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Polizeiaufgebot Turiner Str. Köln

Ein Kommentar:
NPD-Demo in Köln am 22. Mai 1999

Vom 04. April bis zum 24. Mai machte die Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" Station in Köln. Ganz gleich, in welcher Stadt diese Ausstellung bisher gezeigt wurde, immer zog sie neben interessiertem Fach- und Laienpublikum auch mehr oder minder wütende Gegner aus dem rechtsextremen Lager an. Sprengstoffanschläge wurden nicht nur angedroht sondern ausgeführt – so geschehen am 9. März in Saarbrücken.

Dieses Mal hatte die NPD zur Demonstration aufgerufen, doch der Kölner Polizeipräsident hatte beim örtlichen Verwaltungsgericht ein Verbot der Kundgebung erwirken können. Dieses Urteil wurde in einem Eilverfahren des Oberverwaltungsgerichts Münster einen Tag vor der geplanten Veranstaltung wieder aufgehoben. Da die NPD keine verbotene Partei sei, gäbe es rechtliche Bedenken, ein vollständiges Kundgebungsverbot auszusprechen.

So versammelten sich am Samstag den 22. Mai 1999 am Kölner Ebertplatz etwa 200 rechte Kameradinnen und Kameraden, um gegen die "verlogene Schandausstellung" zu demonstrieren.

Doch offensichtlich hatten sie die Rechnung ohne jene Kölnerinnen und Kölner gemacht, die sich diesem braunen Geisterzug entgegenstellten. Schon Stunden bevor der Zug der NPD sich auf den Weg machte, hatten sich an verschiedenen Plätzen rund 1000 Gegendemonstranten unter dem Motto "Köln stellt sich quer" versammelt. Unterstützt wurde ihr Protest von allen Fraktionen des Kölner Rates, Gewerkschaften, ja sogar der Mannschaft des 1.FC Köln. Auch der Schriftsteller Ralph Giordano rief dazu auf, diesen Aufmarsch der Rechten nicht hinzunehmen.
Gegen kurz nach zwölf machte sich der Zug der Neonazis auf den Weg. Zum Schutz vor eventuellen Übergriffen hatten Polizisten einen dichten Ring um die Gruppe gebildet. Nach weniger als einer halben Stunde und kaum hundert Metern endete der Marsch. Zwar hatte die Polizei sich im Vorfeld alle Mühe gegeben, Demonstranten und Gegendemonstranten möglichst auf Distanz zu halten, doch viele kleine Gruppen und Initiativen hatten längst die Schleichwege erkundet und setzten nun ihr Motto in die Tat um. Sie stellten sich quer – und dies mit Ausdauer und Erfolg.

Die Polizei dachte gar nicht daran, den braunen Kadern einen Weg durch die erheblich größere Gruppe der Gegendemonstranten freizuknüppeln. Man war deutlich sichtbar auf Deeskalation bedacht. Daß es dennoch zu 21 Festnahmen wegen Landfriedensbruch und Nötigung kam und außerdem fünf Polizisten verletzt wurden, geht mehr oder weniger auf das Konto einiger unbelehrbarer Autonomer.

Neben Eiern und Tomaten flogen auch Flaschen in die Reihen der rechten Kameraden, doch die Mehrheit der Gegendemonstranten blieb friedlich und beschränkte sich auf verbale Auseinandersetzungen.

Kameraden

Der Aufzug dieser Neonazis bot ein seltsames Schauspiel. Zunächst einmal war es durchaus keine reine NPD-Kundgebung. Die Teilnehmer, überwiegend junge Männer im Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren mit kurz - (nicht kahl !) geschorenen Köpfen und Reichskriegsflaggen schwenkend, kamen auch aus der DVU, der NPD-Nachwuchsorganisation Junge Nationaldemokraten und aus Verbindungen mit Namen wie "White Power", "Odins Söhne", "Völkischer Bund" und "Pitbulls". Auch das alte "Kommando Michael Kühnen" war vertreten mit der Parole "Und du siegst doch!".

White Power
Germanenstolz
DVU
Dumpfer Trommelschall Einige Kameraden bearbeiteten Trommeln, die ihre Großväter wohl noch aus ihren Tagen in der Hitlerjugend aufbewahrt hatten.

Ob wir zeugen deutsche Kinder...

