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Die Geschichte der Juden in Deutschland
SPEYER
liegt am Rhein, rund
110 km südlich von Frankfurt, zwischen der A 61 und der Bundesstrasse 9. |
Romanische Fenster
schauen hinunter
auf das Badebecken des rituellen Bades
von Speyer.
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- Rituelles Bad aus dem 12. Jahrhundert
- Kleine Judaika-Ausstellung im
Historischen Museum der Pfalz
- Friedhof aus dem späten 19.
Jahrhundert
Dokumentiert ist die Ansiedlung von Juden
in Speyer bereits im frühen 11.Jahrhundert. Im Jahre 1084 lud Bischof Rüdiger
dann eine große Anzahl Juden, die vor Verfolgungen im Mainz geflohen waren, ein,
sich in Speyer anzusiedeln. Der Bischof garantierte den Juden verschiedene
Rechte und Privilegien mit der Begründung, dass ihre Anwesenheit "die Ehre der
Stadt tausendfach vergrössern" würde. Sie durften uneingeschränkt Handel
treiben, mussten keine Maut oder Zölle beim Betreten oder Verlassen der Stadt
zahlen, durften im rituellen Sinne unreines Fleisch an Christen verkaufen und
Nicht-Juden als Dienstboten haben. Auch die jüdische Rechtsprechung erfolgte
durch einen Archisynagogos, einen Ältesten der Juden, statt durch einen
christlichen Richter. Diese Rechte wurden 1090 von Kaiser Heinrich dem Vierten
noch erweitert.
Die
Kreuzritter ermordeten 1096 zwar einige Gemeindemitglieder, aber
Massenmorde, wie sie in anderen Städten des Rheinlands stattfanden, konnten
durch den wirksamen Schutz des Bischofs für seine Juden verhindert werden.
Obwohl die nächsten hundert Jahre schwierig waren, wuchs die Gemeinde, wurde ein
wichtiges Zentrum für das Studium der Torah und brachte große Gelehrte hervor.
Die Gemeinden von Speyer, Mainz und Worms
bildeten gemeinsam einen Bund namens "Schum",
nach den hebräischen Anfangsbuchstaben von Speyer, Worms und Mainz, der von den
Juden in ganz Deutschland als Autorität in rechtlichen und religiösen Fragen
anerkannt wurde. Die Verfolgungen 1349, zur Zeit der schwarzen Pest, machten all
dem ein Ende.
Zwar siedelten sich einige Jahre später
wieder Juden in Speyer an, aber die Gemeinde erreichte nie mehr den Status, den
sie vor ihrer Zerstörung im Jahre 1349 hatte. Während des 14. und 15.
Jahrhunderts wurden die Juden immer wieder vertrieben und in den Perioden
dazwischen mussten sie mit vielen Verboten und Einschränkungen leben. Die
Gemeinde wurde immer kleiner, und erst im 19. Jahrhundert begann die Gemeinde
wieder zu wachsen. Bereits in den frühen Dreissigeriahren begannen Juden aus
Speyer wegen des ständig wachsenden Antisemitismus in größere Städte abzuwandern
oder zu emigrieren. 1939 lebten nur mehr 77 Juden in Speyer, fast alle wurden
von den Nazis umgebracht. Bis vor wenigen Jahren gab es in Speyer keine jüdische
Gemeinde mehr, aber im Oktober 1996
fand erstmals wieder eine Gemeindeversammlung statt, in der 10 osteuropäische
Juden entschieden, eine neue jüdische Gemeinde in
Speyer zu gründen. Sie wählten einen Vorsitzenden und einen Vorstand.
Der erste Vorsitzende der neuen Gemeinde, Herr Schmuel Tepman kam aus Estland
nach Speyer. Die anderen Vorstandsmitglieder wie der Stellvertreter Herr
Koscheew und Beisitzerin Frau Kireewa-Ferdman kamen aus Moskau.
Von Beginn an wurden in der neuen
Gemeinde religiöse
Feiertage
wie z.B. Rosch-Haschana, Jom-Kippur, Sukkot und Pessach gefeiert. Mit dieser
Neugründung versucht die Gemeinde den heute in Speyer lebenden osteuropäischen
Juden ihre Religion, ihre Kultur und ihre Tradition zurück zu geben. "Tschuwa"
oder "Rückkehr" ist das Leitmotiv der alt-neuen Gemeinde.
