Kundgebungen gegen Ahmadinedjad:
Vergeblicher Protest?
Ein Interview mit Sacha Stawski, dem
Vorsitzenden von Honestly Concerned e.V., der während der WM drei
Protestkundgebungen gegen Irans Regierung organisierte.
Von Jörg Fischer
In Nürnberg, Frankfurt am Main und Leipzig fanden die
WM-Spiele der iranischen Nationalelf statt. Vor den Stadien gab es jeweils
Demonstrationen gegen Irans Staatschef Ahmadinedschad. Ist nach Irans WM-Aus
alles vorbei?
Herr Stawski, Irans Nationalelf ist bereits in der
Vorrunde aus der Fußball-WM ausgeschieden. Sind Sie froh darüber?
Nein, warum sollte ich? Unsere Protestkundgebungen haben sich niemals gegen
die iranische Fußballmannschaft, oder gegen das iranische Volk gerichtet. Im
Gegenteil, wir sind solidarisch mit den Iranerinnen und Iranern, die unter
dem Regime leiden oder ins Exil flüchten mußten.
Aber zu jedem der drei WM-Spiele der iranischen WM gab es
Protestkundgebungen, jedes Spiel mehr des iranischen Teams hätte Ihnen noch
mehr Aufmerksamkeit verschafft...
Richtig, tatsächlich haben wir vor jedem der drei Spiele Protestaktionen
gegen den Iranischen Präsidenten und gegen sein Mullah-Regime organisiert.
Diese Proteste waren aber so koordiniert, daß sie in keinster Weise mit dem
Spiel oder den Spielern kollidiert sind. Unsere friedlichen Proteste sollten
lediglich ein Zeichen setzen. Deshalb haben wir zum einen vor den Stadien
Sonnenschutzkappen und Fahnen verteilt und in den Innenstädten die
Kundgebungen organisiert. Immer stand der Aufruf zum Frieden im Vordergrund.
Dies haben wir nicht zuletzt mit unserem Protestlogo – der Israelischen
Fahne kombiniert mit einer Friedentaube und einem Fußball klar
unterstrichen. Jeder der Redner bei allen drei Kundgebungen hat dies auch
immer wieder unterstrichen, inkl. der großen Anzahl an Exiliranern, die sich
an den Kundgebungen beteiligt haben.
Hätten man nicht Sport und Politik trennen sollen?
Selbstverständlich hätte man das tun sollen. Tatsächlich haben wir u.a.
gegen den Mißbrauch einer Weltmeisterschaft protestiert, die spätestens
durch die Einreise des Iranischen Vizepräsidenten zum Politikum gemacht
wurde. Auch bleibt festzustellen, daß nicht wir es waren, die den Sport zum
Politikum gemacht haben. Nicht wir waren diejenigen, die während einem
Freundschaft Spiel von Bayern München in Teheran während der
Live-Ausstrahlung ständig politische Nachrichten im Fernsehen eingeblendet
haben. Genausowenig waren wir diejenigen die darauf beharrt haben einen
führenden Repräsentanten eines Regimes, daß wiederholt den Holocaust
geleugnet hat, Israel von der Landkarte tilgen will, zur Judenvernichtung
aufruft, Terror finanziert, am Aufbau atomarer Bedrohung arbeitet und die
gesamte zivilisierte westliche Welt bedroht und verhöhnt Gastfreundschaft zu
gewähren.
An den drei Kundgebungen haben sich ungefähr 3.300 Menschen beteiligt.
Sind Sie zufrieden damit?
Jein. Jede der drei Kundgebungen für sich war sehr gelungen. Die Nürnberger
Demo wurde sehr stark von jüdischer Seite unterstützt, mit ca. 10 Bussen aus
dem gesamten Bundesgebiet. Das an sich war eine große Leistung. Wenn man
dann noch bedenkt, daß es uns gelungen ist Claudia Roth zusammen mit Günther
Beckstein auf ein Podium zu bringen, dann kann man dies ebenfalls als Erfolg
ansehen. Genauso hatte Frankfurt seinen besonderen Charme, mit einer
besonders großen Anzahl an Exiliranern – sowohl Demokraten, wie auch
Schahanhängern – die gemeinsam mit einer relativ hohen Anzahl an Christen
und einigen Juden, bei 40 Grad Hitze einstimmig zu den Reden applaudierten
und anschließend Hora tanzten. Das besonders breite gefächerte Bündnis an
Unterstützern war besonders hervorhebenswert in Frankfurt, i.B. da an einem
Shabbat Nachmittag relativ wenige jüdische Teilnehmer bei der Kundgebung zu
erwarten waren. Leipzig, das im Vorhinein als "besonders schwieriges
Pflaster" galt, war die Überraschung schlechthin. Bei 30 Grad brühender
Hitze an einem Mittwoch nachmittag war es uns gelungen ca. 500 Demonstranten
auf die Straße zu bringen. Das war weit mehr als erwartet. Wenn man all
diese Zahlen aber in Relation zu den Hunderttausenden vergleicht, die
derzeit die WM Erfolge der Deutschen Mannschaft feiern, dann bleibt ein
übler Nachgeschmack. Da es tatsächlich nicht nur Israel ist, das von dem
iranischen Regime bedroht und verhöhnt wird, sondern die gesamte
zivilisierte westliche Welt, ist es traurig, daß nicht mehr Menschen dazu
beigetragen haben Ahmadinedschad und seinem Regime die "Rote Karte" zu
zeigen.
