Die Band von nebenan:
Kleine Gemeinsamkeiten unterschiedlicher MenschenInterview
mit dem Regisseur Eran Kolirin
DIE
BAND VON NEBENAN kreist um die kleinen Gemeinsamkeiten unterschiedlicher
Menschen aus zwei Ländern, die seit langer Zeit eine Nachbarschaft des
'kalten Friedens' miteinander pflegen.
Eran Kolirin hat für seine Betrachtung dieses Kulturenkonflikts keine
dramatische Geschichte gewählt, sondern schildert fast schon beiläufig
kleine Ereignisse aus einem absurden Alltag – mit lakonischem Humor,
perfektem Timing und schwebender Melancholie.
Was war für Sie der Auslöser, diesen Film zu machen?
Es begann mit einer Art Traumbild oder einer starken Vorstellung, ohne weiteren
Zusammenhang: Es gab einen Mann, einen ausgewachsenen Pedanten, der sich aus
einer Menschenmenge herausschälte. Dieser Mann war Polizist, er kam aus Ägypten
und er fing an, ein arabisches Lied zu singen. Ich war immer fasziniert von
arabischem Gesang, diesen Harmonien, die oft monoton, reduziert und sehr
kontrolliert scheinen, und unter denen aber eine unglaubliche Melodramatik
brodelt. Dieses innere Bild hat dann auch meine Erinnerung an die ägyptischen
Filme wiederbelebt, die ich während meiner Kindheit und Jugend gesehen habe… Das
also war der Anfang: ein Bild, von dem im Moment, da es vor einem auftaucht,
noch gar nicht klar ist, was bzw. ob es etwas bedeutet. Für einige Details der
Geschichte war dann das Buch „Journey to Israel” wichtig, das der ägyptische
Autor Ali Salen vor ein paar Jahren veröffentlicht hat. In diesem Buch geht es
darum, dass ein Mann aus Ägypten in Israel strandet. Dabei wird er nicht mit den
großen politischen Fragen konfrontiert sondern mit kleinen Verschiebungen
dessen, was für ihn alltäglich ist. Seien wir doch ehrlich: der Atem der
Geschichte ist selten der Stoff, der für unser Leben zentral ist.
Erzählen Sie uns bitte mehr über Ihren persönlichen Hintergrund!
Vielleicht habe ich Glück gehabt, dass ich in den 1980er Jahren die
wesentlichen Prägungen meiner Jugend erfahren habe. Es war vermutlich die
einzige Zeit, da die Kultur unseres kleinen Landes offen war für Impulse unserer
unmittelbaren Nachbarn. Es gab nur einen Fernsehkanal, und auf dem liefen
Freitagnachmittag regelmäßig ägyptische Filme, meist Melodramen. Das ließ
plötzlich eine mentale Heimat entstehen, die ganz anders gelagert war, als das,
was uns sonst als ‚Heimat’ nahegebracht wurde… Diese mentale Heimat ging
verloren, als wir von kommerziellen Fernsehprogrammen überschwemmt wurden, und
in diesem Zusammenhang auch die Liebesgeschichten plötzlich nicht mehr von
‚nebenan’ kamen, sondern aus Spanien oder aus USA… In meiner Erinnerung ist das
so, dass wir damals anfingen, einen Teil unserer Seele an globalisierte
Zusammenhänge zu verlieren…
Wann entstand in Ihnen der Wunsch Filme machen zu wollen?
Mein Vater ist Filmemacher, mein Bruder arbeitet ebenfalls als Regisseur und
Schnittmeister. Ich habe einen Teil meiner Kindheit in Schneideräumen oder
zwischen den Beinen von Kamerastativen verbracht. Immer wieder kam es vor, dass
technisches Equipment bei uns in der Wohnung herumstand, was mir, gewürzt mit
entsprechenden Ermahnungen, dass man damit vorsichtig umgehen müsse, zum
selbstverständlichen Teil meines Spielzeugs wurde… So kam es, dass mir diese
Welt einerseits selbstverständlich erschien, andererseits aber auch als etwas
Wertvolles, mit dem man tolle Sachen machen konnte.
