'De Volkskrant' zum Berliner Holocaust-Denkmal:
Monumentale GestenVolkskrant /
Amsterdam: Bis vergangenen Monat versteckte sich die deutsche Wirtschaft
hinter der allgemeinen Wiedergutmachung der westdeutschen
Bundesrepublik. Bonn bezahlte insgesamt ungefähr 110 Milliarden
Mark an jüdische Opfer, was viel scheint, aber verglichen mit den 150
Milliarden, die
jährlich
in die Ex-DDR gepumpt werden, eher als Peanuts bezeichnet werden kann.
Ermutigt durch den Erfolg amerikanischer Kläger, haben sich inzwischen
Zwangsarbeiter und Angehörige von Holocaust-Opfern vereinigt und Anwälte
eingeschaltet, die jetzt schon wissen, daß die deutsche Wirtschaft nicht
wie die schweizerischen Banken mit zwei Milliarden davonkommen wird.
Ebenfalls ein halbes Jahrhundert nach dem Untergang des 'Dritten
Reiches' endete diese Woche in Berlin die zehnjährige Debatte über ein
nationales Holocaust-Denkmal in einem voraussehbaren Debakel.
Das unsinnige Denkmal könnte durch eine echte Geste ersetzt werden, eine
monumentale Geste, die peinliche Prozesse überflüssig macht: Für die
Opfer und Hinterbliebenen richtet die deutsche Wirtschaft freiwillig
einen Fonds ein in Höhe der Kosten für ein Jahr DDR.
Die Süddeutsche Zeitung hatte zur Mahnmaldebatte
geschrieben:
Denk mal: Pause
Noch ist die Entscheidung über die Gestaltung des
Holocaust-Mahnmals nicht gefallen, da wird erneut öffentlich ein
zentrales Holocaust-Museum gefordert. Die Initiatoren haben mittlerweile
ihr Stiftungsmodell vorgestellt und gleichzeitig betont, das Museum
solle nicht anstelle eines Mahnmals errichtet werden. Wieso eigentlich
nicht? Wieso kann ein Dokumentationszentrum nicht mit einem Mahnmal
verbunden sein? Irritierend sind jedenfalls die Denkverbote, die in
diesem Zusammenhang immer wieder ausgesprochen werden. Und wieso wird
ausgerechnet die wichtigste Frage der Aufarbeitung des dunkelsten
deutschen Kapitels ständig Privatinitiativen überlassen? Wäre es nicht
sinnvoller, der Bundestag nähme sich des Themas an und entschiede
demokratisch nach Anhörung von Experten, wie Deutschland mit seiner
Vergangenheit umgehen soll?
Natürlich soll in einem Land – wo wesentliche individuelle und
institutionelle Verstrickungen jahrzehntelang erfolgreich unter den
Teppich gekehrt worden sind – kein Schlußstrich unter die
Auseinandersetzung mit der Vergangenheit gezogen werden. Die jüngsten
Ergebnisse der Historiker-Kommission über die Rolle der Deutschen Bank
bei der Affäre um das Nazi-Gold beweisen doch, wie sinnvoll die
kontinuierliche Aufarbeitung ist.
Aber wenn wir denn tatsächlich ein zentrales Dokumentations-
und Forschungszentrum benötigen sollten, dann doch nicht deshalb, weil
jetzt argumentiert wird, daß es diese nicht lediglich in Washington und
Jerusalem geben dürfe. In den USA und in Israel gibt es nicht die
Konzentrationslager, die, über das ganze Land verstreut, anschaulicher
als jedes Photo den Naziterror demonstrieren können. Hierzulande werden
einige von ihnen dem Verfall anheim gegeben.
Anderswo gibt es auch nicht die zahlreichen dezentralen
Gedenkstätten, Forschungszentren und Orte der Erinnerung – in Berlin
gibt es sie schon. Genau genommen, befindet sich mitten im zukünftigen
Regierungsviertel derzeit ein Dokumentations- und Forschungszentrum im
Bau. Es heißt nur anders, nämlich "Topographie des Terrors". An
historischer Stelle, über den ehemaligen Gestapo-Kellern, entsteht ein
Neubau für rund 45 Millionen Mark.
Dort soll zwar vorwiegend die Geschichte der Gestapo, SS und
des Reichssicherheitshauptamtes behandelt werden. Doch der Forschungs-
und Dokumentationsauftrag ließe sich noch ausweiten. Ursprünglich sollte
das Gebäude 1998 fertig sein, nun wird es erst im Jahre 2000 in Betrieb
genommen, wobei die endgültige Finanzierung immer noch unklar ist.
Selbst die Wannsee-Villa ließe sich weiter ausbauen. Bevor nun wieder
zehn Jahre lang diskutiert wird, sollte eine Denkpause einkehren, damit
sich der neue Deutsche Bundestag des Themas annehmen kann.
SZ vom 06.08.1998 / mh
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haGalil onLine - Aug. 1998 |