Sudetendeutsche Träume erfüllen sich:
Heil Henlein!
13)
Chaim
Frank über Täter und Opfer, Schuld und Verantwortung
im III. Reich
Bereits nach der Bildung der Republik wurde es immer
deutlicher, daß auf die Tschechoslowakei ein Problem zukam, das zunehmend
mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus in Deutschland und Österreich in
Verbindung stand und zu einer Belastung wurde: Das
Nationalitätenproblem.
Schon in den Anfängen der Republik saßen im benachbarten
österreichischen Wien - und nicht nur dort" einige Reichsrats-Abgeordnete,
die für sich"Provinzen?, wie Deutsch-Südmähren,
Sudetenland, Böhmerwaldgau
und Deutschböhmen 14) ausriefen und in diesem
Zusammenhang einen Anschluß dieser"Provinzen? an die Republik
Deutsch-Österreich proklamierten. Diese Anschlußbewegung
scheiterte jedenfalls am Widerstand der tschechoslowakischen Regierung und
letztlich auch an dem der Siegerstaaten.
Nachdem die von den Deutschen und Deutsch-Österreichern
besiedelten Gebieten auch unter die Souveränität des tschechoslowakischen
Staates gestellt wurden, zogen es einige Putschisten vor, nach Deutschland
zu fliehen.
Dort beschäftigten sie sich mit der Gründung einer
Dachorganisation, genannt Hilfsverein für Deutschböhmen und Sudetenland,
mit der sie weiterhin gegen den tschechoslowakischen Staat agierten. Später
wurden sie übrigens von anderen Organisationen wie dem
Alldeutschen Verband, dem Verein für das Deutschtum im Ausland
und dem Deutschen Auslandinstitut 15)
mit Sitz in Stuttgart finanziert.
Hinzu kamen zu Beginn 1919 außerdem noch Grenzkonflikte mit
Ungarn, das die Slowakei für sich beanspruchen wollte, und Polen, welches
das Gebiet um Tessin für sich haben wollte. Trotz allem aber waren die
teilweise scharf in Opposition stehenden deutschen Parteien der CSR, Bund
der Landwirte, christlich-soziale Volkspartei, Deutsche Nationalpartei,
Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei 16), Deutsche
Sozialdemokratische Arbeiterpartei und andere Gruppierungen, die sich
jahrelang weigerten, mit den tschechischen und slowakischen Parteien
zusammenzuarbeiten, eine der schwierigen Belastungen und Prüfungen für die
tschechische Republik.
Besonders die Deutsche Nationalpartei (DNP) und die Deutsche
Nationalsozialistische Arbeiterpartei (DNSAP), beides sudetische
pro-faschistische Bewegungen, die vor allem eines gemeinsam hatten,
teutsch-nationalistisches, antisemitisches und natürlich
anti-tschechoslowakisches Gesinnungsgut. Sie standen zumeist in der
Tradition des ur-bekannten Österreichers Georg Ritter von Schönerer.
17)
Insofern war also die spätere NSDAP keine Erfindung des arischen
Deutsch-Österreichers A. Hitler, sondern des Schönerer-Freundeskreis jener
Sudeten, deren Hauptziel es war, ihre privilegierte Position aus der? guten
alten k&k-Zeit? Österreich-Ungarns zurückzuerlangen, und zwar mit allen
Mitteln.
Neben diesen Deutsch-Nationalen hat sich im östlichen Teil der
Tschechoslowakei eine andere nationale Bewegung gebildet, die Hlinkova
slovenska l?udova strana (Hlinka?s Slowakische Volkspartei). Sie wurde vom
politischen Katholizismus gefördert und stellte sich gleichfalls mit einer
separaten Autonomieforderung gegen die"SR.
Auch die junge Tschechoslowakei konnte nicht freigehalten werden
von diesem post-monarchistischen Erscheinungsbild, dem militanten
Faschismus. Mitte der zwanziger Jahre bildete sich ein
Ustredni vybor"eskoslovenskych fa?istu
(Zentralausschuß tschechoslowakischer Faschisten), der sich um 1926 mit
anderen faschistoiden Gruppierungen zur Národni obec fa?istick, also
faschistischen Volksgemeinde vereinigte, an deren Spitze R. Gajda und J.
