Zwangsarbeiter geben nichts mehr auf Versprechen der Abwickler:
NS-Opfer verklagen IG Farben
Von Matthias Arning
FRANKFURT A. M., 23. März. Ehemalige Zwangsarbeiter der IG
Farben wollen sich nicht länger von den Liquidatoren des Konzerns auf
Entschädigungszahlungen vertrösten lassen. Drei gebürtige Polen, die heute
israelische Staatsbürger sind, meldeten jetzt beim Frankfurter Landgericht
ihre Ansprüche an den Rechtsnachfolger IG Farben in Abwicklung an. Zugleich
würden sie "es begrüßen, wenn die IG Farben rasch und unbürokratisch Mittel
für Entschädigung bereitstellen", sagte Andrzej Bodek am Dienstag. Er hat
den historischen Teil der Klage der Opfer ausgearbeitet, die in Auschwitz
Zwangsarbeit leisten mußten. Ihre Forderungen stützten sich auf neue
Erkenntnisse: Entgegen der früheren Sichtweise, die den Konzern als
Anhängsel von nationalsozialistischen Organisationen darstellte, sei heute
klar, daß die IG Farben "ein wesentlicher Motor der wirtschaftlichen
Entwicklung in Oberschlesien gewesen sind", sagte Bodek.
Die Alliierten hatten das Unternehmen nach dem Zweiten
Weltkriegs im wesentlichen in die drei Chemieriesen Hoechst, BASF und
Bayer zerschlagen. Die Liquidatoren des verbliebenen Rest-Unternehmens
kündigten kürzlich an, in den nächsten drei Jahren die Geschäfte
abwickeln und aus Teilen des Erlöses Opfer entschädigen zu wollen. Über
die Höhe der Zahlungen machten sie zwar keine Angaben. Sie hoben jedoch
hervor, unter dem öffentlichen Druck, dem sich diverse deutsche Konzerne
durch die Sammelklagen von NS-Opfern in den USA gegenübersehen, einen
"neuen Kurs" steuern zu wollen. Dazu hätten die Liquidatoren allerdings
eine "gute Gelegenheit" verstreichen lassen, kritisierte Bodek: Bei
einem Treffen ehemaliger Zwangsarbeiter Ende vorigen Jahres im IG
Farben-Gebäude in Frankfurt hätten sie "ein Signal" setzen können.
Die Opfer lassen nicht locker. Die für kommenden Donnerstag
angesetzte Jahreshauptversammlung werde wieder von Protesten begleitet,
kündigte das "Bündnis gegen IG Farben" an, ein Zusammenschluß
verschiedener Opfer-Initiativen. Sie dringen nach wie vor darauf, die IG
Farben in Abwicklung "sofort aufzulösen" und das gesamte Firmenvermögen
für Entschädigungszahlungen bereitzustellen. Einen entsprechenden
Vorschlag wollen die kritischen Aktionäre der Versammlung unterbreiten,
die die Liquidatoren nach Protesten immer wieder verschoben hatten.
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