Fühlen Sie sich von bestimmten Filmemachern besonders beeinflusst? Man muss
bei bestimmten Szenen Ihres Films fast zwangsläufig an den Humor von Aki
Kaurismäki denken, oder auch an Buster Keaton.
Wissen Sie, wenn Sie den Eindruck haben, eine gute Schule besucht zu haben, dann
fällt es Ihnen schwer zu sagen, der oder der war mein Lieblingslehrer. Ich
glaube, alle Regisseure, die ich mag, haben mir auf ihre Weise ein kleines
Geschenk gemacht, und diese Geschenke halte ich in Ehren. Für mich bedeutet das
auch die Aufgabe, das Feuer, das sie in mein Herz gepflanzt haben, weiter zu
tragen. Das ist, als müsste man sich immer mit kleinen Diensten der
Mitgliedschaft in einem Orden als würdig erweisen.
Was bedeutet Ihnen das Stück “My Funny Valentine”, das Sie sehr exponiert im
Film verwenden?
Darf ich sagen, dass es einfach nichts zu bedeuten hat. Gar nichts! Es ist
eine Musik, die ich bewusst aus dem Niemandsland geholt habe. Etwas das sehr
schön ist und vielleicht deshalb universales Gewicht hat. Das Stück ist bar
jedes sozialen, nationalen, regionalen oder biographischen Bezugs. Bei vielen
anderen Stücken oder Melodien, die den Weg der Filmerzählung säumen ist das
anders: die Musik in der Disco etwa. Das ist sehr verankert, vielleicht nicht in
der Wirklichkeit, aber in meiner Wirklichkeit.
Ihr Team bestand aus Israelis und Arabern, und ich vermute, dass Sie einige
der kleinen Kuriositäten im alltäglichen Miteinander auch aus Ihrem eigenen
Leben kennen. Haben Sie solche Erfahrungen für das Thema Ihres Films
verarbeitet, oder war es vielleicht auch umgekehrt, dass Momente aus dem Film in
den Alltag ‚hinüber gewachsen’ sind?
Es gibt doch in unserem Land gar keine Reinheit was Nationalitäten, Ethnien oder
Religionen angeht. Vermischung ist der Normalfall. Das ist nur kein
Breaking-News-Subject. Aber da Sie das Thema von Die Band von nebenan
ansprechen: Was ist das Thema? Ich glaube jedes Individuum lebt seine Existenz
von einem Tag zum nächsten und hat dabei mehr oder weniger das Gefühl, dass die
Dinge mehr oder weniger schön und gut sind, dass es dahinter aber noch ein
anderes, ungelebtes Leben gibt. Aus diesem Zwiespalt entsteht Sehnsucht oder
Nostalgie und auch Melancholie. Und in diesem Zwiespalt ruht für mich auch ein
wesentlicher Teil des inneren Reichtums eines jeden von uns. Das sehe ich als
das Thema meiner Arbeit, gewiss nicht den israelisch-arabischen Konflikt.
War es Ihre Absicht, dem über die Medien vermittelten Bild Israels, welches
ja überwiegend von Selbstmordanschlägen, der Mauer, der Siedler-problematik und
Grenzkonflikten geprägt ist, etwas anderes entgegenzusetzen?
Ich hüte mich vor der Pest, einen programmatischen oder Message-Film zu
machen. Ehrlich gesagt, wüsste ich gar nicht, wie ich das angehen sollte. Ich
glaube auch, dass etwas, das hauptsächlich vom Thema her geplant ist und wo es
nur darum geht, ein Programm abzunudeln unwürdig ist. Unwürdig der sehr noblen
Arbeit des Erzählens von Geschichten. Ich versuche immer zwei Gegensätze
zusammenzubringen, einerseits den Raum, in den unkontrolliert und noch ungeformt
etwas hereinweht, andererseits so etwas klar Umrissenes, das sich vielleicht
sogar schon in diesem Raum versteckt, sagen wir das Thema oder der Sinn. Häufig
(und speziell wenn eine solche Verbindung glückt) ist es die Geschichte, die
einen den Sinn finden lässt und nicht umgekehrt. Ich hänge sehr an dieser Idee,
dass die Fiktion, die Geschichte an erster Stelle steht, und dass man sich Dinge
beim Machen erarbeitet, ohne zu wissen wohin man geführt wird. Was nicht heißt,
dass man danach nichts mehr verändert. Im Gegenteil.
