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[Tschechische Häftlinge im Konzentrationslager Dachau]
Von Zuzana Mosnáková

Zur Diskussion im Forum:
[
Nationalsozialistische Konzentrationslager]
3. Verhalten:
Tschechische Häftlinge und der KZ-Alltag

3.2 Solidarität

Für altruistisches Verhalten war in der Extremsituation des Konzentrationslagers kein Platz vorgesehen. Die Entwicklung eines Gemeinschaftsgefühls war durch den starken Vernichtungsdruck durch die SS und die sich daraus ergebende Ohnmacht des einzelnen Häftlings stark begrenzt. Wie bereits ausführlich dargelegt, war der KZ-Alltag des überwiegenden Teils der Gefangenen vom individuellem Selbsterhaltungstrieb bestimmt.

Das bedeutet, dass der Häftling in erster Linie sich selbst helfen und dabei den Gedanken an alle anderen ausschalten musste. W. Sofsky betont zurecht, dass der "chronische Hunger [...] zum Mundraub und Diebstahl, Skrupellosigkeit und Verrat"[1] nötigte. Besonders Häftlinge, die sich am unteren Ende der "Häftlingshierarchie" befanden, konnten nur überleben, wenn sie allein ihre Person in das Zentrum des eigenen Weltbildes gerückt hatten. "Wie ich Auschwitz überleben konnte? Mein Grundsatz war: zuerst ich, dann wieder ich und danach noch einmal ich. Dann lange nichts. Und dann wieder ich. Und dann erst alle anderen."[2]

Diese Strategie des Auschwitz-Überlebenden Primo Levi veranschaulicht die Hilflosigkeit des jederzeit austauschbaren "Normalhäftlings" besonders prägnant. Solidarisches Verhalten konnte sich im KZ nur unter bestimmten Voraussetzungen entfalten, die jedoch lediglich wenige Häftlinge zu erfüllen im Stande waren. Nur Häftlinge, deren Lebensbedingungen verhältnismäßig erträglich waren als die der Masse, konnten sich vom unmittelbaren Selbsterhaltungstrieb losreißen. Nur diejenigen, die seitens der SS keinem hohen Vernichtungsdruck ausgesetzt waren, waren dazu im Stande, einen anderen Gedanken zu fassen, als den nach der Befriedigung der persönlichen Grundbedürfnisse. Und schließlich nur diejenigen Gefangenen, die es aufgrund ihrer Nationalität, ihrer Sprachkenntnisse, ihrer "Funktionsmacht", ihres günstigen Arbeitskommandos, ihrer Haftdauer oder ihrer "vorkonzentrationärer" Prägung vermochten, eine angemessene Stellung in der "Häftlingsgesellschaft" einzunehmen, konnten im Lager einigen Mitgefangenen unterstützend zur Seite stehen.

Solidarität setzte zudem entweder materiellen Besitz oder eine einflussreiche Position im Lager voraus und bedeutete "immer die Verteilung oder Umverteilung des Vorhandenen."[3] Das heißt, dass Hilfe stets nur auf Kosten eines anderen Häftlings geleistet werden konnte. Wenn sich ein Häftlingsarzt entschloss, einem Patienten durch Verabreichung eines Medikaments sein Überleben zu ermöglichen, musste aufgrund des ständigen Mangels ein anderer Patient sterben. Wenn es gelang einen Häftling von der Transportliste zu streichen, musste stets ein anderer an dessen Stelle treten. "Über die Legitimität solcher Praktiken ist im nachhinein viel gestritten worden; im Lager wäre aber niemand auf den Gedanken gekommen, sie in Frage zu stellen [...]."[4] Dieses Dilemma muss bei jeder solidarischen Handlung berücksichtigt werden.

Schließlich bildete die Solidarität im Konzentrationslager für Häftlinge, welche die nötigen Voraussetzungen erfüllten, einen Teil der Überlebensstrategie. Einige Internierte suchten in der trostlosen Situation des Lagers nach etwas Sinnvollem, nach etwas, was ihnen Hoffnung und Durchhaltewillen vermittelte und nicht zuletzt nach einem Weg, ihre Selbstbehauptung auszudrücken.

3.2.1 -- Art der Hilfestellung
3.2.2 -- Beispiel: Das Krankenrevier

  • [1] Sofsky, Die Ordnung des Terrors, S. 181.

  • [2] Levi, Primo: Die Untergegangenen und die Geretteten, München 1990, S. 79.

  • [3] Tuchel, Johannes: Möglichkeiten und Grenzen der Solidarität zwischen einzelnen Häftlingsgruppen im nationalsozialistischen Konzentrationslager, in: Streibel, Robert/Schafranek, Hans (Hrsg.): Strategie des Überlebens, Wien 1996, S. 231.

  • [4] Rovan, a. a. O., S. 163.

5. ANHANG
5.1.1 Quellenverzeichnis
5.1.2 Literaturverzeichnis
5.2.0
Abkürzungen

Zur Diskussion im Forum:
[
Nationalsozialistische Konzentrationslager]
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hagalil.com 10-2004


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