Sehr
geehrte Damen und Herren, es geht
zunächst um eine prinzipielle Frage:
- Kann ein Minderjähriger seinen Willen zum Übertritt in die jüdische
Gemeinschaft erklären und wird dieser Wille akzeptiert?
- ferner handelt es sich um einen konkreten
Fall einer Minderjährigen, bei der Zweifel an ihrem Übertritt aufgekommen
sind. Antwort:
- Laut der Halacha, dem jüdischen
Religionsrecht, ist der Übertritt Minderjähriger möglich. Zum Übertritt ist
jedoch eine Willensbekundung erforderlich. Das Religionsgericht, Bet-Din,
wird von sich aus keinen Übertritt vornehmen. Es muss jeweils der Wille
dahinterstehen, die jüdischen Religionsgesetze zu akzeptieren und sich
danach zu richten. - Bei
Minderjährigen, Mädchen unter zwölf und Jungen unter dreizehn Jahren, ist
eine Willenserklärung problematisch, da sie nicht erwachsen sind und keine
Rechtsgeschäfte eingehen können. In solch einem Fall können die Eltern bzw.
ein Elternteil eine Verpflichtung für das minderjährige Kind übernehmen.
Dieser Fall würde zum Beispiel dann eintreten, wenn jüdische Erwachsene ein
nichtjüdisches Kind adoptiert haben. Die Eltern geben eine Erklärung im
Namen des Kindes ab, wobei das Kind, sobald es erwachsen ist (das Alter von
zwölf bzw. dreizehn Jahren erreicht hat), sich selbst zum Judentum bekennt.
Die Weisen haben es diesem Heranwachsenden leicht gemacht und festgelegt,
wenn die betreffende Person auch nur ein einziges Gebot (Mitzwa) erfüllt
hat, ist sie damit endgültig jüdisch geworden. Sollte die betreffende Person
mit dem Erreichen des Erwachsenenstatus ihren Widerspruch gegen den
Übertritt erklären, ist der Übertritt nichtig.
- Im konkreten Fall handelt es sich um eine
Frau, deren Eltern zum Judentum übergetreten sind. Sie selbst wurde ein Jahr
vor dem Übertritt ihrer Mutter geboren. Wäre sie nach dem Übertritt der
Mutter geboren worden, wäre sie ohne jeden Zweifel Jüdin. Nun hat die Frau
Zweifel bezüglich ihrer jüdischen Identität.
- Sollten zu dieser Frage, also zur Frage des
Übertritts des einjährigen Mädchens keine Dokumente oder Zeugenaussagen
vorhanden sein, muss man die Frage nach logischer Analyse beantworten.
- Die Mutter wurde von einem orthodoxen
Bet-Din konvertiert. Die Rabbiner dieses Bet-Din sind bekanntlich streng und
nehmen keine Konvertierung vor, wenn sie nicht überzeugt sind, dass die
Mutter ihre Lebensführung nach jüdischem Ritus halten will.
- Eine der wichtigsten Aufgaben der
jüdischen Familie im Sinne der jüdischen Orthodoxie ist die Erziehung der
Kinder in der jüdischen Tradition und als treue Anhänger der Religion. Den
Eltern wird bei jedem fröhlichen Anlass (Geburt etc.) gewünscht, das Kind
"zur Heirat, zur Einhaltung der Gebote und zu guten Taten" aufwachsen zu
sehen (chuppa, mitzwot uma‘assim towim).
- Die Rabbiner hätten die Mutter niemals
konvertiert, wenn sie den Verdacht gehabt hätten, sie wolle ihre Tochter
nicht als Jüdin aufziehen. Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass die
Rabbiner von der Existenz des Kindes gewusst haben und es mit der Mutter
auch gleich konvertierten. Jede andere Vorgehensweise ist für mich nicht
denkbar. Mit freundlichen Grüßen
Bar Rav Nathan |