Seit
altersher, mindestens seit den frühen Pharaonen, beschäftigen sich die
Menschen mit Astrologie. Tatsächlich haben die Sterne scheinbar oft gute und
auch richtige Hinweise gegeben, insbesondere was die Zukunft betraf und wie
man sich in bestimmten Situationen verhalten sollte. Das war mindestens für
die oberen Schichten, die sich einen Sternengucker leisten konnten, sehr
praktisch. Und wenn es nicht genauso kam, wie die Sterne es vorhergesehen
hatten – nun, man kann sich mal auch irren.
Irgendwann in der Mitte des 13. Jh. v.d.Z. kam
ein im ägyptischen Herrscherhaus aufgewachsener Hebräer Namens Moses und
verbot seinen Anhängern generell im Namen Gottes jede Art des Wahrsagens.
Solch ein Gesetz passte wahrhaftig nicht in jene Zeit. Astrologie und
Wahrsagerei waren ein gutes Geschäft und entsprachen wunderbar den
Bedürfnissen auch der unwissenden und ungebildeten Menschen, die sie ja in
der Mehrheit waren. Moses, vermutlich gegen den Widerstand auch vieler
seiner Anhänger, musste jedoch diese Bräuche verbieten; denn erstens waren
das Bräuche der anderen, „fremden“ Völker und zweitens standen sie im
diametralen Widerspruch zum Glauben an den Gott, den Moses Verkündet hatte.
Der Glaube an den einen einzigen Gott, der immer schon da war und immer da
sein wird, war mit de menschlichen Anmaßung, das Schicksal voraussagen zu
können, unvereinbar. Solch eine Voraussage würde auch eine der fundamentalen
Grundsätze des von Moses verkündeten Glaubens aus den Angeln heben, nämlich
dass der Mensch einen freien Willen hat, dass er für sein Tun und Lassen
selbst verantwortlich ist und für diese bestraft oder auch belohnt werden
kann.
Keiner kann die Zukunft und dass Schicksal
des Menschen vorhersagen. Es ist hier nicht der Ort, über das Wissen Gottes
zu diskutieren. Es kann hier nicht auf die sophistische, oder auch
provokante Frage eingegangen werden: Ein Gott, der nicht alles weiß, ist
nicht vollkommen und kann deshalb kein Gott sein. Denn über das Wissen
Gottes können Menschen nichts wissen und, so sie gläubig sind, sollten
darüber auch nicht spekulieren.
Das ist ein Grundsatz, der dem mosaischen
Glauben zugrunde liegt.
Leider muss man gestehen, dass nicht alle
gläubigen Juden in allen Zeiten diesen Grundsatz verinnerlichten. Schlägt
man heutzutage eine israelische Zeitung auf, findet man eine Rubrik mit
astrologischen Aussagen für den aktuellen Tag. Selbst der staatliche
Rundfunk strahlt an jedem Freitagvormittag eine halbe Stunde lang die
Weisheiten einer Astrologin über den Sternenstand und darüber aus, was
dieser für folgende Woche aussagt. Das Selbstbewusstsein, in dem die
Sprecherin ihre Vorhersagen darbietet, erscheint dabei sehr überzeugend.
Man muss sich sehr darüber wundern, zumal
in einem Land, in dem das „Volk der Bibel“ lebt. Denn in der Bibel heißt es:
Ihr sollt nicht Wahrsagerei noch
Himmeldeutung treiben (3. Moses 19, 26).
Hebe auch nicht deine Augen auf gen Himmel,
dass du die Sonne sehest und den Mond und die Sterne, das ganze Heer des
Himmels, und fallest ab und betest sie an und dienest ihnen (5. Moses 4,
19).
Und der große Prophet Jesaja spottet über
die Schwäche des Volkes Juda:
Du bist müde geworden durch die Menge
deiner Beratungen. Sie sollen doch auftreten und dich retten, die
Himmelsbeschauer, die die Sterne deuten, die an jedem Neumond wissen lassen,
was über dich kommen soll (Jesaja 47, 13).
