Unter Stalins Anfangszeit kam es am
28.3.1928 zur Gründung des Jüdischen Nationalen Rayons und am 7.5.1934 auf
Beschluß des Zentralexekutivkomitees zur Umwandlung in das Jüdische
Autonome Gebiet. BIROBIDSCHAN ist ein Territorium von 36.000 qkm mit
(heute) einer Einwohnerzahl von 200.000 im Süden des Sowjetischen
Fern-Ost, am rechten Rande von Chabarowsk.
|
|
Hölzerne
Synagoge in Birobidschan |
Alter Jude in
Birobidschan |
|
In
einer jüdischen Grundschule von Birobidschan |
Obwohl heute nur noch etwa 3.000 gläubige Juden sich
unter den übrigen Bewohner dieses Gebiets befinden, kann keineswegs nur
von einer Diskriminierung seitens der ehemaligen Sowjetmacht sprechen.
Über alle Jahre hinweg, selbst unter Stalins Terrorwellen, konnten sie
mehr oder weniger unbehelligt leben, mit eigenständiger sozialer und
kultureller Struktur. Dies hatte sich neben kleineren literarischen
Ereignissen sehr wohl auch im musikalischen und theatralischen Bereichen
(Kammermusiktheater und Jiddisches Theater) bis heute erhalten. In Schulen
wird neben (natürlich) Russisch auch in Jiddisch unterrichtet. Ferner
existierte seit 1930 die Gebietszeitung 'Birobidshaner Shtern'
täglich, außer Samstag und Sonntag, früher je in russischer und jiddischer
Sprache. Seit einigen Jahren aber erscheint sie nur noch zweisprachig.
Die Menschen in Birobidschan lebten vorwiegend von
der Landwirtschaft und industriellen Betrieben (z.B. Schuh-,
Strumpf-Fabrik, Landmaschinenbau 'Daselmasch').
Um Birobidschan und um deren Geschichte ranken sich
viele Gerüchte und ebensoviele Ansichten. Zum einen hieß es, daß es sich
bei der Bevölkerung vorwiegend um 'linientreue' jüdische 'Kommunisten',
handelte - und wenn hierzu kein Zusammenhang gefunden werden konnte, so
behauptete man einfach, daß es sich um 'zwangsumgesiedelte' bzw. dort hin
'deportierte' Juden handelte. Kollektiv kann man das jedenfalls nicht so
sehen.
Und doch stimmt es, zumindestens bei etlichen
tragischen Fällen, daß sehrwohl jüdische Familien kurzer Hand nach
Birobidschan 'verschickt' wurden. Andere kamen wiederum freiwillig, sogar
aus Übersee. Davon zeugen unverfälscht Literatur, Bilder und noch lebende
Zeitzeugen.
''Doß Lied fun
Birobidschan'' Jogn
sich zwaj Tajchn,
Biro un Bidschan.
Zwischn di zwaj Tajchn
a fejlech Land faran.
Holz basorgn Welder,
Tajchn gebn Fisch,
Felder Broit derlangen
zu dem najen Tisch.
Zwischn
gedichte Welder
jogt mit Frajd a Bohn,
naje Jidn kumen
noch Birobidschan.
Un oif frische Felder
Stroi oif najen Doch,
ß`hobn asoi Jidn
kejnmol nischt gelocht!
Hern sich zu
di Bajmer,
hert si zu di Erd,
oj, asa Gelechter,
kejnmol nischt gehert!
Sol gesunt oif Erdn sajn
jeder najer Schpon,
ß`singen di naje Arbeter
ot in Birobidschan. |
Jüdischer Landwirt in den 30er Jahren |
Tatsache ist jedenfalls: die Juden Russlands
(inklusive der nachfolgenden Sowjetunion) hatten im Verlauf der Geschichte
- abgesehen vom mörderischen Holocaust, der alle Juden und rassistisch
Verfolgte betraf - wesentlich mehr zu erdulden, als ihre Glaubensbrüder
der anderen Diaspora-Länder Und doch hatten sie - oftmals unter schwerem
Druck - viel geschaffen und überaus wertvolle Beiträge zur russischen
Kultur, Literatur und Wissenschaft geleistet. Den wahren Verlust, gerade
durch die Abwanderung der Juden, was vorallem durch die heutigen
Nationalisten und Faschisten bedingt ist, hat man bereits in der GUS
festgestellt. Er ist unwiederbringlich, nämlich ebenso, wie man dies in
Europa nach dem Hitler-Krieg einsehen mußte.