Das
Antwortschreiben:
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Frage lautet etwa wie folgt:
Ist es aus jüdischer Sicht ein Problem, wenn Christen das
Schma Israel in einer Kirche singen?
Vorbemerkung:
Der Text dieses Gebets in der Bibel ist sehr kurz, aber reich
an Bedeutung:
"Höre, Israel, der Ewige ist unser Gott, der Ewige allein"
(5. Moses 6, 4).
Dieser Satz ist das Bekenntnis der Juden zum ewigen einzigen
Gott, das Glaubensbekenntnis. Er kommt oft im täglichen Gebet vor,
jedenfalls soll der Tag mit dem Rezitieren des Schma Israel beginnen und
beim Schlafengehen damit enden. So steht es ausdrücklich in der Bibel.
Dieser Satz wird gesprochen, wenn die Seele mit Hoffnung erfüllt ist, aber
auch als Trost in der Stunde der Hoffnungslosigkeit. Er begleitet den
Menschen in seinen letzten Stunden auf Erden. Schon in alter Zeit wurde er
von dem Sterbenden oder von den in seiner Sterbestunde um ihn Versammelten
gesprochen. Die Märtyrer hauchten mit diesem Bekenntnis ihre Seele aus.
Antwort:
- Rein formal könnte man sagen, dass es die Sache der
Christen ist, welche Gebete sie in der Kirche singen.
- Insbesondere ist es nichts Ungewöhnliches, wenn Christen in
ihren Gebeten Stellen aus der hebräischen Bibel rezitieren. Schließlich sind
die Psalmen ebenfalls hebräische Gebete, die zum Teil von den Priestern im
heiligen Tempel zu Jerusalem gesungen wurden.
- Solange die Gebete der Christen keine antijudaistischen
Andeutungen enthalten (was früher durchaus üblich war), sollte von jüdischer
Seite kein Einwand gegen das Singen des Schma Israel in der Kirche erhoben
werden.
- Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass manche Juden
es als geschmacklos empfinden, wenn die letzten Worte der jüdischen Märtyrer
in einer Kirche ertönen.
- Man könnte andererseits mit Genugtuung die Tatsache
bewerten, dass Christen in ihrem Gotteshaus das jüdische Glaubensbekenntnis
vortragen. Es könnte als ein Zeichen der letzten Tage im Sinne des Propheten
Jesaja gedeutet werden, der meinte, dass am Ende der Tage (nach jüdischer
Auffassung mit der Ankunft des Messias) alle Völker den Gott Israels
anerkennen werden.
Jesaja Kap. 2
2,2 Und es wird geschehen am Ende der Tage, da wird der
Berg des Hauses des HERRN feststehen als Haupt der Berge und erhaben sein
über die Hügel; und alle Nationen werden zu ihm strömen. 2,3 Und viele
Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinaufziehen zum Berg des
HERRN, zum Haus des Gottes Jakobs, dass er uns seine Wege zeige und wir auf
seinen Pfaden gehen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und das Wort des
HERRN von Jerusalem. 2,4 Und er wird richten zwischen den Nationen und für
viele Völker Recht sprechen. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen
umschmieden und ihre Speere zu Winzermessern. Nicht mehr wird Nation gegen
Nation das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr lernen.
Schlussbemerkung:
Es soll hervorgehoben werden, dass wie auch immer man zur
Frage und zu ihrer Beantwortung steht, die Frage selbst Sensibilität und
Rücksichtnahme auf die Gefühle von Juden bezeugt.
Mit freundlichen Grüßen
Bar Rav Nathan |