Klärende Worte zu diesem Gesamtkomplex
findet man bei Maimonides (1138-1204), dem bedeutendsten Denker des
Judentums seit Moses. In seiner Gesetzes-Sammlung des jüdischen Rechts wird
die Astrologie als Götzendienst und strafbar eingestuft. In einem Brief,
gerichtet an die jüdischen Gemeindemitglieder von Marseille, äußert er sich
ausführlich und ziemlich bestimmend zu diesem Thema. Hier einige von mir
übersetzten Ausschnitte:
"Die Astrologie - die Weisheit der
Dummen:
Ihr sollt wissen, dass die
Dummen schon Tausende Bücher verfasst haben, und einige große Menschen,
im Alter - nicht in Weisheit – ihr ganzes Leben im Studium jener Bücher
vergeudeten und sich vorstellten, dass jene Nichtigkeiten große
Weisheiten seien und in ihrem Herzen dachten, sie seien große Weise, da
sie jene Lehren kannten.
Dass die Sache, in der sich die meisten der Welt, oder alle, außer
einzelne Menschen irren, ist die Sache, die ich Euch verkünde und das
ist die große Krankheit und die böse Krankheit: Von allen Sachen, die in
Büchern geschrieben wurden, denken diese Leute am Anfang in ihrem
Herzen, dass sie die Wahrheit sind und schon allemal, wenn die Bücher
aus früher Zeit stammen.
Und wenn viele Menschen sich mit diesen Büchern befassten und über sie
verhandelten, erhebt sich sofort einer von ihnen, um zu sagen, es seien
weise Worte. Und in seinem Herzen sagt er: Würde denn die Feder der
Schreiber zum Lügen geschaffen sein und Jene diese Sachen umsonst
behandeln?
Wisset meine Herren, dass ich in diesen Sachen viel forschte, und am
Anfang meines Studiums gab es eine Weisheit die man „Gesetz des
Sternen-Urteils“ nennt, das heißt, dass von ihr der Mensch weiß, was in
der Welt oder im Land in der Zukunft sein wird, oder was einem
bestimmten Manne lebenslang passieren wird. Und ich habe auch alles
Geschriebene in Sachen Götzendienst gelesen.
Wisset meine Herren, dass all die Sachen vom Urteil der Sterne, dass sie
sagen, es wird so und so geschehen, und die Geburtsstunde des Menschen
wird bestimmen, dass er so sei und ihm dies geschehe und nicht jenes
geschehe – all diese Sachen sind gar nicht weise Worte, sondern
Dummheiten sind sie.
Und klare Beweise habe ich, um all diese Sachen nichtig zu machen.
Niemals hat sich einer der griechischen Gelehrten, die mit Sicherheit
weise sind, mit diesen Sachen beschäftigt und kein Buch dazu verfasst.
Und kein anderer hat diese Aufsätze geschrieben und diesen Irrtum
begangen, den man „Weisheit“ nannte, außer den Weisen der Babylonier und
der Chaldäer und der Ägypter und der Kanaaniter, und dies war in jenen
Zeiten ihr Glauben und ihre Religion.
Aber die griechischen Gelehrten, und das sind die Philosophen, die über
Weisheiten und allerlei Wissenschaft geschrieben haben, haben diese vier
Völker ausgelacht und verspottet und Beweise aufgestellt, um deren Worte
nichtig zu machen von der Wurzel bis zum Zweig.
Und auch die persischen Gelehrten erkannten und verstanden, dass all die
Lehren der Babylonier und Chaldäer und Ägypter und Kanaaniter Lug und
Trug sind.
Und keiner wird ihnen anhängen, es sei denn er ist ein Dummkopf, der
alles glaubt oder der andere betrügen will."
Ich muss zum Schluss noch
eingestehen, dass obwohl alle Rabbiner genau diese Meinung vertreten und dem
Urteil des Maimonides folgen, das religiöse Establishment in Israel
(vielleicht aus populistischen Gründen) nicht den Mut aufbringt, seine
Stimme gegen diesen Irrglauben und gegen die Verdummung der Menschen zu
erheben.
Bar Rav Nathan |