Stribrny standen. Neben dieser erstarkte sich die Partei des Slowakenführers
Andreas Hlinka zusehends.
In Prag und in den tschechischen"Randgebieten? blieben allerdings
die Sudeten als Negativisten gleichfalls nicht untätig, zumal sie
vorzügliche Unterstützung und Rückendeckung aus dem Reich, der Weimarer
Republik, erhielten. Neben den Hakenkreuzlern, das waren zunächst die
bereits bekannte DNP und die DNSAP, gesellten sich noch weitere, der
faschistischen und deutsch-nationalistischen Ideologie nahestehende
Vereinigungen hinzu, wie z.B. der Kameradschaftsbund
18) im Sinne eines Dr. Othmar Spann 19)
und der Deutsche Turnverein, dessen"Turnvater? ein gewisser Konrad
Henlein aus Asch war, der sich später als Heim-ins-Reich-Führer
der Sudeten profilieren sollte.
In den dreißiger Jahren waren längst schon die"Geburtswehen? des
europäischen Faschismus und des deutschen Nationalsozialismus überstanden,
wobei man sich damit gleichzeitig auch der Toleranz und Liberalität
gegenüber politisch Andersdenkender oder religiöser Minderheiten entledigte.
Der Stein war geworfen, und es schien nicht nur, sondern es war
auch so, daß die Woge des Hasses und der Gewalt nun überall zu überschwappen
begann.
Wie sich die sudetische Nazibewegung darauf einstellte, geht aus
den Worten Mr. Alderman?s beim Nürnberger Prozeß am 3.12.1945 hervor:
"Im Jahre 1932 übernahmen die Rädelsführer des
Sudetendeutschen Volkssports, einer Organisation, die der Nazi-SA oder
Sturm-Abteilung entsprach, offen die 21 Punkte des Hitlerprogramms,
deren erster den Zusammenschluß aller Deutschen in einem Großdeutschland
verlangt. Kurze Zeit darauf wurden sie beschuldigt, einen bewaffneten
Aufstand zugunsten einer auswärtigen Macht angezettelt zu haben, und
wurden wegen Verschwörung gegen die Tschechoslowakische Republik
verurteilt. Gegen Ende 1933 kam die
Nationalsozialistische Partei in der Tschechoslowakei durch ihre
freiwillige Auflösung einem Auflösungsbefehl zuvor, und einige Führer
flüchteten über die Grenze nach Deutschland. In dem darauffolgenden
Jahre wurde die Nazibetätigung in der Tschechoslowakei illegal
fortgesetzt."
Die Henlein-Sudeten terrorisierten die tschechische Bevölkerung
ebenso wie ihre politischen Gegner, und in manchen Fällen wurden Feinde der
Nazis, wie z.B. Theodor Lessing (1933) und Ing.Formis (1935), die aus
Deutschland geflohen waren, ermordet.
Neben den Sudeten schlossen sich 1934 in der"SR auch andere
faschistoide Gesinnungslumpen mit ihresgleichen zur"Narodni fronta?
(Nationalen Front) zusammen. Außerdem bildete sich unter der Führung von K.
Kramar die Nationaldemokratische Partei"SR mit der Grupa Stribrny´s zur
Narodni sjednoceni (Nationalen Vereinigung), die nicht minder faschistische
Tendenzen aufwies. In der Slowakei propagierte der Autonomicky Blok
(Autonomer Block), eine 1932 entstandene Gruppierung um die Hlinka-Partei,
die"ungelösten Beziehungen? zwischen dem tschechischen und slowakischen Volk
für separatistische Bemühungen.
Mit diesen faschistischen Bewegungen standen Schulter an
Schulter, natürlich mit der Rückendeckung vom"Deutschen Reich?, demagogisch
die am 1. Oktober 1933 von Henlein gegründete Sudetendeutsche Heimatfront,
die neue irredentistische Nazipartei, die sich ab 1935 in Sudetendeutsche
Partei (SDP) umbenannte. 20)
Es liegt auf der Hand, daß Henlein seine Wählerschaft mit ihrem
Freundeskreis - der bald die ganze Sudetenschaft ergriff -, in hysterischen
Freudentaumel und Enthusiasmus ausbrechen ließ, als Hitler 1933 in
Deutschland die Macht ergriff. War doch Hitler selbst einer von ihnen, oder
zumindest ein in Braunau am Inn geborener Deutsch-OberÖsterreicher.
