Von Jörg Fischer
In der "Jüdischen
Allgemeinen Wochenzeitung" vom 24. August 2006 stellte Peter Nowak fest:
"Nun hat auch die Linkspartei ihren Nahost-Koflikt." Tatsächlich tut sich
die Linke – oder was dafür gehalten wird oder sich dafür hält – sehr schwer
mit dem Nahost-Konflikt und ihrem Verhältnis zu fundamental-islamistischen
Terroristengruppen. In der unbenannten PDS und in der WASG führte und führt
dies zu heftigen Kontroversen. Nun hat der Berliner Landesverband des
SPD-Nachwuchses eine bemerkenswerte Resolution veröffentlicht, die zu einem
wichtigen Diskussionsanstoß auch außerhalb der Organisation werden könnte.
Bislang dominierten im breit gefächerten Spektrum der Linken eher strikt
antizionistische Positionen, bis hin zu offenen Antisemitismen und einer
unverhohlenen Sympathie für islamistische Terrororganisationen, die ihr Ziel
in der Errichtung faschistoider Gottesstaaten und in der Vernichtung Israels
sehen. So riefen neben Gliederungen von PDS und WASG auch diverse
Kleingruppen zu von Islamisten dominierten "Friedensdemonstrationen" auf,
bei denen Teilnehmer nicht nur "Tod, Tod
Israel" skandierten und auch schon mal den "Hitlergruß" zeigten,
sondern an denen auch Holocaust-Leugner und bekennende Neonazis teilnahmen.
Zuletzt hatte Christine Buchholz, Mitglied des WASG-Bundesvorstandes und des
Bundesvorstandes der antisemitischen Politsekte "Linksruck" in einem
Interview mit der sich "links" darstellenden Tageszeitung "junge Welt" aus
ihrem anti-israelischen Herzen keine Mördergrube gemacht und Hisbollah und
die "internationale Antikriegsbewegung" als "Verbündete" bezeichnet und
hinzugefügt: "Das ist die Seite, auf der auch ich stehe." Auch für führende
Politiker der Linkspartei ist die Freund-Feind-Frage geklärt: Israel ist der
"Aggressor", die Hisbollah die "Widerstandsbewegung".
Am 18. August veröffentlichten nun die Berliner Jusos ein Grundsatzpapier
zur Thematik, das sich sehr deutlich von den einseitigen Parteiergreifung
zugunsten von Terrororganisationen unterscheidet und
Selbstverständlichkeiten betont. Bereits im ersten Abschnitt heißt es: "Die
Jusos Berlin machen anlässlich der Situation in Nahost und der darum
stattfindenden Debatte in der deutschen Öffentlichkeit mit Nachdruck
deutlich, dass das Existenzrecht Israels unabdingbar ist."
Es gehört wohl, gerade in Deutschland, zu den
beschämenden Notwendigkeiten, eine solche selbstverständliche Positionierung
festzuschreiben. Die Autoren fahren mit einer weiteren, eigentlich allgemein
bekannt sein sollenden Tatsache fort, die freilich von vielen "linken"
Freunden der angeblichen "Widerstandsbewegung" nur zu gerne verdrängt wird:
"Erklärtes Ziel der Hisbollah im Libanon und der Hamas im Gazastreifen
und im Westjordanland ist es, Israel zu zerstören. Dabei richtet sich der
Hass nicht allein auf die Politik des Staates Israel, sondern auf Jüdinnen
und Juden im Allgemeinen. Der militante Islamismus propagiert und
vollstreckt einen eliminatorischen Antisemitismus. Israels Aktionen sind
nicht darauf gerichtet, den Libanon oder ganze Gebiete der
PalästinenserInnen zu zerstören, sondern die friedliche Existenz des eigenen
Staates zu sichern."
Zum konkreten Konflikt
im Libanon stellte der Juso-Landesverband in seiner Positionieren zunächst
fest, daß er nicht einzelne Kriegshandlungen beurteilt, sie gut heißt,
relativiert oder verurteilt. Er betont weiter, daß völkerrechtliche und
rechtsstaatliche Grundsätze einzuhalten sind und das Opfer auf beiden Seiten
zutiefst zu bedauern sind. Allerdings verliert er dabei nicht die realen
Gegebenheiten aus den Augen oder versucht sie, ideologisch bedingt
umzulügen: "Wir meinen allerdings auch, dass auch in der öffentlichen
Wahrnehmung nicht außer Acht gelassen werden darf, was die Motive sind, aus
denen heraus die beiden Seiten agieren und nach denen sich auch deren
konkrete Handlungen ausrichten. Israel versucht, die Infrastruktur, so diese
für Hisbollah von Relevanz ist, zu zerstören und dabei die libanesische
Zivilbevölkerung durch Flugblätter und Radiosendungen zu warnen. Die
Hisbollah agiert mit Raketen, die explizit auf die israelische Bevölkerung
gerichtet sind, und möglichst viele umbringen sollen."
Auch ein weiterer,
nicht minder wichtiger Aspekt, der gerne von nicht wenigen
"Friedensbewegten" ignoriert wird, wird in dem Papier auf den Punkt
gebracht: "Israel ist die einzige gefestigte Demokratie in dieser Region
und verdient folglich nicht nur aus historisch-spezifischen, sondern aus
politischen Gründen unsere volle Unterstützung. Was militante IslamistInnen
z.B. zum Verhältnis von Männern und Frauen oder zum Umgang mit
Homosexualität fordern, ist bekannt und kann für Linke wie für alle
DemokratInnen in keinerlei Weise ein positiver Bezugspunkt sein. Die
Demokratisierungsbestrebungen in den Nachbarländern Israels müssen deshalb
von der Weltgemeinschaft noch mehr als bisher mit entsprechenden Programmen
zu Förderung von Bildung, Gesundheit etc. und mit Entwicklungshilfemaßnahmen
unterstützt werden."
Natürlich bleibt die Frage, ob es sich bei dieser Erklärung "nur" um die
Stellungnahme eines Landesverbandes der SPD-Jugendorganisation handelt und
ob diese Position innerhalb des Bundesverbandes und innerhalb der
Mutterpartei mehrheitsfähig ist oder eine Minderheitenmeinung darstellt.
Selbstkritisch bilanzieret das Papier: "In diesem
Kontext nehmen wir die Einseitigkeit, die teilweise in der deutschen
Öffentlichkeit und auch gerade in Teilen der SPD in diesem Konflikt
vorherrscht, als gefährlich wahr." Tatsächlich hatten sich führende
SPD-Politiker, wie etwa die derzeitige Bundesministerin Heidemarie
Wizcorek-Zeul, eher durch irritierende und unqualifizierte Bemerkungen zum
Konflikt im Libanon hervor getan. Es wird abzuwarten bleiben, ob diese
Positionierung verhallen wird oder ob sie einen Diskussionsprozess in der
bundesdeutschen Sozialdemokratie, und vielleicht sogar darüber hinaus in der
viel gefächerten Linken, auslösen wird.
Der vollständige Text des Papiers der Berliner Jusos