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Ralph Giordano:
Rascher Frieden mit den Tätern

Symbolisch dafür: Am 1. Oktober 1951 werden in Stadtoldendorf, Kreis Holzminden, in Anwesenheit des Bürgermeisters und der Ratsmitglieder im Ofen des städtischen Gaswerks, also öffentlich, alle Entnazifizierungsakten verbrannt, eingeschlossen das vollständige Mitgliederverzeichnis der NSDAP und ihrer Gliederungen. Dazu der genugtuungsgesättigte Kommentar eines lokalen Honoratioren: "Wäre diese Liste in falsche Hände geraten, so hätte es böses Blut gegeben, denn alles, was Rang und Namen hat, steht darin."

Begünstigt durch den Zerfall der Antihitler-Koalition des Zweiten Weltkrieges in die rivalisierenden Supermächte USA und UdSSR, im Vorstadium der militärischen Einbindung "ihrer" jeweiligen Deutschen in die entstehenden gegnerischen Bündnisse Nato und Warschauer Pakt, wird das Jahr 1951 zur historischen Weiche für das, was ich den Großen Frieden mit den Tätern genannt habe.

Jetzt wird die Bundesrepublik das Land, wo dem größten geschichtsbekannten Verbrechen mit Millionen und Aber-millionen Opfern, die, wohlgemerkt, hinter den deutschen Fronten wie Insekten umgebracht worden sind, das größte Wiedereingliederungswerk für Täter folgte, das es je gegeben hat - von wenigen Ausnahmen abgesehen, werden sie nicht nur straffrei davonkommen, sondern ihre Karrieren auch unbeschadet fortsetzen. Jetzt werden die Voraussetzungen geschaffen, mit dem Grundgesetzartikel 131 fast die gesamte NS-Beamtenschaft unversehrt in den Staatsapparat der zweiten deutschen Demokratie zu überführen.

Jetzt taucht intern auch schon der Name des Mannes auf, der diesen Transfer wie kein anderer personifiziert, der Staatssekretär Konrad Adenauers, Schöpfer des Bundeskanzleramtes, Graue Eminenz der bundesdeutschen Frühepoche und Kommentator der im September 1935 erlassenen Nürnberger Rassengesetze, erste Stufe ins Inferno der Gaskammern: Hans Globke.

1951 feiert der braune Bodensatz unverfroren fröhliche Urständ, dominiert im Windschatten der Wiederbewaffnung ein doktrinärer, NS-infizierter Antikommunismus mit der These "In diesem Punkt, seinem Antibolschewismus, hat Hitler recht gehabt"; legen neugegründete Soldatenverbände mit der Legende vom "sauberen Wehrmachtsrock" bereits die Keimzelle für die Traditionslüge der Bundeswehr; ist ein großer Teil der bundesdeutschen Funktionselite in Wirtschaft und Verwaltung personell identisch mit der unter Hitler (und wird es bis in die 70er Jahre bleiben). Mit anderen Worten: 1951 wird das Fundament für die kollektiven Lebenslügen einer Verdrängergesellschaft gelegt, deren Deckel erst mit der Studentenrevolte von 1968 abgesprengt werden wird.

Es ist ein Schauspiel ohnegleichen: Das geschlagene Nazilager, die Millionen ehemaliger Mitglieder der NSDAP, ihre großen und kleinen Funktionäre, die jubelnden BDM-Mädchen von einst und ihre maskulinen HJ-Pendants, die erst siegreichen und danach so rückzugserprobten Wehrmachtüberlebenden, sie alle desertieren im Zeichen des Großen Friedens mit den Tätern in die weitausgebreiteten Arme der jungen Demokratie und passen sich untertänig deren Spielregeln an: reuelose, trauerunfähige, bis ans Herz opportunistische und gerade deshalb - wie die Welt erleichtert registriert - höchst zuverlässige Konvertiten und Überläufer.

Notabene: Natürlich wird hier von mir nicht das ganze Politpanorama des Jahres 1951 entworfen, hat es doch immer auch die "Republik der Bundesgenossen" gegeben, ihren Januskopf, das Doppelantlitz humaner Anstrengungen neben dem ungeheuren Verlust an humaner Orientierung. Und natürlich hat sich seither vieles, sehr vieles verändert, hat die Bonner Demokratie eine Stabilität gewonnen, die sich hoffentlich auch auf das künftig von Berlin aus regierte Deutschland übertragen wird. Aber charakteristischer als alle anderen damaligen Segmente war jenes, von der unsere politische Kultur, wie Goldhagendebatte und Wehrmachtausstellung bestätigen, bis in unsere Tage immer noch mitgeprägt wird: die zweite Schuld, also die Verdrängung und Verleugnung der ersten unter Hitler nach 1945/49 und ihre Folgen.

Bei allem Wandel hat sich mir deshalb auch eine große Besorgnis erhalten, und es war der Kollege Heinrich Jaenecke, der den Grund dafür auf den Seiten des STERN vom 12. November 1992 in die Nußschale dieses Satzes faßte: "Der Feind steht rechts - immer noch."

Ja!

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