Mit der Machtergreifung Hitlers im Jahre 1933 wurde der
deutsche Nationalsozialismus, der seinesgleichen zunächst in Italien,
Spanien, Österreich, und später in Ungarn, in Rumänien, im Vichy-Frankreich,
ja selbst in der Schweiz freundschaftlich kollabierende Parallelen fand, auf
der politischen Ebene hoffähig. Gleichzeitig aber entstand mit dem Aufkommen
des Nationalsozialismus und des Faschismus auch die Gefahr von Aggressionen
gegenüber anderen ost- und westeuropäischen Ländern, bei der sich vor allem,
aufgrund der Eroberung neuen Lebensraumes des Hitler-Deutschlands, die
Tschechoslowakei bedroht fühlte. Aus dieser Situation heraus war der am 16.
Mai 1935 mit der Sowjetunion unterzeichnete Bündnisvertrag nicht nur von
internationaler Bedeutung, sondern wurde - wie es R. Dau und F. Svatosch in
einer Dokumentation bemerkten -? für die Tschechoslowakische Republik zu
einer Lebens- und Existenzfrage.
Schon die Parlamentswahlen im Mai gleichen Jahres waren
gekennzeichnet durch offene Auseinandersetzungen zwischen den Agitatoren des
Faschismus, den sudetischen Nationalsozialisten und den tschechischen
Demokraten sowie den Kommunisten. In der Slowakei siegte der Autonomistische
Block und der Block der ungarischen nationalistischen Parteien. Im
Sudetengebiet gewann natürlich die Henlein-Partei an Zuwachs und wurde mit
1.250.000 Stimmen die stärkste Partei des Landes.
21)
Gleichfalls 1935, am 18. Dezember, trat Edvard Bene? als neu
gewählter Präsident der Tschechoslowakischen Republik und Nachfolger des
inzwischen erkrankten T.G. Masaryk in das Amt ein, nachdem Prof. Bohumil
Némec vom Dezemberblock seine Gegenkandidat wieder zurückzog.
Inzwischen wuchs die Gefahr, die immer mehr von den
faschistischen und nationalsozialistischen Kräften ausging. Die
Verhandlungen der Hlinka-Partei mit der Regierung Hodza in Prag scheiterten,
da sich die Regierung weigerte die slowakischen Autonomisten an der
Regierung und an der legislativen, sowie exekutiven Macht teilnehmen zu
lassen. Mag sein, daß dies ein Fehler gewesen war - oder auch nicht -, denn
nun begannen ohnehin die klerikalen Faschisten offen mit den
Nationalsozialisten zusammenzuarbeiten.
Dies tat Henlein übrigens schon längst mit seiner Partei. Neben
seiner antitschechoslowakischen Tätigkeit, die von Berlin aus tatkräftig
unterstützt wurde, nahm er mit den slowakischen und ungarischen Faschisten
eine"neue Haltung? ein, was nicht zuletzt auch im gesamten Westeuropa,
einschließlich Amerika begrüßt und wohlwollend aufgenommen wurde: Der
Kampf gegen die Bolschewisierung. In diesem Zusammenhang wurden
propagandamäßig alsbald unhaltbare Gerüchte in Umlauf gebracht, z.B. das
überall schon sowjetische Flugzeuge stationiert seien, die"SR als
Flugzeugmutterschiff der Sowjetunion, quasi als"Ausfallstor des
Bolschewismus? zu sehen sei; dann wiederum wurde sie als Nest unterirdischer
Revolution gegen Deutschland und womöglich auch gegen die übrige Welt
diskreditiert.
Diese Gerüchte waren selbstverständlich hirnrissig und
entsprachen nicht im geringsten der Realität. Daß aber die Stimmung der
Sowjetregierung sich ausgesprochen gegen die Politik Deutschlands richtete,
ist andrerseits jedoch nicht von der Hand zu weisen.
