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Heilige Lügen:
SICHERHEIT UND MENSCHENRECHTE

Wie zwei gut aufeinander eingespielte Ballett-Partner, stürtzten sich die Feinde des Friedens in Aktion. Jeder wusste genau, was zu tun ist.

Am Morgen nach der Unterzeichnung des Wye-Abkommens veruebten muslimische Extremisten ein Attentat. Juedische Siedler antworteten sofort mit einem Akt der "Vergeltung". Die Moslime forderten die sofortige Einstellung der Verwirklichungen des Abkommens. Und so weiter und so fort, zum wiederholten Male.

Nachdem das Judentum und der Islam vieles gemeinsam haben, sind sich auch die Aktionen der religioesen Extremisten sehr aehnlich. Derselbe Glaube, dieselben Ziele, dieselben Methoden. Und dieselbe Verlogenheit.

Fuer das heilige Ziel ist es erlaubt zu luegen. Tatsaechlich ist es sogar eine Forderung. Denn in der Schrift steht: 'Führe den Krieg mit List'.

SICHERHEIT!!!

Auf der juedischen Seite dreht sich diese Taeuschung vollstaendig um das Konzept von "Sicherheit". Die Fuehrer der messianischen "schwarzen Revolution" wissen sehr gut, dass sich die Oeffentlichkeit nicht wegen des wahnsinnigen Grundes von Siedlungen im Herzen der palaestinensischen Gebiete mobilisieren laesst. Nur wenige sind bereit fuer "Gross-Israel" zu sterben. Slogans wie "Kein Fussbreit" und "Kein Verzicht auf die befreiten Gebiete" erregen heutzutage nur ein spoettisches Laecheln.

Jeder Israeli will "Sicherheit". Juedische Geschichte, der Holocaust, ein Jahrhundert voll Kaempfen um das Land - all das hat einen Hunger nach absoluter, totaler Sicherheit, wie nirgends anders auf der Welt geschaffen. Im Namen dieser Sicherheit, kann jede Greueltat gerechtfertigt werden, die abstossendsten Dinge koennen als 'rein' dargestellt werden und jede Intention kann verstellt werden.

Daher sprechen die Siedler nicht mehr laenger von den Glocken der Erloesung, von den Tagen des Messias, von der Reinigung des Landes von den "Ismaeliten" (siehe Rafi Rakhlevskys Buch "The Messiah´s Donkey). Die Samen des Wahnsinns haben ihren Weg nach Hebron und dutzender anderer Orte gefunden, alles im Namen der Sicherheit. Jetzt muessen diese Plaetze im Namen der Sicherheit verteidigt werden. Die Rueckgabe von nur einem Prozent der Westbank gefaehrdet deren Konzept von Sicherheit. Der Frieden selbst ist eine schreckliche Gefahr fuer die Sicherheit.

Das ist selbstverstaendlich eine komplett falsche Forderung. Tatsaechlich ist Sicherheit eine voellig unkonsequente Angelegenheit fuer diese Siedler und deren Bewunderer. Um ihre Ziele zu erreichen, sind sie bereit, das Leben ihrer Kinder jeden Tag zu riskieren. Saekulare Israelis sind fuer sie der Samen von Amalek und ihr Tod damit bedeutungslos. Aber sie hatten mit ihrer Gehirnwaesche ueber Sicherheit so viel Erfolg, dass es die israelischen Medien aufgriffen und jeden Tag diese Luege wiederholen. Um der Sicherheit willen ist Netanjahu bereit, den Friedensprozess zu beenden und das Land in ein neues Jahrhundert regionaler nuklear-chemisch-biologischer Kriege zu fuehren.

Um die Seifenblase dieser Taeuschung platzen zu lassen, wuerde nur die Antwort auf die einfache Frage gehoeren: Wenn das Problem der Sicherheit absolut vollstaendig geloest waere, waeren dann die Fanatiker bereit, die gesamte West Bank und den Gaza-Streifen an die Palaestinenser zu uebergeben? Die Siedlungen abzubrechen? Einen Kompromiss in der Jerusalem-Frage zu erzielen? Die Antwort wäre natuerlich ein absolutes "NEIN". Ende der Luege.

MENSCHENRECHTE!!!