Ihre Protagonisten haben am Ende nicht nur etwas über die jeweils anderen
gelernt, sondern auch vor allem etwas über sich selbst.
Glauben Sie? Für mich ist das fast schon ein logisches Problem. Wenn ich mir die
Figur von Tewfiq anschaue, dann glaube ich, dass er aus diesen Ereignissen nur
das folgende lernt: dass er sich vermutlich nie ändern wird. Aber ist mit dieser
Erkenntnis, dass er unveränderlich, der bleiben muss, der er war, nicht schon
etwas passiert mit ihm, was ihn zwangsläufig zu einem anderen werden lässt?
Wurde Ihr Film auch in Ägypten gezeigt?
Bislang noch nicht. Ich weiß aber, dass er bei ägyptischen Zuschauern
(Professionelle und Liebhaber), die ihn anderswo gesehen haben, gut angekommen
ist. Es wird auf verschiedenen Ebenen daran gearbeitet, dass wir den Film
demnächst auch in Ägypten zeigen können.
Ist es für Sie vorstellbar, dass Die Band von nebenan auch aus einem anderen
Nachbarland Israels kommen könnte, sagen wir aus dem Libanon oder Jordanien?
Vorstellbar für andere vielleicht schon. Nur, da meine Geschichte aus dem Keim
gewachsen ist, den ich Ihnen schon geschildert habe, sehe ich keine andere
Möglichkeit als dass meine Geschichte so ist, wie sie eben ist. Der Mann in
meinem ursprünglichen Traumbild war nun einmal ein Ägypter. Was soll ich machen?
Ich bin kein Experte. Diese Geschichte beruht nicht auf einer wissenschaftlichen
Recherche. Sie ist nur meiner individuellen inneren Welt geschuldet, an der
teilzuhaben ich viele Zuschauer einladen möchte, die ich aber nicht verraten
werde.
"Es ist dieser Perle des Kinos zu wünschen, dass sie einem
breiten Publikum zugänglich wird. Denn in Hinblick auf
Kulturmissverständnisse ist dieser Film auch für Deutsche eine wahre
Offenbarung". (www.cinefacts.de)
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weitere Pressestimmen... Kinostart in
Deutschland:
Die Band von
nebenan
Einst, vor nicht allzu langer Zeit, landete eine kleine ägyptische
Polizeikapelle in Israel. Sie waren gekommen, um bei der Eröffnung eines
arabischen Kulturzentrums aufspielen. Doch Bürokratie, Pech oder einfach nur
dumme Zufälle ließen sie bereits am Flughafen stranden...
Bikur haTismoreth:
Die ganze
Geschichte
Die ganze Geschichte: Auf einem schicken neuen Flughafen, irgendwo in Israel
ist ein achtköpfiges ägyptisches Polizeiorchester gelandet. Wie sie da
stehen, wirken sie wie verloren...
Bikur haTismoreth:
Regisseur Kolirin
über seinen Film
Als ich ein Kind war, schauten wir bei uns zu Hause häufig
ägyptische Filme. Das war in vielen Familien zu Beginn der achtziger Jahre
so. Immer Freitags, am späten Nachmittag fand man sich vor dem Fernseher ein
und wurde mitgerissen von den verwickelten Geschichten, den
tragisch-unglücklichen Liebschaften, dem Herzschmerz von Omar Sharif, Pathen
Hamama, I’del Imam und vielen anderen...
Die Band von nebenan:
Darsteller und
weitere Mitwirkende
"Es ist dieser Perle des Kinos zu wünschen, dass sie einem
breiten Publikum zugänglich wird. Denn in Hinblick auf
Kulturmissverständnisse ist dieser Film auch für Deutsche eine wahre
Offenbarung"...
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