Jetzt drohen sie nicht mehr, jetzt
machen sie Ernst:
Nazi-Morde schrecken Schweden
Eine Mordserie durch Neonazis
schreckt Schweden auf und provoziert eine Debatte über Terrorbekämpfung
Von Hannes Gamillscheg
(Kopenhagen)
Kopenhagen - Arglos öffnete Björn
Söderberg seine Wohnungstür im Stockholmer Vorort Sätra. Vor ihm standen
seine Mörder. Wortlos hob der eine seine feinkalibrige Waffe und schoss
Söderberg mehrmals in den Kopf. Nachbarn sahen zwei junge Männer aus dem
Haus fliehen. Die Polizei stand vor einem Rätsel. Ein unbescholtener
41-Jähriger im eigenen Haus kaltblütig hingerichtet?
"Das war ein politisch motivierter Mord",
sagt Bruno Jarlestad, Sprecher der Stockholmer Fahndungsleitung. Die Polizei
hat drei Neonazis festgenommen, die sie des Mordes und der Beihilfe
verdächtigt. Sie hat Mosaiksteinchen zusammengetragen, die sich nun zu einem
Bild zusammenfügen, das Justizministerin Leila Freivalds davon sprechen
lässt, dass "der Terrorismus nach Schweden gekommen" sei.
Dass die Polizei nach dem Mord an Söderberg
so rasch auf die rechte Spur kam, führt die für "Demokratiefragen"
zuständige Vizejustizministerin Britta Lejon auf die erhöhte Aufmerksamkeit
zurück, die Polizei und Staatssicherheit seit längerem der braunen Szene
widmen. Doch diese wird immer unüberschaubarer. "Die Propaganda wird
verstärkt und über Internet leicht verbreitet", sagt Margaretha Linderoth
von der Sicherheitspolizei Säpo. Und die Zahl der rechtsradikalen Aktivisten
sei zwar "immer noch eher in Hunderten als in Tausenden zu rechnen", werde
aber ständig größer, meint Schwedens führende Expertin Helene Lööw.
Gemordet haben Schwedens Nazis schon
früher: Ronny Landin, 21, zu Tode getreten von Skinheads. John Hron, 16, von
jugendlichen Neonazis gequält und umgebracht. Gerard Gbeyo, 25, von
Rassisten gejagt und erstochen. Das sind nur die bekanntesten Opfer einer
langen Reihe von Untaten. Es ist, als habe Schweden den rechten Terror nicht
richtig ernst genommen, solange er sich gegen Menschen anderer Hautfarbe
oder gegen Schwule richtete.
Anzeichen, daß die Rechtsextremisten nicht
nur zahlenstärker sondern auch gewaltsamer werden, gibt es seit langem. VAM
– "weißer arischer Widerstand" – hieß die erste Bande, die sich durch
Diebstähle in Militärdepos mit Waffen versorgte und ihre Aktivitäten mit
Banküberfällen finanzierte. In der "Arischen Brüderschaft" schlossen sich
Kriminelle in den Gefängnissen zu einer Clique zusammen. Und sie bekamen
eine Bühne, als Kriminalaufsichtsbeörde und Reichstheater in
falschverstandener Liberalität ein Resozialisierungsprojekt starteten, das
katastrophale Folgen hatte.
Schwedens bekanntester Dramatiker, Lars
Noren, hatte – auf Anforderung inhaftierter Gewalttäter – das Stück "7:3"
geschrieben, in dem er Stäflingen ihre eigenen rassistischen Tiraden in den
Mund legte und die Rollen mit wirklichen Haftinsassen besetzte. Damit tourte
das Reichstheater durch Schweden. Kaum war der Vorhang gefallen und die
"Schauspieler" auf Haftausgang, nutzte sie diesen zu einer Serie von
Banküberfällen. Der letzte endete mit der Ermordung von zwei Polizisten, die
die flüchtigen Räuber stellen wollten. Die 580 000 DM, die das Gangstertrio
in Kisa erbeutete, sollten – wie aus der Voruntersuchung der Polizei
hervorgeht – dem Aufbau einer Neonazi-Kampftruppe namens NRA dienen, die den
"arischen Kampf" gegen das "degenerierte Schwedenreich" gewaltsam
vorantreiben sollte.
© Kölner Stadt-Anzeiger /
Frankfurter-Rundschau
fw / akdh