Immer wieder behauptete Unwahrheiten werden nicht zu Wahrheiten, sondern,
was schlimmer ist, zu Gewohnheiten.
Oliver Hassencamp
Schlampiger Akademiker:
Die
Phantasien eines "Nahostexperten"
Von Karl Pfeifer
"Nahostexperten" haben – wann immer es zu einer Krise kommt –
Konjunktur. Manches, was da im Radio und im Fernsehen gesagt wird, hält
nicht einen Tag. Aber in Tageszeitungen publizierte Texte bleiben im Archiv
und man liest immer wieder voll Erstaunen solche Augenauswischerei und fragt
sich, wie kommt es, dass Dr. John Bunzl (JB), der an zwei österreichischen
Universitäten Politikwissenschaften lehrt, derartig schlampig mit Realität
und Geschichte umgeht.
Bereits am 23. Juli habe ich mich mit dem in der "Presse" am 22.7.06
erschienenen Artikel von J.B. Der Weg nach Beirut" von auseinandergesetzt.
http://www.hagalil.com/archiv/2006/07/bunzl.htm
Er schrieb:
"Ähnlich wie in Palästina scheint Israel dem Libanon zu bedeuten: Wenn
ihr nicht mit den "Terroristen" fertig werdet, dann werden wir es selber
tun."
J.B. setzte das Wort Terroristen ironisch unter Anführungszeichen, um zum
Ausdruck zu bringen, dass seiner Meinung nach Hizb Allah und Hamas keine
Terroristen sind.
Ganz
anders ging J.B. in einem im Standard am 2. August 2006 publizierten
Leserbrief vor, in dem er wiederum die Hizb Allah in Schutz nimmt: "Stellen
wir uns einmal vor, die britische Mandatsmacht hätte am 29. Juni 1945
("Schwarzer Sabbath") Kibbuzim wie Kfar Giladi oder Jagur samt ihren
Bewohnern mit der Begründung zerstört, dass dort die Terroristen von Haganah
und Palmach (jüdische Untergrundorganisationen) ihre Waffen unter der
Zivilbevölkerung versteckt hätten."
Das ist ein
Meisterstück an Rabulistik. John Bunzl vergleicht Äpfel nicht mit Birnen,
sondern mit einer giftigen Scheinfrucht.
Hagana und Palmach versteckten leichte Waffen zur Selbstverteidigung in
Dörfern und Städten, Hizb Allah versteckt nicht nur Raketen und schwere
Waffen in zivilen Wohngebieten, sondern feuert von den Dächern von
Wohnhäusern, Kindergärten u.ä.m. in ein anderes Land. Doch während J.B.
anzweifelt, dass Hizb Allah Terroristen sind, beschuldigt er explizit
Haganah und Palmach "Terroristen" gewesen zu sein. J.B spekuliert mit der
Uninformiertheit der meisten Leser, die doch irgendwann mal von Ezel und
Lechi (Irgun, Sternbande) gehört haben, die tatsächlich Terroristen waren.
Schauen wir uns also die Unterschiede zwischen Hizb Allah und Hagana und
Palmach an.
Tatsächlich haben Hagana und Palmach ihre Waffen in Dörfern und Städten
versteckt, jedoch niemals diese leichten Waffen benutzt, um Briten zu
ermorden. Hier zitiere ich drei des Zionismus oder der Freundlichkeit
gegenüber dem Zionismus unverdächtigte Quellen:
Gudrun Krämer in Geschichte Palästinas (becksche Reihe, 2002, dritte
Auflage) "Da die Vichy-Regierung in Damaskus deutschen Flugzeugen auf dem
Weg in den Irak die Landeerlaubnis erteilt hatte, marschierten britische
Truppen, unterstützt von Einheiten des Freien Frankreich ... und kleineren
Verbänden der Hagana (beteiligt waren unter anderem Yitzchak Rabin, Yigal
Allon und Moshe Dayan, der bei dem Einsatz ein Auge verlor) im Mai 1941 von
Palästina aus in Syrien und Libanon ein..." S. 348.
