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Frankreich nach der Präsidentschafts- und  vor der  Parlamentswahl

Von Bernard Schmid, Paris

Richtungskampf innerhalb  der extremen Rechten

In den Reihen des Front National, und darüber hinaus der  extremen Rechten  allgemein, hat schon seit dem Abend des ersten Wahlgangs ein heftiger politisch-ideologischer Schlagabtausch begonnen. Dabei steht mehr auf dem Spiel als allein die taktische Frage der Stimmabgabe für Nicolas Sarkozy, oder ihrer Verweigerung.

Die Wochenzeitung Minute, die eine Scharnierfunktion zwischen  dem Front National und Fraktionen der konservativen Rechten einnimmt, berichtet in ihrer  Ausgabe vom 25. April 2007 über eine Wahlfeier, bei der die Fäuste flogen. Am Abend des ersten der beiden Wahlsonntage, dem 22. April, hatte die FN-Parteispitze den Veranstaltungssaal Salle de l'Equinox (Saal der Sonnenwende) am Südrand von Paris im 15. Bezirk angemietet, der sich für die paar  Hundert Anwesenden als wesentlich zu grob erweisen sollte. Dort kam es dann zu heftigen Reibereien - aus Anlass des Besuchs des "Komikers" Dieudonné M'bala M'bala. Der frühere Antirassist, der in den letzten Jahren zum Berufsprovokateur und Meister der politischen Konfusion geworden ist, hatte bereits am 11. November 2006 an Le Pens "Präsidentschaftskonvent" in der Pariser Vorstadt Le Bourget teilgenommen. Am 18. Dezember desselben Jahres hatte ein wesentlicher Teil der  FN-Führung  (darunter Generalsekretär Bruno Gollnisch und die Chef-Gattin Jany Le Pen) am Abschlussschauspiel seiner damaligen Tournée im Pariser Konzerthaus Le Zénith vorbeigeschaut und  Prominentenplätze im Saal eingenommen. Nicht jedoch Jean-Marie Le Pen selbst, einerseits um nicht negative Reaktionen in seiner Partei hervorzurufen, wo nicht alle Dieudonné schätzen, und andererseits, um nicht aufgrund von Kontakten zu dem schwarzen französischen Antisemiten eine zu grobe Angriffsfläche in den bürgerlichen Medien zu bieten (1). In den folgenden Monaten  hatte Dieudonné mal behauptet, im ersten Wahlgang den parteilosen Linkspopulisten und Globalisierungskritiker José  Bové zu unterstützen,  dann wieder, in der Stichwahl für die Sozialdemokratin  Ségolène Royal zu stimmen – von beiden Kandidaten holte er sich jedoch eine heftige Abfuhr, und sie schlugen jegliche Unterstützung von seiner Seite aus (2).

Faktisch unterstützte Dieudonné, dessen persönlicher Freund Alain Soral seit anderthalb Jahren Jean-Marie und Marine Le Pen berät und der am 06. Februar 2007 offiziell in den Wahlkampfstab des FN-Kandidaten aufgenommen wurde, Le Pen. Aber bei den Teilnehmern  des Wahlabends am  22. April sahen nicht alle gern sein Kommen. Rund  30 rechtsextreme Hooligans des Pariser Fußballclubs PSG Paris-Saint Germain (PSG) stürzten sich in der Halle auf ihn, um ihn physisch zu malträtieren. In ihren Augen ist Dieudonné nicht in erster Linie der taktische Bündnispartner – der es in den Augen mancher rechtsextremer Kader erlaubt,  politische Konfusion tief  hinein in die Reihen der Einwanderungsbevölkerung zu tragen  -, sondern der afrikanischstämmige "Mischling", der in der französischen Politik nichts zu suchen hat. Daraufhin musste der DPS, der FN-eigene Ordnerdienst, dem Schwarzen zu Hilfe eilen. Minute berichtet zur Hälfte amüsiert und zur Hälfte befremdet darüber, wie "einer der historischen Chefs des GUD" (Anm.: des Groupe Union-Défense, also einer rechtsextremen studentischen Schlägertruppe,  die von den 1970er Jahren bis in die 1990er Jahre an der Pariser Jurafakultät Assis ihr Unwesen trieb) Dieudonné vor den andringenden Angreifern schützte: Eine solche Szene hätte man sich früher nicht denken lassen. Der Reporter der rechtsextremen Wochenzeitung berichtet aber auch darüber, wie die DPS-Mitglieder in ihrer Uniform sich zum Kommen von Dieudonné  äuberten:  "Er hat uns zu viele Stimmen verlieren lassen", mit diesen Worten wird etwa einer von ihnen zitiert. Worauf freilich ein anderer  antwortet: "Er hat uns vielleicht ebenso viele gewinnen lassen, wer weiß..."