Bei den palaestinensischen Extremisten heisst die grosse Luege jetzt "Menschenrechte". Jeder, der den Friedensprozess begraben will, spricht von "Menschenrechten". Linksgerichtete, die vor nicht allzu langer Zeit noch Stalin gepriessen hatten und das Morden an Millionen rechtfertigten, setzen sich jetzt fuer Menschenrechte in Ramallah ein. Religioese Fanatiker, deren einziges Ziel es ist, in Palaestina eine Regierung wie die der Taliban in Afghanistan zu errichten oder zumindest eine Regierung wie die von Chomeni in Iran, sprechen den ganzen Tag von "Menschenrechten", die von der abscheulichen Palaestinensichen Autonomie- behoerde mit Fuessen getreten werden.

Oeffentliche Umfragen zeigen, dass die grosse Mehrheit der palaestinensischen Bevoelkerung den Frieden will. Das kann nicht von der Vision eines fundamentalistischen Regimes beeinflusst werden, das seine Frauen zu Hause einsperrt und das alle seine Macht für eine extreme religioese Splitterpartei ablegt. Diese Oeffentlichkeit glaubt nicht mehr laenger an das religioese Dekret, das ganz Palaestina in ein religioeses "Wakf" (islamisches Eigentum) wandelt, was Palaestinensern verbieten wuerde, auch nur einen einzigen Quadratmeter an Juden abzutreten. Palaestinenser sehnen sich nach Frieden und Ruhe und glauben daran, dass Arafat das erfuellen kann.

Die Extremisten sprechen niemals von ihren wahren Zielen, ausser sie sind unter sich, zu Hause oder in der Moschee. Ausserhalb sprechen sie von Menschenrechten. Arafat, das Böse schlechthin,  verfolgt die unschuldigen Glaeubigen, die nichts Falsches getan haben. Er verletzt die Menschenrechte.

Das Internet ist voll mit diesem Geschrei. Deren Worte sind über die ganze Welt verstreut, eine Gefaelligkeit der israelischen Medien.

Auch hier kann man eine einfache Frage stellen: Wenn Arafat jedes einzelne Menschenrecht heiligen wuerde, und wenn sich die palaestinensische Polizei wie ihr schweizerisches Gegenstueck verhalten wuerde, wuerden dann die religioesen Extremisten ihren Kampf gegen die Palaestinensische Autonomiebehoerde und den Friedensprozess aufgeben?

Die moslimischen Extremisten stellen sich dumm: Sie versuchen nicht, Arafat zu unterminieren, sagen sie, noch die gewaehlte palaestinensische Regierung zu bekaempfen. Gott verbietet ihnen, die Hand gegen die palaestinensischen Brueder zu erheben. Sie wuerden lediglich blutige Anschlaege auf Israelis verueben wollen. Warum ist Arafat ihnen also so feindlich gesonnen?

Das ist eine sehr verdrehte Luege. Die Palaestinensische Autonomiebehoerde muss, wie jede andere Regierung, die Staatsgeschaefte leiten. Das heisst auch, dass sie Kontrolle ueber alle bewaffneten Kraefte haben muss. Sie kann keine bewaffneten Splitterparteien dulden, die ihre Privatkriege austragen, weil das jegliche Chance auf eine nationale Richtung, um die Staatsgeschaefte zu fuehren und Abkommen zu unterzeichnen, vertun wuerde.Diejenigen, die eine Bombe am Mahane Yehuda Markt in Jerusalem plazieren, wollen das Abkommen, das Arafat unterzeichnet hat, zerstören und auf diese Weise auch die gewaehlte Regierung der Palaestinensische Autonomiebehoerde zerstoeren. Das ist ein direkter Anschlag auf die palaestinensische Demokratie. Das Gerede ueber die Menschenrechte soll die palaestinensische Oeffentlichkeit taeuschen.

Es ist alles sehr einfach: Die Israelis verdienen Sicherheit. Natuerlicherweise. Die Palaestinenser verdienen Menschenrechte. Natuerlicherweise. Aber die Israelis werden Sicherheit nicht durch die Siedler erlangen, ebenso wie die Palaestinenser Menschenrechte nicht durch Hamas und Djihad erreichen werden. Beides fuehrt zu einem Disaster, zu Blutvergiessen und gegenseitigem Hass. Und bevor man die Extremisten auf beiden Seiten bekaempft, muss man ihnen die Masken abreissen.

Uri Avnery, Ma´ariv, 22.11.98

in English
Sacred Lies: Security and Human Rights

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