Ansonsten enthielt das Musikprogramm, das aus dem Lautsprecherwagen dröhnte, ein kurioses Stilgemenge. Neben martialischen Klängen von Wagner und Liszt - den Älteren sicher noch als Begleitmusik der NS-Wochenschauen im Ohr - erinnerten andere Stücke eher an die Liedermacherszene der frühen achtziger Jahre. So hatte man sich auch das Bürgerlied "Ob wir rote, gelbe Kragen..." angeeignet, das ursprünglich 1845 im Elbinger Bürgerverein entstanden war und später unter anderem von Hannes Wader wieder aufgenommen wurde. Doch während im Originaltext die Gleichheit aller Menschen, unabhängig von Stand, Beruf und Kleidung gefordert wird, dichtete der rechte Kamerad den Kehrreim: "Ob wir zeugen deutsche Kinder oder adoptieren Inder, das, ja das tut was dazu."

...für das Überleben der Deutschen

Die Sprecher der NPD, die sich im weiteren Verlauf der Veranstaltung zu Wort meldeten, wurden nicht müde immer wieder zu beteuern: "Wir sind nicht rechtsextrem, aber wir kämpfen für das Überleben der Deutschen, das allerdings mit den extremsten Mitteln." Ginge es nach der Weltsicht dieser Kameraden, dann wären nicht sie die "Braunen", sondern fast alle deutschen Männer und Frauen, die "kaffebraun" und "asiatisch negroid" aus dem multikulturellen Deutschland hervorgingen.

Ruhm und Ehre der Waffen-SS

Auch ein ehemaliger SS- und Wehrmachtsangehöriger wurde als Redner aufgeboten, um "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" auf's Neue hochzuhalten. "Soldatentaten sind Heldentaten!", scholl es aus den rechten Reihen, verbunden mit der Drohung, die Wehrmachtsausstellung auch weiterhin in alle Städte zu verfolgen, um gegen die Besudelung der Soldatenehre zu kämpfen. Der Veteran empfahl, die linken Gegendemonstranten nicht als Feinde zu sehen sondern als "geistig Behinderte", was von den Kameraden mit lautem Beifall bedacht wurde.

...amerikanisches Großkapital in den Händen der Cohns

Dann wetterte er gegen den amerikanischen Imperialismus und die NATO Angriffe gegen Jugoslawien. 50 Strafanzeigen wegen Führung eines "Angriffskrieges" haben NPD und artverwandte Organisationen nach eigenen Angaben gegen die Bundesregierung erstattet: Eine eigenartige Wendung vom Nationalsozialismus zum Sozialnationalismus. Die Diktatoren wechseln, aber die Diktatur bleibt. Auch sonst kam einem manches erschreckend bekannt vor, so etwa die Anmerkungen zum "amerikanischen Großkapital in den Händen der Cohns und Hummelflugs", den angeblichen Stellvertretern für die ebenso fiktive jüdische Weltwirtschaftsverschwörung.

Nach etwas mehr als drei Stunden mußten die Neonazis den Rückzug antreten. Unter Polizeischutz und dem Hohngelächter der Gegendemonstranten zogen sie zurück zu ihren Reisebussen, mit denen sie aus der Stadt gebracht werden sollten. Die Abfahrt dauerte noch einmal mehrere Stunden, da einige der Kameraden mit Privatautos angereist waren und nun von der Polizei einen individuellen Geleitschutz zu ihren Fahrzeugen verlangten.

Wir kommen wieder!

Nach Aussagen des Einsatzleiters der Polizei, hätte die Mehrheit der braunen Straßenkämpfer den Aufmarsch sehr gerne schon viel früher beendet. Doch der NPD Versammlungsleiter hatte immer wieder an die Kameradschaft appelliert und zum Bleiben aufgefordert. So gesehen wirkt die während des Rückzuges ausgestoßene Drohung "Wir kommen wieder!" in diesem Fall eher halbherzig und wie das sprichwörtliche Pfeifen im dunklen Wald.

Doch man lasse sich nicht täuschen: Ein Aufmarsch von wenig mehr als zweihundert Neonazis wurde von über eintausend nicht nur linken Kölnerinnen und Kölnern gestoppt. Das ist erfreulich aber noch lange kein Grund zur Beruhigung. So weisen die Verfassungsschützer des Landes Mecklenburg-Vorpommern auf einen unverminderten Zulauf zum rechtsextremen Lager hin. Als besonders gefährlich gelten die sogenannten "Kameradschaften" (zum Beispiel die erwähnten "Pitbulls" oder "Odins Söhne"), die außerhalb der großen Parteien arbeiten und sich in der gesamten Bundesrepublik, ja auch außerhalb der Landesgrenzen und im Internet organisiert haben. Es gilt, wachsam zu bleiben und in diesem Sinne haben die Kölner Bürgerinnen und Bürger ein Signal gesetzt, das hoffen läßt.

(fzs-haGalil - Bildquelle: haGalil onLine)

Der Kamerad

haGalil onLine - Freitag 04-06-99

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