Das
Antwortschreiben:Sehr geehrte Damen und Herren,
folgende Fragen wurden gestellt: -
Welche Vorstellungen hatten die Juden zur Zeit Jesus von der Hölle (Heb.
Gehinom, oder Ge ben Hinom, ein Tal bei Jerusalem)?
Vorbemerkung: Der Hintergrund zu dieser Frage
ist die Beobachtung, dass christliche Jugendliche sich aufgrund von
unfundierten Geschichtskenntnissen in einer suspekten Art mit dem Thema
Hölle beschäftigen. Antwort:
- Der jüdische Glaube hatte trotz seines rein
monotheistischen Fundaments und monotheistischen Grundgedanken bereits in
seiner biblischen Epoche mystische Bilder, die dem Glauben an den einzigen
jüdischen Gott fremd sind. - Unter diesen mystischen
Vorstellungen lassen sich Themen wie Hölle, Teufel, Eschatologie
(Endzeitvorstellungen) subsumieren. - Diese
mystischen Gedanken haben im Laufe der jüdischen Geschichte unterschiedliche
Ausprägungen erfahren. Je nach Zeit und Person wurden sie mehr oder weniger
ausgeschmückt. Die Kabbalisten haben in ihrer Phantasie ganze Welten
geschaffen, wobei zwischen den jüdischen Mystikern und denen anderer
Religionen kaum noch Unterschiede festzustellen sind und man sich fragen
muss, wo bei ihnen der jüdische Monotheismus geblieben ist.
- Andererseits kann man feststellen, dass der jüdische
Monotheismus trotz der Gefahren aus der mystischen Ecke seinen rationalen
Charakter behalten hat und dass dieser sich immer durchsetzen konnte.
- Zur speziellen Thematik der Höllenvorstellung muss man
sagen, dass viele Phantasien vom Parsismus in das Judentum übergeströmt
sind. Sie konnten aber den jüdischen Rationalismus nicht grundsätzlich
erschüttern. Maimonides, der große Theologe und Philosoph (12. Jh), erklärt
sie für aus pädagogischen Motiven hervorgegangene Erfindungen, um die noch
unreife Menschheit zur Erfüllung der göttlichen Gebote anzuhalten.
- Auch zur Zeit Jesus, vielmehr gerade zu dieser Zeit gab es
aufgrund der ausländischen Unterdrückung, unter der die Juden als Individuen
und als Volk litten, verbreitet Neigungen, in mystische Phantasien und
Hoffnungen zu verfallen. Auch die Frühchristen, die Anhänger Jesus, hingen
diesen nach. Welchen Weg diese Entwicklung unter den vom Judentum sich
trennenden Christen und unter den Kirchenvätern nahm, ist von christlichen
Historikern zu erforschen. Mit freundlichen Grüßen
Ben Rabbi Nathan |