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Pädagogik gegen Antisemitismus:
Neue Herausforderungen

Aus den Einführungstexten zum Seminar des haGalil e.V. am 3.7.2007 gegen Antisemitismus

Von Jörg Fischer

Auch in Deutschland steht eine Pädagogik, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, gegen Antisemitismus und gegen antisemitische Denkstrukturen vorzugehen, immer noch am Anfang. Zudem ist sie mit aktuellen Formen des Antisemitismus weitgehend überfordert, bzw. hat Dimension, Facetten und Erscheinungsformen noch nicht im vollem Ausmaß begriffen. Ein Grund hierfür liegt in der reinen Wahrnehmung des Antisemitismus als ein historisches Phänomen das fast ausschließlich rechtsextremistischen, national-sozialistischen, Strukturen zugeordnet wird.

Dies ist verwunderlich, hat doch der Antisemitismus gerade in Deutschland eine sehr lange und sehr stark durch die christlichen Kirchen geprägte Tradition. Erst dadurch ist auch die von Deutschland ausgehende globale Katastrophe zu verstehen, die zur Schoah, dem in der Menschheitsgeschichte einzigartigen Zivilisationsbruch, geführt hat. Die Geschichte des Antisemitismus erreichte mit dem industriell organisierten und nach den Kriterien der Effektivität geplanten und durchgeführten Massen-Raubmord an 6 Millionen Jüdinnen und Juden einen Höhepunkt, nicht aber seinen Endpunkt.

Vielleicht liegt es an diesem grauenhaften Hintergrund, dass es so vielen schwerfällt, wahrzunehmen, dass der Antisemitismus auch heute ein grundlegender Antrieb antizivilisatorischer, antidemokratischer, antihumanistischer und antimodernistischer Ideologien ist. Er fungiert als das Amalgan, das sonst scheinbar unvereinbare politische Richtungen miteinander verbindet: Neonazis und andere Rechtsextremisten treffen sich hier mit Teilen der extremen Linken und radikalen Islamisten. Weitere Schnittmengen, wie etwa die Ablehnung der demokratischen Wertegemeinschaft, der Antiamerikanismus, die augenscheinliche Fremdenfeindlichkeit und die betonung eines rassistischen Separatismus, die Homophobie, die Verweigerung der Emanzipation der Frau, die Ablehnung des Individualismus und die Überbetonung eines Kollektivs folgen.

Eine Pädagogik gegen Antisemitismus, die sich darauf beschränkt, die Erinnerung an die Schoah zu erhalten und sie Jugendlichen zu vermitteln, muss rasch an ihre Grenzen stoßen. Das Wissen um den Massenmord an den europäischen Juden immunisiert nicht gegen Antisemitismus. Die Erinnerung an die Schoah wird von vielen Antisemiten sogar pervertiert. Dies zeigt sich etwa, in der häufig zu hörenden Gleichsetzung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes mit dem demokratischen Staat Israel. So wird unter völliger Missachtung der realen Tatsachen und unter bewusster Umkehrung der Situation behauptet, "Israel" oder "die Juden" würden mit "den Palästinensern" genau so umgehen, wie die Nazis mit den Juden. Während rechte Antisemiten damit vor allem endlich die Opfer und deren Nachkommen zu Tätern umlügen wollen und auf eine Entlastung des NS-Regimes abzielen, geht es linken Antisemiten und Islamisten vor allem darum, den Staat Israel zu dämonisieren, sich selber als unschuldige Opfer zu stilisieren und "den Juden" die Schuld an den Konflikten im Nahen Osten zuzuschieben.

Hieraus resultiert die Anforderung an die Pädagogen, nicht nur historisches Wissen zu vermitteln, sondern auch durch ein auf Fakten basierendes, an der Realität orientiertes Wissen über den Nahost-Konflikt antisemitischer Propaganda, bzw. daraus resultierenden Aussagen von Schülerinnen und Schüler argumentativ immer wieder entgegen treten zu können.