"Die Gründe für den Flop"

An anderer Stelle, in einem langen Artikel unter dem Titel "Die Ursachen für den Flop Le Pens", analysiert Minute in derselben Ausgabe  die Gründe für den Rückgang an Stimmen. Die rechtsextreme Zeitung betrachtet so, im Nachhinein, die u.a. mit dem Namen des Schriftstellers und Wahlkampfberaters Alain Soral verbundenen  Versuche der politisch-ideologischen  Spurenverwischung und so genannten Entdiabolisierung  als schädlich. "Eine Reihe von Signalen an die Franzosen ausländischer Herkunft",  schreibt  Minute, "von dem Besuch Dieudonnés beim Präsidentschaftskonvent im Herbst bis zum Abstecher Le Pens in Argentueil im April (Anm.: siehe dazu Näheres in unserem vorigen Kapitel), haben dazu beigetragen, einen Teil seiner Wählerschaft zu desorientieren: diese 'gebürtigen Herkunftsfranzosen' (Français de souche), denen er möglicherweise den Eindruck vermittelt  hat, dass er nicht nicht mehr dieselbe Aufmerksamkeit widmet wie früher."

Sicherlich trifft es zu, dass ein Teil der früheren FN-Wähler, vor allem ihr  bürgerlichster und konservativster Teil aus den traditionellen Mittelklassen, sich in diesem neuen Profil des Front National kaum wiedererkannt hat. In ihren Augen wirkte dieser Versuch, das Bild eines diffusen rechten Rebellentums zu sein und nicht mehr so klar markiert zu wirken wie früher (etwa im Hinblick auf den Rassismus), höchstwahrscheinlich "unseriös". Ihm zogen sie das solide konservative  Programm und Profil dann im Zweifelsfall vor.

Die politischen Brüche quer durch die extreme Rechte widerspiegeln sich auch in den unterschiedlichen Haltungen zur Wahlempfehlung für die  Stichwahl, um die herum es in den Reihen der extremen Rechten zu einer kurzen Kontroverse kam.

Welche Haltung zu den Konservativen?
Nationalrevolutionäre versus Ultrakatholiken

Bernard Antony, der ehemalige Chef des katholisch-fundamentalistischen Parteiflügels – der zwar seit Anfang 2006 keine Mitgliedsbeiträge an den FN mehr abführt, ihm aber nach einem abgebrochenen  Annäherungsversuch mit Philippe de Villiers nach wie vor nahe steht  - rief  zu  einem frühen Zeitpunkt zu einer Stimmabgabe  gegen Ségolène Royal auf. Im Wortlauf  rief  er "meine Freunde" dazu  auf, "gemäß ihrer politischen Intuition zu stimmen, aber in jedem Falle  niemals für die Marxistin Ségolène Royal." Dies ließ, nachdem die Wahl der rechtssozialdemokratischen Kandidatin ausgeschlossen worden war, noch das Ungültigstimmen – die abgegebenen ungültigen Stimmen werden in  Frankreich in  den Endergebnissen aufgelistet  - oder die Wahl Nicolas Sarkozys offen.