Im
Mai 1941 organisierte sie [die Hagana] im Angesicht eines drohenden
deutschen Vormarschs auf Palästina sog. Sturmtruppen [plugot machatz, kurz
Palmach], die, mit britischer Hilfe ausgebildet und ausgerüstet, den Kern
eines stehenden jüdischen Heeres bildeten. 1944 legte die Palmach in
Untergaliläa ihr erstes Wehrdorf an." S. 353
Der
ehemalige Antizionist Nathan Weinstock, der seine Meinung über Israel
geändert hat und versucht hat, die Verbreitung seines 1975 bei Wagenbach
erschienenen Buches "Das Ende Israels" zu verbieten, berichtet, dass nach
dem schwarzen Sabbath die Briten, "die gefangenen zionistischen Führer frei"
ließen und "sogar die Verstärkung der Jewish Settlement Police, der
legalen Deckorganisation des Palmach" befürworteten. (S. 191)
Der
britische Journalist Nicholas Bethell schreibt in seinem 1979 bei
Propyläen erschienenen Das Palästina Dreieck / Juden und Araber im Kampf
um das britische Mandat 1935 bis 1948: von Robert Scott, einem leitenden
politischen Beamten des britischen Hochkommissars, der in einem Bericht von
den ungefähr hunderttausend Männer und Frauen der Hagana berichtete, und
meinte, die Hagana, habe sich nicht zu "gemeinen und mörderischen
Terrorismus" herabgelassen. (S. 130)
Das
wesentlich aber ist, Hagana und Palmach setzten sich nie zum Ziel
Großbritannien oder die Araber Palästinas zu vernichten.
Und
nun zur Hizb Allah. Es mangelt hier der Platz, um alle von Hizb Allah
vollbrachten Morde aufzureihen, hier nur einer. William Higgins,
Oberleutnant der amerikanischen Marineinfanterie, tat seinen Dienst bei der
Waffenstillstands-Überwachungsmission der UNO. Er wurde 1989 von Hizb
Allah Terroristen entführt und später erhängt.
Hizb
Allah hat während der achtziger und neunziger Jahre eine Reihe von
westlichen Zivilisten entführt, so z.B. den Sonderbeauftragten des
Erzbischofs von Canterbury Terry Waite, den sie von 1984 bis 1992 gefangen
hielten.
Hussein Mussawi, der frühere Chef der Hizb Allah im Libanon, der im Jahre
1992 durch einen israelischen Hubschrauberangriff zu Tode kam, bemerkte:
"Wir kämpfen nicht, damit unser Feind uns anerkennt und uns etwas anbietet.
Wir kämpfen, um den Feind aus dem Weg zu räumen." (Zitiert bei Amir Taheri,
Morden für Allah, Terrorismus im Auftrag der Mullahs, München: Knaur,
1993 S. 3 f )
Der
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2003
bringt es auf den Punkt: "Die libanesische ‚Hizb Allah’ (Partei Gottes) hat
sich unter anderem die Zerstörung des Staates Israel und die >>Herrschaft
des Islam<< über Jerusalem zum Ziel gesetzt. Sie stellt damit eine Bedrohung
für den Norden Israels dar. Seit Jahren ist sie für Terroranschläge in
dieser Region verantwortlich." (S. 215)
Der
Politikwissenschaftler Dr. John Bunzl gibt folgendes von sich: "Nur ein
blinder Ethnozentrismus kann zu dem Ergebnis führen, dass eine vergleichbare
Tat im einen Fall als Kriegsverbrechen, im anderen jedoch als legitime
Selbstverteidigung gilt."
Hagana und Palmach
haben tatsächlich Waffen in Wohngebieten versteckt, die zur Zeit des
britischen Mandats nur zur Selbstverteidigung benützt wurden. Die Hizb Allah
hingegen versteckt Raketen, die mit Absicht auf zivile Bevölkerung
abgeschossen werden. Was nach dem Kriegsrecht als Kriegsverbrechen gilt.