In der Regel finden sich auch in aktuellen politischen Diskussionen altbekannte antisemitische Stereotypen wieder, die eine Dämonisierung Israels und eine Stimmungsmache gegen Juden zum Ziel haben. Erinnert sei hier nur an die Parole "Israel trinkt das Blut libanesischer Kinder" auf sog. "Friedensdemonstrationen" im Sommer 2006 oder die Behauptung, Israel und die USA würden angeblich "die Welt beherrschen". Dass die Verschwörungstheorie von der "jüdischen Weltherrschaft" nicht nur in neonazistischen und in islamistischen Kreisen verbreitet wird, bewies u.a. die sich selber links verortende Tageszeitung "junge Welt" am 15. Juni 2006: "Der israelische Gewaltexzess im Libanon war jedoch von langer Hand geplant, …Der erneute Krieg gegen Libanon, das Säbelrasseln gegen Syrien und die ominösen Drohungen gegen Iran sind kein Produkt israelischer Ratlosigkeit, sondern Bausteine der Phase zwei einer Strategie, die führende amerikanische Neokonservative bereits 1996 in dem Dokument »A Clean Break« (Ein sauberer Bruch) dem damaligen israelischen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vorgeschlagen hatten. … Die neokonservativen Verfasser von »Clean Break«, ausnahmslos US-Amerikaner jüdischer Herkunft …"

Antisemiten leiten aus ihrem entsprechenden Weltbild auch ihre weiteren Feindbilder ab – z.B. Homosexuelle, So verkünden fundamentalistisch-islamistische Prediger, die israelische Armee würde "die Seuche der Homosexualität und Aids in der arabischen Welt verbreiten". Homosexualität wird als Produkt des "dekadenten Westens, der von Juden beherrscht" werde, definiert. Ähnliches kann man auch in der Ablehnung des Individualismus beobachten, bzw. in der Ansicht, dass einzelne Individuum müsse sich, seine Interessen und Rechte den Interessen eines nebulösen, zumeist nicht näher definierten Kollektivs unterordnen. Der Individualismus wird ebenfalls als Teil der "westlichen Dekadenz" angesehen, die wiederum als Auswirkung eines unterstellten "jüdischen Einflusses" dargestellt wird. Die Kollektive, denen sich das Individuum unterzuordnen und seine Rechte zu opfern hat, werden unterschiedlich definiert. Rechtsextremisten und Neo-Nationalsozialisten gehen von einem rassistisch-völkischen Kollektiv, der sogenannten "Volksgemeinschaft", aus. Teile der extremen Linken definieren das Kollektiv aufgrund der sozialen Stellung, während radikale Islamisten von einem religiös definierten Kollektiv ausgehen. Gemeinsam ist allen, dass sie die jeweiligen Personen, die sie zu ihrem Kollektiv zählen, nicht als individuelle Personen wahrnehmen, sondern nur als Teil des Kollektivs und die unterstellten Interessen, Bedürfnisse und Rechte des Kollektivs absolutieren. Im Umkehrschluss ist ein solches kollektivistisches Welt- und Menschenbild die Voraussetzung für diverse Verschwörungstheorien, da auch "die Juden" als ein Kollektiv dargestellt werden, die homogen handeln und nach einem kollektiven Plan vorgehen.

In der Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus werden Pädagoginnen und Pädagogen auch noch mit einem weitverbreiteten emotionalen Gefühlsreflex konfrontiert: Der vermeintlich Schwächere wird als der sich im Recht befindliche definiert, der vermeintlich Stärkere ist "Täter" und befindet sich im Unrecht. Solche Automatismen orientieren sich nicht an der Faktenlage, sondern am subjektiv-gefühlsmäßigen Empfinden. Besonders ausgeprägt wirken sie bei Diskussionen um den Nahost-Konflikt.

Während bei Herkunftsdeutschen der Antisemitismus auch die Funktion der Schuldabwehr, bzw. Schuldabwälzung hat, indem man nachträglich die Opfer, bzw. deren Nachkommen zu Tätern macht und durch die bereits beschriebenen Versuche der Gleichsetzung die Einmaligkeit der Schoah und der NS-Barbarei zu leugnen sucht, tritt bei MigrantInnen bzw. Menschen mit Migrationshintergrund ein anderes Problem auf: Selbst wenn in Deutschland lebende Menschen aus MigrantInnenfamilien bereits in der dritten oder vierten Generation in Deutschland sind, werden sie von der deutschen Mehrheitsgesellschaft nicht als Deutsche wahrgenommen und akzeptiert – oftmals selbst dann nicht, wenn sie einen deutschen Pass und damit die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.