Seinerseits hat der frühere Nationalrevolutionär und jetzige rechtsnationale Wirtschaftsliberale Jean-Gilles Malliarakis, der einstmals den Mouvement nationaliste-révolutionnaire bis zu dessen Spaltung im  Jahr 1991 anführte und sich danach (per Umweg über den Front National) an den französischen Thatcheristen Alain Madelin annäherte, klar   Nicolas Sarkozy unterstützt. Malliariakis, der eine Sendung auf Radio Courtoisie – einem Sender im 16. Pariser Arrondissement, wo diverse  Strömungen der konservativen und der extremen Rechten zusammenwirken  - leitet, begrüßte "diese außergewöhnliche, historische Mehrheit von 61 Prozent der Stimmen", die er aus dem Zusammenzählen der Stimmen Jean-Marie Le Pens, Nicolas Sarkozys und des Christdemokraten François Bayrou im ersten Wahlgang erhielt. Diese breite rechte Mehrheit, so Malliarakis, müsse jetzt "erlauben, wahrhaftig und ungehindert schon ab Sommer (2007) die Reformen durchzuführen,  die das Land benötigt." Er fügte hinzu: "Um den Willen des Volkes, Frankreich voranzubringen, zu bekräftigen, und um morgen die UMP dazu zu zwingen, ihren Versprechen einer Umwälzung treu zu bleiben, dürfen so wenig rechte Stimmen wie möglich und am besten keine rechte Stimme im zweiten Wahlgang fehlen."

Im Gegensatz dazu betonte die "nationalrevolutionäre" Strömung, die (in manchen Aspekten besonders stark dem historischen Faschismus nacheifernd) die soziale, ja "antikapitalistische" Demagogie betont, ihren Willen zu einem  Bruch mit der konservativen und wirtschaftsliberalen  Rechten. Christian Bouchet, ein alter Aktivist dieser Strömung  - der  jedoch aufgrund seiner Persönlichkeit und seines Estorik-Hobbys unter  seinen früheren Weggefährten eher isoliert ist – und Betreiber der Webpage "Vox NR", verteidigt so einerseits die Präsenz von Dieudonné bei der extremen Rechten: "Was seinen Abstecher in der Salle Equinox betrifft: Er hatte dort nichts zu gewinnen, er war dort und hat sich damit eher als Ehrenmann erwiesen als viele Ex-Nationale, die auf ihre weiße Hautfarbe stolz sind, aber sich durch ihre politische Anpassung kompromittiert haben." Andererseits fügt er im Hinblick auf die  Wahlabsichten hinzu: "...die Spießer der 'nationalen Rechten' reihen sich schon jetzt wie ein Mann hinter dem Zwerg aus Neuilly (Anm.: d.h. Nicolas Sarkozy) ein. (...) Gestern 'Nationalisten  für Le Pen' und morgen 'Nationalisten für Ségolène', das hat sehr wohl eine Logik: Jene der Kennzeichung des Feindes. Und man kann hoffen, dass etwas Positives dabei herauskommt, nämlich die Neugründung eines Front National, der von seinen reaktionären, liberalen und rechtsgerichteten Elementen  gesäubert ist, die sich im Augenblick durch ihre Wahlentscheidungen verraten."

Einer ähnlichen Logik folgend, möchte auch der rassenbiologische  Ideologe und Anführer des Zirkels Terre et peuple (Volk und  Erde), dessen Kennzeichen das Edelweib ist, Pierre Vial lieber zur Wahl der "sozialistischen" Kandidatin Ségolène Royal aufrufen. Dieser ehemalige FN- und spätere MNR-Kader hat die Partei Bruno Mégrets, den niedergehenden MNR (Mouvement national-républicain), schon Ende 2001 aufgrund dessen Tendenz  zum außenpolitischen Atlantizismus enttäuscht wieder verlassen. Nach dem 11. September hatte Mégret eine pro-US-amerikanische und  auch pro-israelische Wende in seiner internationalen Orientierung markiert (seine Truppe führte bei einer Demonstration in Paris die Fahnen beider Nationen mit), um alle Kräfte auf die Propagierung der These vom "Hauptfeind Islam" zu konzentrieren. Eine Ausrichtung, die nicht durch alle Kader seiner Partei geteilt wurde, und insbesondere bei Pierre Vial schon früh Brechreiz verursachte.

