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Koscher leben...
 
 

Aus der Rubrik "Frag' den Rabbi":
Weltwirtschaftskrise, was sagt der Talmud dazu
Herr Dr. Miller übt seine Arbeit im Rahmen von haGalil ehrenamtlich aus. Das ist für ihn eine Selbstverständlichkeit. Trotzdem würde er es begrüßen, wenn Sie unseren Spendenaufruf berücksichtigen könnten. Nach jüdischer Lehre ist die Spende für Bedürftige oder für einen guten Zweck eine Mizva, ein religiöses Gebot, das im Himmel als gute Tat berücksichtigt wird.
Ein Kind bittet die Mutter, ihm etwas zu kaufen. Diese erwidert, sie habe kein Geld. Die spontane Antwort des Kindes lautet: Dann hol welches vom Geldautomaten! So naiv wie dieses Kind sich anhört, so müssen auch die Menschen der Industrieländer in den letzten Jahrzehnten gewesen sein, jedoch nicht nur die Privatpersonen, sondern auch die Banken, die großen Firmen und nicht zuletzt die Staaten. Sie alle glaubten, es gäbe eine unerschöpfliche Geldquelle. Bisher habe ich keine bessere Erklärung gefunden, oder aber die Analysen der Krisendeuter so wenig verstanden wie die meisten Menschen.

Der Talmud kann uns zwar nicht die Wirtschaftskrise erklären, könnte uns aber wahrscheinlich helfen, eine bessere Antwort als die des Kindes zu finden. Es gibt Regeln im Talmud, deren Befolgung auch heute noch schlimme Entwicklungen verhindern könnte. Nennen wir einige Beispiele:

Viele Menschen, die sich einen Rat beim Anlageberater holten, haben ihr Geld verloren. Hätten sie auf den Rat von Rabbi Jitzchak (3. Jhdt.) gehört, so hätten sie ihr Geld in drei Teile geteilt, ein Drittel in Immobilien und ein weiteres in den Handel investiert. Das dritte Drittel hätten sie in bar behalten, um im Falle eines günstigen Geschäfts oder unerwarteter Ausgaben liquide zu sein (B.M. 42a).

Einige talmudische Verhaltensregeln im Handel:

Der Krämer darf Nüsse und geröstete Ähren an Kinder verteilen, um sie daran zu gewöhnen, bei sich und nicht bei der Konkurrenz einzukaufen. Der Preis von Lebensmitteln darf unterboten werden, weil das den Verbrauchern zugute kommt. Man darf beim Verkauf von Obst nicht das schöne obenauf legen, um nicht den Käufer zu täuschen. Man darf weder Menschen noch Tiere noch Geräte aufputzen, wenn sie zum Verkauf angeboten werden (B.M. 60a).

Die Menschen neigen dazu, sich schnell bereichern zu wollen, insbesondere trifft das offenbar auf diejenigen zu, die bereits ein gewisses Geldpolster besitzen. Grundsätzlich nimmt es die Halacha keinem übel, denn es ist nun mal menschlich. Gerade deshalb haben die Tora und später der Talmud eine ethische Grundstruktur geschaffen, die der Gesellschaft wegweisend dienen soll.

Ein Gebot der Tora ist die Heiligung des Schabbat als Ruhetag, der im Laufe der Generationen von der gesamten Menschheit übernommen wurde. „Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun“ (2. Moses 20). Der Talmud hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass in diesem Absatz ein weiteres Gebot enthalten ist, und zwar sechs Tage zu arbeiten. Kann man das, was die Banker, Börsianer und Finanzberater tun, wohl als Arbeit in diesem Sinne verstehen?

Es ist schwierig oder fast unmöglich, von den früheren Regeln oder Lebensbedingungen unvermittelt auf heutige Tage zu schließen. Die Strukturen und die Institutionen haben sich im Laufe der Geschichte stets geändert und angepasst. Der Handelsreisende war z.B in biblischer Zeit verpönt oder unbekannt. Erst Esra, so berichtet der Talmud, habe vor zweitausendfünfhundert Jahren diese Institution eingerichtet, „damit die Töchter Israels sich Schmuck kaufen konnten“ (B.M. 43a).

Die Wertvorstellungen, die zwischenmenschlichen Beziehungen betreffend, haben sich jedoch im Grunde nur wenig geändert. Geldhandel gab es zwar nicht in der biblischen Zeit, weshalb auch die Verleihung von Geld gegen Zinseinnahmen von der Tora verboten wurde. Im Talmud wurde dann diese Regel durch den Zwang der Verhältnisse aufgehoben. Ebenso waren Wertpapiere unbekannt. Auch hier hat man eine Lösung gefunden. Der Investor schließt mit der Bank oder einer ähnlichen Einrichtung einen Vertrag, in dem beide Parteien sich gemeinsam an Geschäften beteiligen und der Gewinn dann zwischen ihnen aufgeteilt wird.

Marktregulierung und Aufsicht:

Einen freien Markt gab es weder in der Talmudzeit noch gibt es ihn heutzutage. Wäre das der Fall, gäbe es z.B. einen offenen Drogenhandel. Interessenten auf beiden Seiten gibt es ja zur Genüge! Im Talmud herrscht Einigkeit unter den Gelehrten, dass man Aufseher über die Maße (Gewichte) anstellen soll. Über die Preisgestaltung ist man insofern einig, dass Aufseher anzustellen sind, damit es im Handel zu keiner Preistreiberei kommt (B.B. 89a). So urteilt auch Maimonides, und ihm folgt der Schulchan Aruch, dass bei wichtigen Waren die Preise vom Gericht bestimmt werden. Im 18. Jhd. urteilte der Chatam Sofer, das selbst da, wo die Konkurrenz im Handel erlaubt ist, „die Menschen sich nicht wie Fische verhalten dürfen, wo jeder einen anderen schluckt“.

In den ersten Jahrhunderten vor und nach der Zeitrechnung gab es in verschiedenen Kulturen philosophische Bewegungen, wie z.B. die Schule der Stoa in Griechenland und Rom, oder Weisheitsbücher - wie bei den Juden Kohelet, Sprüche der Väter u.a. - die Anweisungen zu vernünftigen und sozialen Verhaltensweisen enthielten. Das Besondere der jüdischen Weisheitsbücher besteht darin, dass sie in den biblischen Kanon aufgenommen wurden und somit eine göttliche Autorität und das Gewicht von Gesetzen erlangten.

In der Halacha könnte jede Generation Antworten auf die sie quälenden Fragen finden, denn die Neigungen der Menschen haben sich seit seiner Erschaffung im Grunde kaum geändert, was sich auch im Wirtschaftsleben auswirkt.

Mit freundlichen Grüßen
Bar Rav Nathan

[Eingangsseite zur Rubrik "Frag' den Rabbi"...]
haGalil onLine 14-12-2011

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