Was aber die Verbindung"SR und UdSSR betraf, hatte W. Churchill in
seinem Buch Der Zweite Weltkrieg richtig erkannt:
"Stalin hatte das Gefühl einer persönlichen Schuld gegenüber
Präsident Benes, und in der Sowjetregierung regte sich ein starker
Wunsch, Benes und seinem bedrohten Land gegen die Nazigefahr zu helfen."
Henlein aber versuchte nun unentwegt, auch die Herzen der
Westmächte zu erobern und begann unter dem Deckmäntelchen des
Anti-Bolschewismus seine Kampagne"für die sudetendeutsche Frage? im
Völkerbund durchzudrücken. Ja, er machte sie schlicht zu einem
internationalen Problem! Daß dies völlig dem Interesse Hitler-Deutschlands
diente, braucht hier nicht besonders erörtert werden.
Das nationalsozialistische Deutschland begann unterdessen (nicht
einmal geheim) mit der Neuordnung Europas, indem es mit Hilfe seiner
Außenpolitik - besonders unter der Flagge des
Anti-Bolschewismus - die übrigen Länder mit Zusagen und Versprechungen
einlullte. Denn schon Mitte 1937 war die exakte Ausarbeitung des
Planes"Grün? durch den Kriegsminister General Blomberg, die militärische
Zerschlagung der"SR, grundlegend vorbereitet worden. 22)
Wie fein und ausgeklügelt die Methode und Strategie war, mit der
Hitler bei der Neuordnung Europas für sein Groß-Deutschland vorging,
haben damals die Westmächte kaum erkannt, sondern ließen sich allesamt
blenden. André François-Poncet hat in seinem Buch >Als Botschafter in
Berlin 1931-1938< die Verwirklichung des Großdeutschen Reiches
folgendermaßen beschrieben:
"Diese Methode besteht darin, zunächst eine wohlüberlegte und
steigende Aufreizung der unruhigen Elemente in dem Land zu betreiben,
dessen man sich bemächtigen will oder das niedergeschlagen werden soll.
Dazu benutzt man Agenten, die von draußen kommen oder sich im Lande
selbst finden. Die von ihnen hervorgerufenen Zwischenfälle waren
sorgfältig und in immer kürzeren Zwischenräumen von der Goebbels-Presse
in großer Aufmachung wiedergegeben um die öffentliche Meinung in Atem zu
halten und eine internationale Krisenstimmung vorzubereiten. Dann greift
Hitler ein und erklärt, daß ihm das Schicksal einer Bevölkerung nicht
gleichgültig sein könne, die er als Zweig der deutschen Familie
betrachtet, als eigenes Fleisch. Unter dem Druck von Berlin, das nach
seinem Wunsch nach Verständigung beteuert, und dem der am Frieden
interessierten Mächte werden Verhandlungen eröffnet. Sie ziehen sich
mehr oder weniger lange hin, die Forderungen Deutschlands wachsen, bis
die begehrte Frucht reif zu sein scheint. In diesem Augenblick läßt
Hitler unter irgendeinem Vorwand die Maske fallen, und seine Truppen
greifen ein."
Daß die westlichen Mächte beim Anschluß Österreichs, 12./13. März
1938 keine besonderen Reaktionen zeigten, mag noch entschuldbar sein, zumal
die Österreicher, geschult an ihrem Austro-Faschismus, nicht nur Parallelen
zum Deutschen Reich vorwiesen, sondern sich selbst unter klerikalem Gequäke
mit Seyß-Inquart ins Reich drängten.
Wie bemerkte François-Poncet folgerichtig weiter:
"Die Haltung des Volkes (Österreicher) drängt alle
Erinnerungen an die zynischen Gewalttaten, mit denen Deutschland sich
eines Dollfuss und eines Schuschnigg entledigte, in den Hintergrund, und
so müssen alle Proteste platonischen Charakters sein."
Daß es unter den Österreichern natürlich einige gab - von Juden,
Kommunisten und Weitsichtigen abgesehen, versteht sich -, die nicht mit der
Eingliederung ins Großdeutsche Reich einverstanden waren, ist unbestritten.