Die daraus folgende mangelnde Integration – die von weiten Teilen der Mehrheitsgesellschaft eher als Einbahnstraße denn als gegenseitiger Prozess der Veränderung und als Chance zur Weiterentwicklung der gesamten Gesellschaft angesehen wird – hat im Gegenzug u.a. dazu geführt, das sich viele aus Einwandererfamilien stammende kaum oder gar nicht mit der deutschen Geschichte auseinandergesetzt haben oder auch nur auseinandersetzen wollen. Da sie nicht als Teil der deutschen Gesellschaft akzeptiert werden, sondern eher aus dieser ausgeschlossen gehalten werden, sehen sie sich auch nicht als Teil der deutschen Gesellschaft und ihrer Geschichte.

In Teilen der (extremen) Linken spielt auch eine Romantisierung sogenannter "Volksbefreiungsbewegungen" eine Rolle. Bei der "Solidarisierung mit den Palästinensern", wird außer Acht gelassen, dass gerade diese Bewegungen ein reaktionäres, faschistoides Welt- und Menschenbild verfolgen und die Errichtung eines autoritären und totalitären Systems verfolgen und dass gerade dieses Weltbild den Hass auf den israelischen Staat mit seiner demokratischen und offenen Gesellschaft, in der Männer und Frauen, Fromme und Säkulare, Homo- und Heterosexuelle gleichberechtigt leben, immer wieder aufs neue anfacht. Die israelische Meinungs-, Presse-, Versammlungs- und Religionsfreiheit ist diesen "Freiheitsbewegungen" fremd, die Existenz einer solches Gesellschaft wird selbstredend als "Provokation" und Gefährdung des eigenen, uneingeschränkten Machtanspruches angesehen. Dies verstärkt übrigens auch den Hass generell auf westliche, demokratische Staaten und eine freiheitlich-demokratische Gesellschaftsordnung.

Deshalb ist es ein wichtiger Bestandteil bei der pädagogischen Bekämpfung des Antisemitismus, dieser Ideologie eine sichtbare Alternative entgegen zu setzen und den Jugendlichen Werte einer aufgeklärten, offenen, pluralistischen und emanzipatorischen Gesellschaft zu vermitteln.

In diesem Zusammenhang sei noch einmal an die historische Rede von Paul Spiegel, damals Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, am 9. November 2000 erinnert.
[RealVideo: Paul Spiegel am 09-11-2000]

... "Wir dürfen bei der Bekämpfung von Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit nicht inne halten. Denn es geht nicht allein um uns Juden, um Türken, um Schwarze, um Obdachlose, um Schwule. Es geht um dieses Land, es geht um die Zukunft jedes einzelnen Menschen in diesem Land. Wollen Sie eines Tages von Glatzköpfen und deren Vordenkern regiert werden? Das ist die Frage, um die es wirklich geht. Nicht wie viele Ausländer dieses Land verträgt.
Machen Sie Ihre demokratisch gewählten Politiker mitverantwortlich für das, was hier geschieht. Was nützt es, in einer Sondersitzung des Deutschen Bundestages nach den Attentaten auf die Synagogen in Düsseldorf und Berlin in wohlklingenden Reden den Antisemitimus zu verdammen, wenn einige Politiker am nächsten Tag Worte wählen, die missverstanden werden können? Wenn sie die Zuwanderungsfrage heute aus taktischen Gründen zum Wahlkampfthema machen wollen, von so genannten "nützlichen" und "unnützen" Ausländern faseln.
Was soll das Gerede um die Leitkultur? Ist es etwa deutsche Leitkultur, Fremde zu jagen, Synagogen anzuzünden, Obdachlose zu töten? Geht es um Kultur oder um die Wertvorstellungen der westlich-demokratischen Zivilisation, die wir in unserem Grundgesetz fest verankert haben? In Artikel 1 des Grundgesetzes heißt es: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu schützen ist die Aufgabe staatlicher Gewalt." Die Würde des Menschen – aller Menschen - ist unantastbar" ...

Rechtsextremismus – Antisemitismus – Islamismus:
haGalil-Fortbildungsseminare in Berlin

haGalil e.V. wird in Zusammenarbeit mit der RAA Berlin und Unterstützung der Landeszentrale für politische Bildung Berlin im Juli in Berlin zwei Fortbildungsseminare für Lehrer und Pädagogen durchführen...

hagalil.com 26-06-2007

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