Allerdings teilen Mégret und Vial nach wie vor eine grundlegende ideologische Gemeinsamkeit: die Interpretation außenpolitischer Konstallationen nach "rassisch"-ethnischen Kriterien. Mégret vertrat im Herbst 2001 die Auffassung, die USA seien eine Nation (überwiegend) "europäischer Herkunft", die im  Krieg mit dem Islam, also mit barbarischen Dritte Welk-Völkern liege, und deshalb könne man getrost Partei ergreifen. Vial hingegen propagiert bzw. 'prognostiziert' den weltweiten "Rassenkrieg", lehnt aber eine Unterstützung für die USA als "Melting Pot-Nation" und Völkermischmasch sowie für Israel als jüdische Nation ab. Aus Vials Sicht sollte Europa die christlichen und jüdischen Bezüge aus seiner  Geschichte überwinden und an seine "wahren zivilisationellen Wurzeln" anknüpfen, also an die Kultur der keltischen und  germanischen heidnischen "Waldvölker" (die es ihm zufolge den "semitischen Wüstenvölkern", Juden und Arabern, auf die letztlich die Ursprünge aller drei monotheistischen Religionen zurückzuführen seien, entgegen zu setzen gilt).

Am 11. März 2007 saß Pierre Vial in Lyon – in dessen Nachbarstadt  Villeurbanne er noch immer (zur Zeit parteilos) im Kommunalparlament  sitzt – bei der Großveranstaltung Jean-Marie Le Pens mit auf der Tribüne.  Ähnlich wie der ebenfalls eingeladene Bruno Mégret und andere Vertreter rechtsextremer Strömungen, die zum Teil oder (inzwischen) ganz außerhalb des FN stehen, durfte er mit seiner Anwesenheit glänzen, hatte jedoch kein Rederecht. Allein Jean-Marie  Le Pen durfte sprechen. Neben Mégret und Vial waren auch der rechtsnationale Thatcherist Claude Reichmann von der nationalliberalen Gruppierung 'La Révolution bleue' sowie der katholische Fundamentalist Bernard Antony dorthin eingeladen  worden. Letztgenannter hatte aber die Anreise aus der Nähe von Toulouse, wo er residiert, bis nach Lyon verweigert, falls er dort kein Rederecht eingeräumt bekomme.

Die Ansammlung rechtsextremer Kader auf der Bühne sollte die Wiederannäherung zwischen den unterschiedlichen Strömungen der (ideologisch heterogenen) extremen Rechten symbolisieren. Dereinst, vor der Spaltung der Partei zum Jahreswechsel 1998/99, waren alle diese Strömungen innerhalb des FN versammelt gewesen. Dieses Jahr kam es zwar zu einer neuen Annäherung zwischen ihnen, aber keinesfalls zu einer organisatorischen "Wiedervereinigung". Und sogar die bloße Annäherung an die Mégret-Strömung wurde durch den Club der innerparteilichen "Modernisierer" um Marine Le Pen blockiert, da sie eine Stärkung der Altkader-Fraktion innerhalb ihrer Partei fürchten; Minute beklagt es in ihrer Auswertung der Wahl ausdrücklich und in relativ scharfen Worte, da dadurch wichtige Kräfte ungenutzt geblieben seien.