Seit Juli 1999 unterrichtet Herr Rabbiner
Gurewitsch regelmäßig in der Gemeinde. Der Unterricht verläuft in zwei
Abschnitten: Religionsunterricht und Hebräisch für Kinder und
Religionsunterricht für Erwachsene. Die Gemeinde hofft, dass sie in der nächsten
Zeit einen provisorischen Raum erhält, wo die Gemeindemitglieder den Schabbat
feiern können.
Die erste Synagoge in Speyer wurde 1096
erbaut, von den Kreuzrittern zerstört, wieder aufgebaut, nach einer Zeit wieder
zerstört und das so lange, bis im 17.Jahrhundert die Synagoge und die 1354
angebaute Frauensynagoge aufgegeben wurde. 1899 wurde der größte Teil der Ruine
abgerissen. Nur die Ostmauer und zwei romanische Fenster sind von dieser alten
Synagoge übrig geblieben. An den verwitterten Steinen kann man mit einiger Mühe
noch die Konturen der Torah-Nische erkennen.
Der Eingang zum
romanischen rituellen Bad aus dem 12. Jahrhundert befindet sich unter einem
kleinen modernen Ein gangsraum in einem Garten östlich der Mauer der
Synagoge. Eine Gedenktafel für die Opfer der Naziherrschaft ist an der Mauer
gegenüber dem Eingang zum Bad angebracht. Zum Eingang, ehemals auf
Straßenniveau, heute unterirdisch, kommt man über eine neu errichtete
Stiege. Aber wenn man erst im rituellen Bad ist, glaubt man sich wieder im
Mittel alter. Erst kommt der Warteraum mit sei nen vom jahrhundertelangen
Gebrauch blankpolierten Steinbänken, etwas tiefer ein kleiner Balkon mit
runden Bogenfenstern, von dem aus man das Bad sehen kann, das noch weiter
unten in zehn Meter Tiefe liegt.
Das Bad liegt in der Judengasse,
einer Seitengasse der Maximilianstrasse, einige Häuserblocks vom
romanischen Dom entfernt. Es wird angenommen, dass die Baumeister und
Steinmetze des Doms auch das rituelle Bad erbauten. Wenn man die
Maximilianstrasse in Richtung Dom geht, sieht man rechts eine kleine
Hinweistafel "Judenbad". Das Bad ist von April bis Oktober in der Zeit von
10 bis 12 und von 14 bis 1 7 Uhr zu besichtigen. Während der Wintermonate
ist der Schlüssel im Verkehrsamt in der Maximi lianstrasse 11 erhältlich,
Voranmeldung ist zu empfehlen. Das Historische Mu seum wird nach seiner
Wiedereröffnung Führungen zu diesen jüdischen Altertü mern veranstalten.
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Das uralte
rituelle
Bad von Speyer
hat alle Stür me
der Zeiten über-
standen.
Das lebende Wasser
fliesst heute noch durch das Bade-
becken.
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Das Historische Museum der Pfalz will jüdische Grabsteine vom 12. bis zum
15. Jahrhundert, zwei romanische Fenster der Synagoge aus dem frühen
12.Jahrhundert, das rituelle Bad aus dem 12.Jahrhundert im Modell, einen
Torahschrein aus dem 18. Jahrhundert aus der Synagoge von Alsenz und 40 andere
religiöse Objekte auszustellen. Führungen durch die Ausstellung, zu den Resten
der Synagoge und, wie schon erwähnt, zum rituellen Bad werden angeboten. Das
Museum liegt in der Grossen Pfaffengasse 7. Öffnungszeiten täglich von 9-19 Uhr.
Im späten 19. Jahrhundert wurde als Teil des Städtischen Friedhofes an der
Auestrasse und Wormser Landstrasse auch ein jüdischer Friedhof angelegt. Der Weg
links nach dem Eingang führt zum jüdischen Friedhof. Ein anderer Friedhof aus
dem frühen 19. Jahrhundert wurde 1940 zerstört. Eine Gedenktafel für die 1938
zerstörte Synagoge befindet sich in der Heydenreich-Strasse an der Rückseite
eines Warenhauses. Seit Oktober 1999
hat die Gemeinde einen eigenen neuen jüdischen Friedhof. Nach Ansicht der
derzeitigen Vorstands gehört der Friedhof zu den wichtigsten Teilen des
Rituallebens der Gemeinde.
Andere
Sehenswürdigkeiten in Speyer sind der romanische Kaiserdom mit den
Gräbern von vier Römischen Kaisern und vier Deutschen Königen und das bereits
erwähnte Historische Museum der Pfalz.
Jüdische Gemeinde Speyer
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