Nach dem Anschluß Österreichs" meinte Hitler ganz offen zu General
Halder:
"Das wird den Tschechen sehr unangenehm sein""
Und Goering log derweil dem tschechischen Gesandten ins Gesicht:
"Deutschland hegt keine bösen Absichten gegen die
Tschechoslowakei".
Die Wahrheit aber sah so aus:
"Die deutsche Propaganda und die deutschen Streitkräfte
konnten sich jetzt unmittelbar gegen die Westgrenze der Tschechoslowakei
wenden," schrieb Churchill, "in deren von den Sudeten besiedelten
westlichen Randgebieten eine aggressive deutsche nationalistische Partei
tätig war, die nur darauf wartete, im Falle von Unruhen als fünfte
Kolonie aufzutreten".
So kam es dann auch! Bei einer Rede am 20.2.1938 forderte Hitler
das sudetendeutsche Volk - über das er den Schutz übernehme - zur Einigkeit
auf.
Nach dem besagten Anschluß Österreichs sah sich Henlein
veranlaßt,"seinem Führer? zu danken und schrieb an den Reichsaußenminister
Ribbentrop:
"In unserer tiefen Freude über die glückliche Wendung in
Österreich haben wir das Bedürfnis, all jenen, die am Gelingen des neuen
großen Werkes des Führers Anteil haben, unseren Dank zum Ausdruck zu
bringen. Nehmen Sie, hochverehrter Herr
Minister, demnach auch den aufrichtigen Dank des Sudetendeutschtums
hiermit entgegen. Den Dank an den Führer werden wir durch verdoppelten
Einsatz im Dienst der großdeutschen Politik abstatten."
Die Henlein-Gruppen, die gerne von einigen
als"Widerstandsbewegung? gesehen werden, hatten keineswegs diesen Anschein,
sondern sie waren gleichfalls wie die militanten Nazis organisiert. Sie
betrieben verstärkt und offen ihre Aggressionen mittels anti-tschechischer
und antisemitischer Propaganda.
Freiwillig, und dies sei hier betont, traten die deutschen
Agrarier und Christlich-sozialen gesamt zur Henlein-Partei über. Eine Hetz-
und Terrorkampagne gegen die tschechische und jüdische Bevölkerung, aber
auch gegen die, die sich noch nicht der
Volksgemeinschaft angeschlossen hatten, fand in immer kürzeren
Intervallen statt.
Der 24. April 1938 stand ganz im Zeichen Henleins und des
Karlsbader Programm, wo der NS-Agitator der Sudeten in einer Rede (nicht
nur nach Anweisungen von Berlin) forderte, das Grenzgebiet der Sudeten
gänzlich aus dem tschechoslowakischen Staatenverband herauszulösen und es
schließlich Deutschland anzugliedern. Damit war die"Heimkehr ins Reich?
ausgesprochen. Und nicht nur das, damit gelang es den Nazis wiederum, die
Weltöffentlichkeit zu täuschen, indem sie eine innere Angelegenheit der
Tschechoslowakei zu einem internationalen Problem machten.
Die Regierung Chamberlain wollte es genau wissen und entsandte
Lord Runciman, über den Maiski, der Botschafter der UdSSR, schrieb:
"Sein Verstand war langsam und träge, seine rednerische
Begabung mittelmäßig, sein Wissen sehr beschränkt."
Dieser Runciman also wurde als Leiter einer Sondermission nach
Prag 23) entsandt, um"Methoden zur Regulierung der
Beziehungen? zwischen der Tschechoslowakei und Deutschland ausfindig zu
machen. Eine Reihe von schwierigen und endlosen Diskussionen und Debatten
fanden statt, die letztlich aber scheiterten, und bei denen Runciman
übrigens gewissermaßen auch den Überblick verlor, so daß er eigentlich
unkundig nach 14 Tagen wieder zurückkehrte.
Unterdessen terrorisierten die Einheiten des"Sudetendeutschen
Freikorps? (Henlein-Schlägertrupps) wiederum die tschechische und nun
vermehrt auch die jüdische Bevölkerung und griffen" und das war wirklich
neu" staatliche Behörden und Ämter an, mit dem Ziel, die politische Macht an
sich zu reißen. 24)
Dieser Putsch aber konnte durch die Zusammenarbeit
antifaschistischer Selbstschutzgruppen und Militär- und
Gendarmerie-Einheiten innerhalb weniger Stunden niedergeschlagen werden.