Zurück zur Frage der Positionierung vor dem zweiten Wahlgang. Pierre Vial, der also nun hinreichend vorgestellt sein dürfte, argumentierte dabei in ähnlicher Richtung wie der 'Nationalrevolutionär' Christian Bouchet. Originalton Vial: "Ich werde nicht so naiv sein zu vergessen, dass in der Umgebung Ségolène Royals Leute sitzen, die unsere Feinde sind wie Julien Dray (Anm.: sozialdemokratischer Funktionär, 1985 Mitgründer von SOS Racisme). Aber bei Sarkozy ist es noch schlimmer, auch Simone Veil ist eine Symbolfigur. (Anm.: Liberale Politikerin und jüdische Auschwitz-Überlebende, 1974 als Ministerin für die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in den ersten 10 Wochen verantwortlich und häufiges Ziel antisemitisch motivierter Attacken durch die extreme  Rechte, die sie oftmals eines "vorsätzlichen Genozids am französischen Volk mittels Abtreibung" bezeichnet; 2007 unterstützte Veil die Kandidatur Nicolas Sarkozys.) Zweifellos werden Wähler Jean-Marie Le  Pens im zweiten Wahlgang in die Falle gehen - einige sind schon im ersten Wahlgang hineingeflogen -, weil Sarkozy von der nationalen Identität  spricht und eine  Regierung mit  harter Hand  verspricht. Im Gegensatz zu den Hanswürsten der (bürgerlichen) Rechten wissen wir, die wir ein politisches Bewusstsein besitzen, dass Sarkozy der Mann der Anpassung Frankreichs an die Achse Washington-Tel Aviv ist. Wir wissen auch, und vor allem, dass er die 'positive Diskriminierung' für Minderheiten einführen will, das bedeutet - man muss  stets  daran erinnern -, dass er auf allen Gebieten Leuten den Vorzug einräumen will, die, egal was in ihren  Ausweispapieren steht, Eindringlinge sind und bleiben und auf gar keinen  Fall zu unserem Volk gehören können. Deshalb werde ich, ohne Zögern und Bedauern, für Ségolène Royal stimmen."

Dies ist selbstverständlich nicht der Ausdruck irgendeiner Form von politischer Zuneigung für die sozialdemokratische Kandidatin. Sondern hinter diesen Worten steht der pure Wunsch, den Graben zwischen der rechtsextremen "Bewegung" und der konservativen Rechten so tief wie möglich auszuheben. Tiefer jedenfalls, als Jean-Marie Le Pen dies offenkundig wünscht. Denn der Chef des FN hatte nicht nur die von  dieser Seite gewünschte provokatorische Wahlempfehlung für Royal abgelehnt, sondern auch in einem Interview mit der Gratistageszeitung  20 minutes vom 13. April 2007 erklärt: "Im Falle einer schweren nationalen Krise könnte der FN an  einer Regierung der nationalen Einheit  teilnehmen." Präziser wurde er in jenen Worten, die am selben Tag  durch die Pariser Abendzeitung Le Monde zitiert werden: "Er (Le Pen) öffnet  nichtsdestotrotz Türen, indem er erklärt, dass 'bei Themen wie der Schulpolitik, der Steuersenkung, oder der Rentenreform mögliche Gemeinsamkeiten und  Übereinstimmungen' zwischen UMP und FN bestünden. Obwohl er kurz zuvor gegen die 'europa- und zuwanderungsfanatischen Kandidaten' gewettert hatte.

Was die angesprochenen Punkte betrifft, so ließen sich bei einzelnen der angeschnittenen Themen im Wahlkampf tatsächlich Überscheidungen bis in die Wortwahl hinein feststellen. Beispielsweise die Bildungspolitik  betreffend: Infolge des 1968er Kulturbruchs, tönte Nicolas Sarkozy  am 29. April 2007 im Pariser Bercy-Palast, habe man überall "den Eindruck erweckt, dass der Schüler dem Lehrer ebenbürtig ist", man stelle keine Anforderungen mehr, Zensuren und Leistung seien entwertet. Diese Passage dürfte Jean-Marie Le Pen, dessen Schulkritik in eine ähnliche Richtung läuft, gefallen haben. Die Formulierung vom Schüler, den man auf dieselbe Stufe wie den Lehrer habe heben wollen – Sarkozy benutzte sie bereits zuvor während der Wahlkampagne -, taucht bei Le Pen fast wortgleich in seiner Wahlkampfrede in Paris vom 15. April 2007 auf.

Auch in ihrem Verhältnis zu Arbeit und Leistung nähern sich die Vorstellungen des UMP- und des FN-Kandidaten einander teilweise an. Beide treten für eine Verlängerung der Wochen- und der Lebensarbeitszeit, im Namen der "Selbstbestimmung der Arbeitenden" – die dadurch mehr Geld verdienen könnten -, und eine Aufhebung der gesetzlichen Obergrenze für die durchschnittliche jährliche Arbeitszeit ein. Arbeitsethos und Leistungsträgertum erscheinen bei beiden als positiv gesetzter Selbstzweck.

