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Die Geschichte der Juden in Deutschland
[SPEYER]
Aus der
RHEINPFALZ vom 24.11.2000
Autor: Helmut-Weiß
Die Jüdischen Gemeinde Speyer e.V.
Unterwegs zum "Projekt Speyer"
„Unsere Tradition sagt: Dort, wo Juden sind,
gibt es eine Gemeinde“, erklärt Juliane
Korovai Geschäftsführerin der „Jüdischen
Gemeinde Speyer e.V.“ Deren Weg vom „e.V.“
zur eigenständigen, selbstbestimmten
jüdisch-religiösen Gemeinschaft, dauert
bereits über vier Jahre. Dank der Voraussicht
und der Fürsprache des verstorbenen Ignatz
Bubis dürfte er in Kürze beendet sein.
Dann
besteht die Chance auf eine Realisierung des
„Speyerer Projekts“ - auf eigene
Gemeinderäume in der Domstadt. Am 4. Februar
1999 hatte der Förderer der Speyerer Juden,
der damalige Präsident des Zentralrats der
Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, Speyer
besucht, sich mit Oberbürgermeister Werner
Schineller getroffen und mit ihm weitgehende
Einigung erzielt.
Die
Stadt hatte gerade in der Kleinen
Pfaffengasse ein Grundstück erworben, das
künftig für das gesamte Judentum eine
Schlüsselrolle spielen soll. Dort sollen
unter anderem auch das „Speyerer Projekt“
verwirklicht werden, in dem Bubis die
Sicherung der Zukunft der Jüdischen Gemeinde
sah und das er zur „Chefsache“ erhoben hatte.
Bei seinem letzten Besuch erläuterte er der
Zeitung RHEINPFALZ, was er sich darunter
vorstellte: ein eigener Gebetsraum, eigene
Sozial- und Verwaltungsräume. Denn, so hatte
Bubis zu bedenken gegeben, es müssten nicht
nur die Mitglieder sondern auch deren
Famileinangehörige betreut werden.
Bubis
damals: „Das Speyerer Projekt ist eine
Investition für die Zukunft und wichtiger als
jedes Mahnmal. Ein Mahnmal kann man zur Not
mit einer Plakette kenntlich machen, aber die
Zukunft kann man nicht auf Plakette bannen.“
1,4 Millionen würde das Vorhaben kosten,
Stadt, Jüdische Gemeinde und Bubis hofften
gemeinsam auch auf die Unterstützung des
Landes. „Ignatz Bubis hat uns von Anfang an
mit offenen Armen empfangen“, erinnert sich
Juliane Korovai. „Ich verstehe Euren Willen,
ich werde Euch in allen Bereichen
unterstützen“, habe er gesagt. In Mainz, beim
„Landesverband der Jüdischen Gemeinden von
Rheinland-Pfalz“ sei er gewesen, habe dort
gemahnt: „Lassen Sie diese Gemeinde nicht
unbeachtet, das ist unsere Zukunft!“ Er habe
auch einen Kontakt zu Professor Alfred
Jacoby, dem Frankfurter Architekten und
Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde
Offenbach, begrüßt und gefördert. „Der hat
das ‚Speyerer Projekt’ geplant und wird die
Bauleitung übernehmen, wenn es realisiert
wird“, so Juliane Korovai. Alles das wurde
damals geregelt.
Auch
Oberbürgermeister Schineller habe erklärt,
dass ihm eine Jüdische Gemeinde in Speyer
jederzeit willkommen sei. Er habe aber auch
gesagt, dass die finanziellen Voraussetzungen
erfüllt sein müssten, ehe die Stadt zustimmt.
„Das Finanzielle zu regeln war eines der
letzten großen Anliegen von Ignatz Bubis“,
weiß Juliane Korovai. „Mit seinem Tod am 13.
August 1999 hatten die Speyerer Juden zwar
ihren großen Fürsprecher verloren, aber wir
verdanken es seiner Weitsicht, dass wir seit
der Vereinsgründung im Oktober 1996 einige
große Schritte weitergekommen sind”, freut
sie sich.