Wenn Israel darauf hinweist, dann hat das nichts mit dem von J.B.
phantasierten Ethnozentrismus, sondern mit den konkreten Taten der Hizb
Allah zu tun, die seit dem Israel im Mai 2000 den Südlibanon geräumt hat,
nicht aufgehört hat, Zwischenfälle zu provozieren. So hat der
UNO-Sicherheitsrat am 23. November 2005 Hizb Allah verurteilt, und seine
"tiefe Besorgnis" über die "Akte des Hasses" von Hizb Allah ausgedrückt, und
die libanesische Regierung gedrängt, Ordnung an der südlichen Grenze
herzustellen und zu verhindern, dass die Hizb Allah von dort operiert. Der
Sicherheitsratsbeschluss stellte fest, dass die Zusammenstösse zwei Tage
zuvor "von der Hizb Allah von der libanesischen Seite initiierte wurden, die
dann schnell entlang der blauen Linie sich ausbreiteten".
Bunzl erklärt dann:
"Die Ursachen für diesen Ethnozentrismus dürften im kolonialen
Unilateralismus, aber auch in einer spezifischen Verarbeitung vergangener
Traumata liegen."
Das bedeutet J.B. rügt
Israel, weil es den Südlibanon einseitig geräumt, ohne mit der Hizb Allah –
die Israel vernichten will – Verhandlungen zu führen. In seinen Augen ist
dies schlimmster Ethnozentrismus und schmeckt nach "kolonialen
Unilateralismus", doch das wesentliche ist laut Dr. John Bunzl, die
spezifische "Verarbeitung vergangener Traumata". D.h. er verbindet die
Aktion des Staates Israel, um seine Bürger zu verteidigen, mit der Schoa.
Und er zitiert zustimmend auch ein entsprechendes Zitat des Spiegels, aus
dem Jahr 1982, "wie der eisige Irrsinn der Judenvernichtung den
Überlebenden jede Möglichkeit genommen hat, das Geschehen rational zu
bewältigen, und wie die Politik Israels, von der Reaktion auf diesen Irrsinn
beherrscht, selber ins Irrationale ausschlagen muss ... was zur grausigsten
aller grausigen Ironien dieses Jahrhunderts zu werden droht, dass der
weiterwirkende Schrecken der Judenverfolgung Israel selber zum Schrecken
seiner Mitwelt macht."
Was will uns damit
J.B. sagen? Wenn die Juden sich nur ein Beispiel an den Palästinensern
genommen, die Überlebenden der Shoa und ihre Nachkommen bis heute in Lagern
von der UNO hätten ernähren lassen, wenn sie den Deutschen und Österreichern
ewige Rache geschworen hätten und versucht hätten Deutschland und Österreich
mit Terror zu überziehen, dann hätten sie "das Geschehen rational"
bewältigt?
Die
Nazis sagten die Juden sind selbst schuld am Judenhass. J.B. sagt uns –
nicht zum ersten Mal – an der Tatsache, dass einige Nachbarn die Existenz
Israels nicht anerkennen wollen, dass sie sich die Vernichtung des jüdischen
und demokratischen Staates zum Ziel gesetzt haben, ist Israel schuld und
wenn es sich wehrt, dann macht es sich selber "zum Schrecken seiner
Mitwelt".
Folgt
man diesem Gedankengang Dr. John Bunzls, dann bringt man Verständnis auf,
wenn jetzt nicht mehr mit vorgehaltener Hand gesagt wird, dass "die Juden –
pardon in feiner Diktion heißt das jetzt die "Zionisten" – nicht besser sind
als die deutschen und österreichischen Nazi, die ja wirklich zum Schrecken
ihrer Mitwelt wurden. Das nennt man Täter-Opfer Umkehr. |