"Alles außer Sarkozy"

Jean-Marie Le Pen steht nicht so weit entfernt vom national-konservativen Flügel der bürgerlichen Rechten, wie dies insbesondere  für die "Nationalrevolutionäre" (französisch nationalistes-révolutionnaires) gilt. Dennoch tritt auch er aktuell gegen jegliche politische Unterstützung aus seinem Lager, erst für den konservativen Kandidaten, und jetzt für den frisch gewählten Präsidenten Nicolas Sarkozy ein. Sei es aufgrund der Verweigerung eines Bündnisses mit ihm seitens der konservativen Rechten, die ihn derzeit überhaupt nicht benötigt (und im Moment gar keinen Mehrheitsbeschaffer braucht), sei es auf tieferen Gründen.

Der Chef des FN ging dabei aber auch nicht gar so weit, wie manche Vertreter des 'nationalrevolutionären' Flügels von ihm gewünscht hätten bzw. gefordert haben. Beispielsweise der alte NR-Aktivist Michel Schneider, der in den 1980er Jahren zunächst dem FN angehörte und dort dem (selbst halb aus der nationalrevolutionären Ecke stammenden) Generalsekretär Jean-Pierre Stirbois nahe stand. Stirbois ist im November 1988 tödlich verunglückt. Nach einem Zwischenspiel als "Militärexperte", das einige undurchsichtige Kontakte in nachrichtendienstlichen Kreisen beinhaltete, tauchte Schneider zu Anfang der 1990er Jahre wieder auf und animierte eine Zeitschrift unter dem Titel Nationalisme et  République. Im vorigen Jahr nun machte der langjährige Aktivist, der sein Verhältnis zum Front National   als eine Art 'kritische Solidarität' definierte, erneut von  sich reden. Ab Herbst 2006 zog die von ihm begründete und unterhaltene Homepage toutsaufsarkozy.com ("Alles außer Sarkozy.com") die Aufmerksamkeit einiger aufmerksamer Nutzer des Internet und Kenner der extremen Rechten auf  sich. (Vgl. zum Hintergrund dieser Webpage auch den fundierten Artikel von Jean-Yves Camus, der als Gastbeitrag in Libération vom 21. 05. 2007 publiziert wurde.) Dort wiederholte er fortlaufend, dass Nicolas Sarkozy "die Unterwerfung Frankreichs unter das israelisch-amerikanische Imperium" und unter "die Achse des Hasses" repräsentiere.

Rund 48 Stunden vor der zweiten Runde der französischen Präsidentschaftswahl, am Freitag Nachmittag vor dem entscheidenden Wahlsonntag, kündigte die oben zitierte Homepage die Veröffentlichung eines Interviews mit Jean-Marie Le Pen für "diesen Freitag Abend" an. Darin, so benachrichtigte Michel Schneider seine (potenziellen) Leser/innen, informiere der Chef des Front National darüber, dass er "persönlich" zur Wahl Ségolène Royals gegen den konservativen Kandidaten schreiten werde. Doch das in Aussicht gestellte Interview erschien nie. Am Montag danach las man auf der Homepage an der fraglichen Stelle, es habe "aus diversen Gründen, und insbesondere, weil es nicht gegengelesen" (also nicht autorisiert) worden sei, nicht publiziert werden können. Das war eine faustdicke Lüge, und die ganze Sache war von Anfang an ein Fake gewesen: Das behauptete Interview hatte es nämlich in Wirklichkeit nie gegeben. Michel Schneider hielt sich übrigens am selben Ort auch nicht mit (nunmehr explizit vorgetragener) Kritik an Jean-Marie Le Pen zurück, und schrieb, der Chef des FN "hätte nicht nur für Ségolène Royal stimmen, sondern es seinen Wählern ankündigen" sollen. Dass er es nicht getan habe, sei ein "großer Verrat". Der Hintermann der Webpage hatte also, kurz vor der Wahl, lediglich die "moralische Autorität" Le Pens (aus der Sicht von Anhängern der extremen Rechten) nutzen wollen, um seine eigene Position zu propagieren.