Damals
hatte ihr Großvater, Schmul Ben Nahum Tepman,
mit zehn Mitgliedern Speyers neue Jüdische
Gemeinde gegründet, zunächst als
eingetragenen Verein. Der bemüht sich seither
um den Status einer „Körperschaft des
Öffentlichen Rechts“, der ihn zur
eigenständige religiöse Gemeinde werden
ließe. Als solchen hätten ihn die
rheinland-pfälzischen Behörden sofort
anerkannt, vorausgesetzt, der Landesverband
in Mainz, hätte ihn als Mitglied aufgenommen.
„Dagegen hat sich aber die ‚Jüdische
Kultusgemeinde der Rheinpfalz‘ mit Sitz in
Neustadt vehement gewehrt“, erklärt Juliane
Korovai. Die Neustädter seien die zuständige
regionale Unterorganisation des
Landesverbands aber nicht, wie es von einem
regionalen Verband eigentlich zu erwarten
sei, als gemeinsames Dach, unter dem sich die
verschiedenen Gemeinden selbstständig
organisieren könnten.
„Die
beziehen sich auf ein Gesetz von 1952 und tun
so, als ob sich die Situation seither nicht
geändert hat. Sie betrachten die Pfalz heute
noch insgesamt als eine Gemeinde und erheben
den Anspruch, hier alle Juden zentral zu
vertreten“, verdeutlicht sie und fährt fort:
„Sie haben uns angeboten, dort Mitglied zu
werden, aber nicht als selbstständige
Gemeinde, sondern als Einzelpersonen ohne
Mitspracherecht. Alle Entscheidungen wären
dann in Neustadt gefallen. Die Verwirklichung
des Bubis-Projekts Speyer - eigene
Gemeinderäume - sei ihnen nicht angeboten
worden. „Zum Gottesdienst sollen wir jedesmal
80 Kilometer nach Kaiserslautern fahren. Wir
wären gern beigetreten, aber diese
Bedingungen waren für uns unannehmbar.“
Öffentliche Hilfe kann eine jüdische
Gemeinde auch unabhängig von der
Mitgliedschaft in einem Dachverband erhalten.
Das regelt der Vertrag vom 8. März 2000
zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und dem
Landesverband in Mainz. Mit einer halbe
Million jährlich beteiligt sich das Land an
den laufenden Ausgaben der jüdischen
Gemeinden für religiöse und kulturelle
Bedürfnisse. „Von denen sehen wir bei uns in
Speyer noch keinen Pfennig. Wir sind aber
zuversichtlich, den Status ‚öffentliche
Körperschaft’ in kurzer Zeit zu erhalten“,
versichert die Geschäftsführerin. Die
Speyerer Jüdische Gemeinde hatte im Sommer
einen Antrag auf Anerkennung beim Mainzer
Kultusministerium gestellt. Der sei vor
Kurzem abschlägig beschieden worden, so
Juliane Korovai.
Einzige
Begründung: Die Gemeinde müsse mindestens 30
Jahre existieren. Auch daran hatte Ignatz
Bubis noch gedacht: Am 20. August 1998
leitete er höchstpersönlich eine
Mitgliederversammlung in Speyer, in der der
Paragraph 1 der Gemeindesatzung geändert
wurde. Juliane Korovai: „Wir sind damit die
direkten Nachfolger der Israelitischen
Gemeinde Speyers geworden, die von den Nazis
fast ausgerottet wurde.“ Diese
Satzungsänderung sei damals gerichtlich
eingetragen und auch vom Zentralrat der Juden
Deutschlands bestätigt worden.
„Unterschrieben vom Präsidenten Ignatz Bubis.
Damit sind wir jetzt über hundert Jahre alt.“
Das sei der Mainzer Behörde nicht bekannt
gewesen und werde ihr dieser Tage mitgeteilt.
„Unserer Anerkennung wird dann nichts mehr im
Weg stehen“, hofft Juliane Korovai. Es wäre
dies ein entscheidender Schritt zur
Verwirklichung des Projekts Speyer und
vielleicht später auch zur Erfüllung eines
Traums: „wieder eine Synagoge in der Domstadt
? Eine ganz kleine, gerade mal hundert
Quadratmeter“, wünscht sich nicht nur Juliane
Korovai.
jgs-online.de
Jüdische Gemeinde Speyer
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