Zwangsarbeiter-Entschädigung:
Die Bundesregierung erhöht ihr Angebot um eine
Milliarde
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Unmittelbar vor der neuen Verhandlungsrunde über die
Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern hat der Bund auf Beschluss der Rot+
Grünen Regierungskoalition seinen Anteil einseitig um eine Milliarde Mark
auf drei Milliarden erhöht. Bundeskanzler Kohl hatte seinerzeit auf Anfrage
einer Bundesbeteiligung rigoros erklärt: Die Entschädigungskasse bleibt
geschlossen. Trotz dem erneuten Entgegenkommen der Regierung will die
deutsche Industrie noch lange nicht 'draufsatteln' und ihr Angebot erhöhen.
Nun sei die Industrie am Zuge, sagte der deutsche Unterhändler
Otto Graf Lambsdorff vor der zweitägigen Runde in Bonn. Eine verbindliche
Zusage reiche aus. Die Stiftungsinitiative müsse das Einsammeln des Geldes
besser organisieren, zumal es "ja nicht auf einen Tag gebraucht" werde,
sagte Lambsdorff im Deutschlandradio Berlin.
Die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft begrüßte das
höhere Angebot. "Damit kommt die Bundesregierung der ursprünglichen
Verabredung, in den Fonds hälftig einzuzahlen, näher", sagte
Initiativen-Sprecher Wolfgang Gibowski. Die Industrie sehe daher auch keinen
Anlass, ihr Angebot von vier Milliarden Mark zu erhöhen. Eher könne die
Bundesregierung eine weitere Milliarde draufsatteln. Der insgesamt von
deutscher Seite gebotene Entschädigungsbetrag summiert sich demnach jetzt
auf sieben Milliarden Mark. Von einer hälftigen Teilung sei nie die Rede
gewesen, betont dagegen ein Sprecher Lambsdorffs. Vielmehr habe man zunächst
verabredet, dass die Industrie zwei Drittel, die Bundesregierung ein Drittel
übernehme. Mit den Forderungen der Unternehmen würden jetzt die Proportionen
geradezu umgekehrt: Von den vier Milliarden Mark müsste die Industrie nach
steuerlichen Abschreibungen gerade zwei Milliarden selbst aufbringen. So
aber werde das sicherlich nicht laufen, sagt der Sprecher; Lambsdorff sprach
von einer 'Dreistigkeit' der Industrievertreter.
Unterdessen schlug die PDS vor, der Bund solle bei den
Entschädigungsleistungen in Vorleistung treten und pauschal 10 000 Mark an
die Opfer zahlen. Mit der noch zu gründenden Stiftung könnten diese
Zahlungen verrechnet werden, so MdB Wolfgang Gehrke an.
In einer Bilanz der seit nunmehr neun Monaten laufenden
Entschädigungsverhandlungen bringt Lothar Evers vom
Bundesverband Information für NS-Verfolgte in der heutigen
Ausgabe der FR seine Hoffnung "auf eine Wende" zum Ausdruck: "Es wäre zu
wünschen, dass sich die deutsche Wirtschaft daran erinnert, dass sie den
Zwangsarbeitern ihren heutigen Wohlstand verdankt."
Wie Michel Friedmann in einem Interview gegenüber dem Radiosender
'hundert komma sechs' äußerte ist es notwendig das auch die Deutsche
Industrie sich noch stärker an der Erhöhung der Endschädigungssumme
beteiligen müsste. Die Industrie müsse jetzt noch mehr unter Druck gesetzt
werden.Er sprach vor allem die hunderte von Firmen an die bisher die Augen
verschließen und der Meinung sind sie hätten damit nichts zu tun. Als
Beispiel erwähnte er die Firma Hugo Boss.
Aber auch die einzelnen Kommunen sprach er an da auch dort Zwangsarbeiter
eingesetzt wurden.
Im weiteren sprach Herr Friedmann davon das es nicht darum gehe
wie hoch eigentlich die Gesamtsumme sei sondern was der einzelne erhalten
sollte.Volkswagen hätte mit 10000 DM pro Opfer ein Zeichen gesetzt. Er
warnte vor einem Scheitern der Verhandlungen und wies auf den Schaden hin
der Deutschland auch auf moralischer Ebene entstehen würde.
Ein Vertreter der Industrie sprach im selben Sender davon das „Man
das Geld schnell nehmen und an die Opfer verteilen solle“ (no
Comment). Die Anwälte der Ex-Zwangsarbeiter bekräftigten ihre Forderung nach
einem zweistelligen Milliardenbetrag. Die Wirtschaft müsse "erheblich
nachlegen", nötig seien "zehn Milliarden Mark plus ein ganzes Stück", sagte
der Münchner Anwalt Michael Witti.
Die Anwälte Witti und Fagan legten ein
Gutachten
vor, wonach den ehemaligen Zwangsarbeitern eigentlich mindestens 180,5
Milliarden Mark zustünden. Die Bremer Stiftung für Sozialgeschichte hatte
als entgangene Lohnsumme einen Betrag von 16,23 Milliarden Reichsmark
ermittelt und diesen mit einem Lohnkostenindex multipliziert. Auch nach dem
allgemeinen Preisindex der Bundesbank ergebe sich ein Betrag von 95,76
Milliarden Mark, heißt es in dem Gutachten von Professor Thomas Kuczynski.
Nicht darin enthalten sei eine Verzinsung der entgangenen Löhne.