Henlein und sein Hauptunterführer, Karl Hermann Frank, flohen nach
Deutschland. Die Partei zerfiel und wurde am 17. September durch die
tschechische Regierung verboten.
Der Stabschef Schmundt 25)
schrieb am 26.9.1938 darüber:
"Herr Bene? hat die Sudetendeutsche Partei aufgelöst und
glaubt damit, die Einheit der sudetendeutschen Volksgruppen zertrümmern
und den Sudetendeutschtum den Todesstoß versetzen zu können. Konrad
Henlein wußte die Antwort. Er rief am 17.9.38 zur Bildung des
Sudetendeutschen Freikorps auf.
Tausende Sudetendeutscher füllten schon in den ersten Stunden die
Reihen des Freikorps entlang der ganzen Grenze. (...) Seit dem 19.
September ist das Freikorps in mehr als 300 Unternehmungen mit
bewundernswertem Abwehrgeist und mit einer bis zur Selbstaufopferung
gesteigerten Einsatzbereitschaft seiner Aufgabe nachgekommen. (...)
An den Grenzen der Heimat stehen Tausende Schulter an Schulter in
den Abteilungen des Sudetendeutschen Freikorps und sind beseelt von dem
einzigen Wunsch: Die Freiheit der Heimat im großen deutschen Reich Adolf
Hitlers!" 26)
Dies war genau das, was die Nazis erreichen wollten, nämlich die
Westmächte glauben zu machen, daß die tschechische Regierung"in Wahrheit das
Übel? der sudetendeutschen Auseinandersetzungen sei. Dies gelang Hitler
übrigens bereits am 15. September in Berchtesgaden und am 22. September 1938
in Bad Godesberg, wohin jeweils Chamberlain -? als
Befehlsempfänger - eilte.
Unterdessen brüllte Henlein im Reich-Sender mit großen Tönen
seinen Entschluß heraus, endlich die Sudetendeutschen"heim ins Reich zu
holen?, und klagte mit verlogenen Worten die, wie er sie bezeichnete,
hussitisch-bolschewistischen Verbrecher in Prag vehement an.
Er konnte es sich erlauben, denn am 18.9. kam um 10.45
Uhr ein Telegramm in Berlin an, in dem zu lesen stand:
"Das Sudetendeutsche Freikorps bleibt Konrad Henlein
unterstellt. Zweck: Schutz der
Sudetendeutschen und Aufrechterhaltung weiterer Unruhen und
Zusammenstöße. Die Aufstellung des Freikorps erfolgt in Deutschland.
Bewaffnung nur mit Österreichischen Waffen. Beginn der Tätigkeit des
Freikorps so schnell wie möglich."
England und Frankreich sandten inzwischen der tschechoslowakischen
Regierung eine Note, datiert mit 19. September, mit der sie die Abtretung
des Sudetengebietes an Deutschland forderten. Gleichfalls ging aus dieser
Note hervor, daß die"SR, sollte sie sich nicht dem"Wunsche? beugen,
andernfalls nicht mehr mit einer Hilfe der westlichen Verbündeten rechnen
darf. Nebenbei bemerkt, Stalin hätte auch nichts mehr tun können, denn Polen
lag dazwischen, welches einen Durchmarsch sowjetischer Truppen nicht zuließ;
außerdem waren Verhandlungen mit Rumänien problematisch, und selbst wenn sie
gewissermaßen zu einem Erfolg geführt hätten, so stand immerhin noch Ungarn
dazwischen.
Fortsetzung (Teil 4)
Die Erwürgung der Tschechoslowakei:
Das Protektorat
Während der "Gespräche" in München standen schon die
Wehrmachtsverbände zum Angriff vorbereitet an der Grenze und warteten nur
noch auf den Befehl aus Berlin...
[Anmerkungen-Quellenangaben]
Zur Eingangsseite
Jüdischer Wegweiser zur Tschechischen Republik
Pruvodce po Ceske republice
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