führen.
Geschlossener
Teufelskreis
Libanon reagierte
mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, inkl. wirtschaftlichem Druck: Wer
durch libanesisches Gebiet reisen will, braucht eine Sonderbewilligung, und in
69 verschiedenen Berufszweigen, inkl. dem medizinischen und juristischen, dürfen
Palästinenser nicht beschäftigt werden. Palästinensische Ärzte, die außerhalb
der Lager Privatkliniken betrieben, wurden vor Gericht gestellt. In den Lagern
verdienten sie in Kliniken im Monat 200 Dollar, ausserhalb 900.
1948 UNRWA Archiv |
Arbeitsbewilligungen erhalten Palästinenser vor allem für die
Zitronenhaine Libanons, wo sie 8 Dollar pro Tag verdienen können -
etwas weniger als die Gastarbeiter aus Sri Lanka erhalten.
Palästinenser dürfen weder Land noch Häuser kaufen, und wer seine
Wohnung in einem Lager renovieren will, benötigt eine
Sondergenehmigung, die nur schwer erhältlich ist. Der libanesische
Wirtschaftsboom macht einen weiten Bogen um die Flüchtlingslager. |
So zahlt die
libanesische Regierung zwar jeder Familie, die ihre Behausung räumt, 5000
Dollar, doch kann man für diesen Betrag nirgendwo im Lande auch nur eine
Bruchbude kaufen. Dann heißt es offiziell, Palästinenser könnten sich ihren
Arbeitsplatz frei suchen, vorausgesetzt, sie erhalten eine Arbeitserlaubnis von
der zuständigen Gewerkschaft. Dieser wiederum ist es von Gesetzes wegen
untersagt, Neumitglieder zu akzeptieren, die keine libanesischen Bürger sind.
Der Teufelskreis ist geschlossen. Hinzu kommt, dass UNRWA, die
Flüchtlings-Hilfsorganisation der UNO, die bisher eine wichtige Quelle für
Einkommen und Arbeit in Libanon gewesen ist, ihre Aktivitäten dort einschränkt.
So werden keine Bücher, Hefte, Bleistifte usw. mehr gratis abgegeben. Die
medizinische Versorgung ist unzureichend, und für den Kauf neuer bzw. der
Renovierung veralteter Ausrüstung gibt es kein Budget. Dieses wird größtenteils
für die Löhne von Ärzten und Schwestern aufgewendet, die mehrheitlich in
Osteuropa ausgebildet worden sind und nicht über die Mittel verfügen, um ihr
Wissen oder ihre Technik auf den neuesten Stand der Entwicklung zu bringen.
Die Situation der
Flüchtlinge in Libanon unterscheidet sich drastisch von jener der Palästinenser
in Jordanien, die Bürger des Landes sind und formell rechtlich gleichgestellt
sind. Ausgenommen sind Personen, die aus dem Gazastreifen nach Jordanien
einwanderten und noch immer ägyptische Flüchtlingsausweise tragen. «Im Maximum
kann Jordanien», sagt der eingangs zitierte jordanische Redaktor, «zur Lösung
der Probleme der Flüchtlinge in den Lagern und zu deren Rehabilitierung
beitragen. Schließlich sprechen wir hier von jordanischen Bürgern, und
Flüchtlingslager, die durch neue Wohnhäuser ersetzt würden, könnten auch zur
Belebung des stagnierenden Immobilienmarktes beitragen.»
Ausarbeitung
einer Zauberformel
Im Libanon dagegen
ist der Begriff «Umsiedlung» ein Synonym für Verrat. Kabinettsmitglieder, die es
in der Vergangenheit gewagt hatten, eine Regulierung des Lebens der
Palästinenser auf libanesischem Territorium vorzuschlagen, hätten beinahe ihre
Jobs verloren. Heute steht die Regierung im Kreuzfeuer der Kritik, weil sie
nicht imstande ist, in die Lager einzudringen, die von den Palästinensern
gehaltenen Waffen zu konfiszieren und libanesisches Gesetz in den Lagern
einzuführen. Es darf nicht ausgeschlossen werden, dass Libanon die Palästinenser
aus seinen Grenzen in Richtung auf den neuen Palästinenserstaat vertreibt,
sollte Arafat mit Israel eine Lösung für die Rückkehrer-Klausel finden und
parallel dazu seinen Staat ausrufen.
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Sollte
Palästina tatsächlich der Staat für alle Palästinenser auf der Welt
werden, kann keiner, so heißt es in Beirut, von Libanon verlangen,
weiter ein Zufluchtshafen für die Flüchtlinge zu bleiben. Die
Palästinensische Behörde (PA) ist sich des Problems bewusst. «Über
die Frage der Korrektur eines historischen Unrechts hinaus», meint
ein Dozent der Universität Bir-Sejt in der Westbank, «ist das Recht
auf Rückkehr ein sehr praktisches Problem. Die Frage ist, ob eine
praktische Lösung zur Verbesserung des miserablen Lebens der
Flüchtlinge gefunden werden kann, ohne ihr historisches Recht auf
Rückkehr in ihre Heimat zu opfern. |
Mit welch magischer
Formel können wir aber aufwarten, wenn niemand dieses Recht opfern will? Man
kann eine Lösung nicht auf der Annahme basieren, dass die Flüchtlinge nicht
zurückkehren wollen, und man kann das Recht auf Rückkehr nicht anerkennen, ohne
dass es praktische Formen annehmen würde. Vielleicht läst sich eine Übereinkunft
erzielen, gemäss welcher das Recht auf ewig bestehen bleibt, seine
Verwirklichung aber ohne Fixierung eines Terminkalenders aufgeschoben wird...»
Arafat versucht nun
offenbar, vor allem mit Jordanien einen Modus vivendi zu finden, welcher ihm
erlaubt, seinen Staat zu deklarieren, ohne gleichzeitig die Ausweisung der
Palästinenser aus Libanon mitanschauen zu müssen. Als Haupt-Vermittler zwischen
Arafat, Syrien und Libanon ist König Abdullah II nun aufgerufen, Arafat bei der
Ausarbeitung dieser Zauberformel zu helfen.
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Das Recht auf
Rückkehr
«Die Generalversammlung bestimmt, dass die Flüchtlinge, die in ihre Heime
zurückkehren und in Frieden mit ihren Nachbarn leben wollen, dies zum
frühest möglichen Zeitpunkt tun sollen können, und dass jenen, die sich gegen
eine Rückkehr entscheiden, Kompensation für ihren Besitz bzw. für den Schaden
oder den Verlust an ihrem Besitz gezahlt werden soll.»
§ Paragraf 11 der
UN-Resolution 194
vom 11.12. 1948
Das
Rückkehrrecht:
Hintergrundinformationen
Eine palästinensische Sicht der Lage
Weitere Informationen:
Palästina
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