Warum leugnet der
Iran den Holocaust?:
Anmerkungen zur Leugnerkonferenz in Teheran
Von Matthias Küntzel
Vor
einer Woche beendete Irans Präsident Ahmadinejad die Konferenz der
Holocaust-Leugner in Teheran. Es war schon eine obskure Parade, die hier
zusammengekommen war: Der ehemaligen Ku-Klux-Klan-Führer David Duke, die
durchgeknallten Anhänger der jüdischen Sekte Neturei Karta, deutsche
NPD-Funktionäre sowie die bekannte Galerie der Holocaustleugner. Frederick
Toeben hielt einen Vortrag unter dem Titel "Der Holocaust – Eine
Mörderwaffe" – offenbar war ihm Martin Walsers Wort von der "Auschwitzkeule"
nicht effektvoll genug, Robert Faurisson bezeichnete die Schoa als
"Lügengeschichte", seine Kollegin Veronika Clarke aus den USA erklärte: "Die
Juden haben in Auschwitz Geld verdient", ein Professor McNalley brachte
"Zauberer und Hexen" ins Spiel, an die zu glauben so lächerlich sei, wie den
Holocaust für ein Faktum zu halten, während der Belgier Leonardo Clerici in
seiner Kapazität als Muslim die folgende Erklärung abgab: "Ich glaube, dass
der Wert der Metaphysik höher ist, als der der Geschichte."[1]
Niemand hätte sich für diese Versammlung, wenn sie in irgendeiner
Hafenkneipe von Melbourne getagt hätte, interessiert. Sie gewann nur deshalb
Gewicht und historische Bedeutung, weil sie sich auf Einladung und in den
Räumen des iranischen Außenministerium abspielte - in den Räumen einer
Regierung, deren Land über die nach Saudi-Arabien größten Ölvorkommen und
die nach Russland größten Erdgasvorkommen der Welt verfügt, in Räumen, in
denen das oben Zitierte kein Gelächter, sondern andächtiges Kopfnicken und
Applaus hervorrief, in Räumen, deren Wände die Fotos von Leichen zeigen, die
die Aufschrift "Mythos" tragen, sowie Fotos von lachenden KZ-Überlebenden
mit der Aufschrift "Wahrheit".
Diese Leugner-Konferenz markiert eine Zäsur, weil hier erstmals die Führung
eines großen und wichtigen Landes die Leugnung der Schoa in das Zentrum
ihrer Außenpolitik gerückt hat. Und schon dies allein verändert die Welt.
Warum? Weil sich die Vereinten Nationen, die einst als Antwort auf die
Massaker des II. Weltkriegs gegründet wurden, mit dieser von Staats wegen
betriebenen Verhöhnung der gesamten zivilisierten Welt offenkundig abfinden.
Zwar bezeichnete der neue UN-Generalsekretär Ban Ki-moon die
Leugner-Konferenz als "unakzeptabel". Doch blieb seine Antwort auf die Frage
nach möglichen Konsequenzen schwach: "Ich bin bereit, mit der iranischen
Führung in einen Dialog einzutreten."[2]
Wie bitte? In einen Dialog darüber, ob es den Holocaust gab? Falls es in den
nächsten Wochen und Monaten bei dieser Haltung bleiben sollte, hätte sich
die Holocaust-Leugnung als immerhin mögliche Vergangenheitsbetrachtung
etabliert. Dann könnte sich z.B. Venezuela anschließen, dann könnte es
passieren, dass in absehbarer Zeit ein Drittel der Länder der Vereinten
Nationen das jüdische Leid im Zweiten Weltkrieg zum zionistischen
Hirngespinst erklärt.
Die Leugnerkonferenz von Teheran markiert aber nicht nur aufgrund ihres
staatlichen Charakters eine Zäsur, sondern auch wegen ihres Zwecks. Früher
wollten Holocaust-Leugner die Vergangenheit revidieren. Heute wollen sie
Zukunft gestalten, den nächsten Holocaust vorbereiten. Daran ließ Irans
Außenminister Manucher Mottaki in seiner Eröffnungsrede keinen Zweifel: Wenn
"die offizielle Version des Holocaust in Zweifel gezogen wird," so Mottaki,
dann muss auch "die Natur und Identität Israels" in Frage gestellt werden.[3]
Die Spezifik der Judenverfolgung im Kontext der allgemeinen
nationalsozialistischen Kriegsführung wird abgestritten, um ein zentrales
Motiv der Gründung Israels zu entwerten. Die Befassung mit Auschwitz wird
delegitimiert, um einen zweiten antijüdischen Genozid zu legitimieren. Wenn
es den Holocaust aber doch gegeben habe, so die Rhetorik Ahmadinejads, habe
Israel in Palästina erst recht nichts verloren. Das Ergebnis bleibt so oder
so gleich: Israel muss verschwinden.
Nur aus diesem Grund wertete der Iran die Delegation der jüdische Sekte
Neturei Karta, die den Holocaust nicht leugnet, derart auf: Weil sie die
Zerstörung Israels begrüßt. Diese Zielsetzung war der gemeinsame Nenner, der
die Teilnehmer dieser Konferenz miteinander verband. Ahmadinejad brachte ihn
in seinem Schlusswort auf den Punkt. "Die Existenzkurve des zionistischen
Regimes geht nach unten", erklärte er vor der Versammlung, "es stürzt bald
zusammen. .... Das zionistische Regime wird wegradiert und die Menschheit
befreit werden."[4]
>>
Weiter: Holocaust-Leugnung und Atomprogramm
Anmerkungen:
Die Zitate entstammen der bislang umfangreichsten Dokumentation der
Tagung, die von der Honestly Concerned Iran Forschung am 15. Dezember
2006 unter dem Titel " Die staatlich organisierte Teheraner
Hasspropagandakonferenz…." veröffentlicht wurde.
Evelyn Leopold, U.N.’s Ban denounces Iran on Holocaust, Israel, in:
Reuters, December 14, 2006.
Boris Kalnoky, Iran versammelt die Holocaust-Leugner, in: Die Welt, 12.
Dezember 2006.
Yigal Carmon, The Role of Holocaust Denial in the Ideology and Strategy
of The Iranian Regime, in: The Middle East Media Research Institute (MEMRI),
Inquiry and Analysis Series, No. 307, December 15, 2006.
|