Jüdische Musik:
Kateryna Kolcova
Radio Prag
Kultursalon - Jakub Siska
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Die jüdische Musik inspiriert immer häufiger auch
tschechische Musiker. Einige von ihnen nutzen sie nur als eine Ergänzung
ihres Repertoires, andere widmen sich ihr aufgrund ihrer religiösen und
nationalen Zugehörigkeit. Das ist der Fall von Kateryna Kolcova, die nun
schon ihre dritte CD herausgibt. Jakub Siska stellt die Künstlerin vor.
Kateryna Kolcova stammt aus der Ukraine. Sie begann an
der Universität in Kiew Volksmusik zu studieren und sang dabei oft im
ukrainischen Rundfunk. Aufgrund ihrer Sehschwäche konnte sie das Studium
aber nicht beenden und kam deshalb 1994 nach Prag. Hier studierte sie am
Konservatorium für Sehbehinderte, heiratete und kehrte nicht mehr in die
Ukraine zurück. Trotzdem hat sie sich in Tschechien bisher nicht ganz
eingelebt:
"Man
sagt: Überall ist es gut, zu Hause aber am besten. Ich habe in der Frage,
wo ich eigentlich zu Hause bin, aber eine solche Verwirrung, wie Sie es
sich gar nicht vorstellen können. Ich hatte nicht vor, auf Dauer in Prag
zu bleiben, aber die Leute haben mich hier gut aufgenommen, auch mit
meiner Behinderung. Die tschechische Gesellschaft ist demokratischer, die
Leute achten mehr auf das Innere des Menschen als auf sein Äußeres.
Anderseits fühle ich mich hier immer noch als Fremde, besonders in
Situationen, in denen man etwa mit unangenehmen Leuten zusammentrifft. In
meiner Muttersprache könnte ich einfach schimpfen, in der Fremdsprache
muss ich mich aber zurückhalten. Man sagt: andere Länder, andere Sitten.
Das ist wohl in der Tat so."
Kolcova
hat bereits zwei CDs in Tschechien herausgegeben. Die erste enthielt
traditionelle jüdische Lieder in moderner Gestalt, die zweite war eine
Sammlung von Gebeten. Die neueste trägt den Untertitel: Inspiration
Klezmer.
"Die Lieder kommen aus der slawisch-jüdischen
Umgebung, wo es mit der Zeit zu kulturellen Überblendungen kam. Alle
Lieder werden in Jiddisch gesungen, eine Mischung aus Deutsch und
osteuropäischer Sprachen. Es gab jedoch nie ein einheitliches Jiddisch.
Viel mehr wurde es überall in eigenen, regionalen Versionen gesprochen,
was sich auch in den Liedern auf der CD äußert. Damit könnte ich echte
Patrioten ein bisschen ärgern - die Musik lässt sich weder als jüdisch,
noch als ukrainisch oder polnisch betrachten. Das ist aber meiner
Meinung nach gerade das Interessante daran: Die Lieder belegen, dass die
Volkskultur keine Grenzen hat, dass sich die Völker trotz aller
Verschiedenheit einander bereichern. Wenn wir der Kultur also keine
Gewalt antun, können wir die Schönheit dieser Beeinflussung gerade in
der Musik entdecken."
Die Melodien sind meistens mittel- oder osteuropäisch,
einen genauen Ursprung kann man aber oft nicht mehr herausfinden. Das gilt
auch für das Lied "Woran ich glaube".
Klezmer-Musiker waren ursprünglich Juden, die für
Juden aber auch Nichtjuden gegen eine Gage auf Hochzeiten und anderen
Festen spielten. Eine typische Klezmer-Kapelle bestand aus Fidel, Zymbal
und Trommeln. Das Spielen verlief grundsätzlich spontan ohne Partitur -
die Musiker sagten, dass sie die Noten direkt aus dem Himmel lesen. Erst
zur Zeit der Assimilation der osteuropäischen Juden in der ersten Hälfte
des 20. Jahrhunderts wurden die Klezmermelodien zu Schlagern: Texte
kamen hinzu und die Kapellen wurden um Akkordeonspieler ergänzt. Die
heute gespielte Klezmermusik zieht ihre Inspiration gerade aus dieser
Zeit. Hier das Volkslied "Du, Bursche aus der karpatischen Ukraine".
Kateryna
Kolcova
Die jiddische Sprache ist heute fast tot. Die sie
früher sprachen, starben in den 40er Jahren in den Gaskammern der
Nationalsozialisten, und diejenigen, die nach Amerika geflüchtet waren,
haben die Sprachtradition nicht erhalten. Auch Katryna Kolcova versteht
Jiddisch nicht.
"Bereits meine Großmutter sprach kein Jiddisch mehr.
Ich erinnere mich nur daran, wie sie sagte: Alles außer Gesundheit ist
chaloimes - das ist ein jiddisches Wort für Nebensächlichkeiten. Sie war
nämlich Kinderärztin. Was aber die jiddischen Lieder betrifft: Für mich
ist es kein Problem, sie zu singen. Zum einen studiere ich alle Texte und
weiß daher genau, was sie bedeuten. Und zum anderen gibt es meiner
Überzeugung nach einen genetischen Schlüssel, der dem Menschen vorgibt,
wie er singen soll. Ich sage ihnen dazu ein Beispiel: In Bulgarien lebte
früher ein Volkssänger, ein aschkenasischer Jude, ein gewisser Herr
Kaufmann. Einmal habe ich ihn gefragt, warum Bulgarien eine slawische
Sprache hat, die Musik des Landes aber ganz unslawisch klingt. Und er
antwortete: Während der jahrhundertelangen Kämpfe mit den Türken haben wir
von ihnen die Musik aufgenommen, aber auf die Sprache konnten wir nicht
verzichten. Sie bleibt irgendwo in der Seele des Volkes. Und ähnlich ist
es mit dem Jiddisch. Obwohl man davon schon mehrere Generationen entfernt
ist, begreift man ganz einfach alle Gedanken und Gefühle, die sich in den
Liedern verstecken. Dazu braucht man kein Wörterbuch."
Klezmer zählt man heute zur so genannten World-Music und das äußert sich
auch auf der CD von Katryna Kolcova. Neben tschechischen Musikern haben
daran auch mehrere ausländische Künstler mitgewirkt: der kanadische
Komponist, Sänger und DJ Socalled, die amerikanische Komponistin und
Sängerin Polina Achkinazi und der georgische Percussionist Roman Lomtadze.
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