Die Wochenzeitung 'Minute', die beharrlich an ihrer Scharnierrolle zwischen  dem FN und dem rechten Flügel von Sarkozys Regierungspartei UMP festhält, griff deshalb in ihrer Ausgabe vom 09. Mai die Webpage an. Unter der Überschrift "Das falsche Interview von Le Pen" kommentierte sie kurz und bündig, es gehöre "zu jenen Tiefschlägen, die die französischen Wahlkämpfe würzen, und an denen der jetzige übrigens eher arm war".

Vor den Parlamentswahlen: "Retraditionalisierung" des FN?

In die Parlamentswahlen vom 10. und 17. Juni möchte der FN nun mit einem "traditionelleren" Profil ziehen. Die Wahlkampfführung übernahm der FN-Generaldelegierte Bruno Gollnisch, der innerparteilich gegen die "Modernisierer" um die Cheftochter Marine Le Pen opponiert – nachdem Letztere mit der "strategischen Leitung" des Präsidentschaftswahlkampfs betraut worden war. Ersten Angaben zufolge möchte der FN dieses Mal vor allem "klassische" Themen bedienen und Wahlkampf für die "Inländerbevorzugung" (Préférence nationale) bei Arbeitsplätzen und Sozialleistungen, für eine erschwerte Einbürgerung von in Frankreich geborenen Zuwandererkindern, für die "Abschiebung straffälliger Einwanderer" und gegen einen türkischen EU-Beitritt machen. Marine Le Pen wird wie 2002 im früheren Bergbaurevier Pas-de-Calais antreten, in Lens, wo der FN die sozialen Unterklassen zu agitieren versucht.

Die Kehrseite der Medaille: Wenn die rechtsextreme Partei, wie vorauszusehen ist, bei den Parlamentswahlen erneut gebeutelt wird und - weil ihre Stammwähler in diesem Jahr "nützlich wählen" – Stimmen an die regierenden Konservativen verliert, dann werden beide innerparteilichen Lager gleichermaßen für die Niederlagen verantwortlich sein. Im Moment steht der Block der "Modernisierer" unter Marine Le Pen im Kreuzfeuer innerparteilicher Anklagen. Aber da der "traditionelle" Flügel um Gollnisch nun für die kommenden Wahlen im Juni das Ruder übernimmt, wird wieder Gleichstand hergestellt werden, und die Kritiken werden auf beide Strömungen verteilt sein.

Das verspricht spannende Aussichten für den nächsten Parteikongress, der auf den 17/18. November 2007 in Bordeaux angesetzt worden ist. Dort sollte ursprünglich die Nachfolgefrage geregelt werden – falls Jean-Marie Le Pen nicht nochmals für seine eigene Nachfolge antritt. Dies hat er am vorigen Donnerstag (24. Mai) explizit angekündigt. Und sogar eine Präsidentschaftskandidatur für 2012 nicht ausgeschlossen: In jenem Jahr sei immerhin der 600. Geburtstag der Nationalheiligen Jeanne d'Arc... Aber aufgeschobene Fragen sind dadurch nicht gelöst.

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>> Fotostrecke zum "Marsch für die Nationalheilige Jeanne d'Arc"

Anmerkungen:
(1) Freilich antwortete Jean-Marie Le Pen am 19. Dezember 2006 im Fernsehsender BFM rundheraus auf die Frage, was er an Dieudonné lustig finde, ob es dessen Antisemitismus sei: "Ja. Man muss über alles lachen dürfen. Die besten Judenwitze machen schließlich oft Juden selbst."
(2)
Bei Royals Grobveranstaltung am Abend des 1. Mai 2007 im Pariser Charléty-Stadion wurde er durch die Ordner hinausgeworfen.

hagalil.com 30-05-2007

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