Wie waren die Reaktionen, etwa von Passanten?
Sehr unterschiedlich. Insgesamt aber besser als erwartet. Es gab nur wenige
politische Diskussionen, die ich mitbekommen habe. Einige wenige sahen sich
genötigt ihre Meinung über die Verteidigungsmaßnahmen der Israelischen Armee
kundzutun. Einige andere meinten über die Anzahl der getöteten Juden während
des Holocausts diskutieren zu müssen – dies ist auch das Hauptthema von
Briefen und Emails, die uns seit Beginn der Protestaktionen erreichen.
Wiederum einige andere beschuldigten uns keine "guten Gastgeber" zu sein.
Letztere ließen sich aber zumeist davon überzeugen, daß sich unser Protest
weder gegen die WM, noch gegen die Iranische Mannschaft richtete. Dies waren
aber alles Ausnahmen.
Wie waren Sie mit dem Echo in den Medien zufrieden?
Sehr. Die internationale Berichterstattung war fantastisch, bis hin zu dem
Punkt, daß sich der iranische Außenamtssprecher dazu genötigt sah sich vor
Journalisten zu den "mißlungen" Protesten der "zionistische Lobby in
Deutschland" zu äußern. Das einzig bedauernswerte war, daß die Polizei
sowohl in Frankfurt wie auch in Leipzig gänzlich falsche Angaben bezüglich
der Teilnehmerzahlen an die Medien weitergegeben hatte. In beiden Städten
hatten manuelle Nachzählungen ergeben, daß ca. doppelt so viele Personen
anwesend waren, wie von der Polizei behauptet wurde.
Gab es auch Schwierigkeiten, Störungen?
Keine Nennenswerten. In Frankfurt wurden zwei Neonazis frühzeitig von der
Polizei auf der Freßgasse abgefangen. Und vier neonazistischen Störenfriede
mit iranischer Fahne in Leipzig ließen sich innerhalb weniger Minuten
davonscheuchen.
Der iranische Vizepräsident war bei den Fußballspielen seiner Elf dabei
und schien von den Protesten unbeeindruckt gewesen zu sein.
Unbeeindruckt hin oder her, Herr Aliabadi mag zwar bei den Spielen anwesend
gewesen sein, wurde aber zumindest von Politikern links liegen gelassen.
Auch wenn man ihn leider nicht offiziell zur "Persona non grata" erklärt
hatte, was das absolute Minimum gewesen wäre, so war er dies aber de facto
dennoch.
Blieben ihre Aktionen auf die drei Protestkundgebungen beschränkt oder
gab es auch Aktionen vor oder in den Fußballstadien?
Unsere Protestaktionen begannen mit einer Unterschriftensammlung gegen die
Einreise Ahmadinedschads nach Deutschland, die von ca. 4.000 Personen
unterstützt wurde. Diese wurde gefolgt von einer Anzeigenkampagne (jeweils
¼-seitige Anzeigen in der Jüdischen Allgemeinen, Frankfurter Allgemeinen
Zeitung, Frankfurter Rundschau und Nürnberger Zeitung), die wiederum von
einigen prominenten Personen und Organisationen unterstützt wurden. Dann gab
es die Protestkundgebungen in den Innenstädten der drei Spielorte, sowie das
Verteilen von speziell bedruckten Sonnenschutzkappen, Fahnen und
Flugblättern vor den drei Stadien. Zudem hatten wir zumindest in Nürnberg
und Leipzig Freunde, die Karten für die jeweiligen Spiele hatten und in den
Stadien das ganze Spiel über ihre Israelfahnen hoch gehalten haben. Zu guter
letzt haben wir rechtzeitig vor dem letzten Iran Spiel eine animierte
Internet Karikatur auf unserer Website zur Verfügung gestellt, um mit
(ernstem) Humor auf die vom Iran ausgehende atomare Bedrohung aufmerksam zu
machen.
Ihre Kundgebungen wandten sich auch gegen neonazistische Unterstützer des
iranischen Mullah-Regime. Haben wir es hier mit einer neuen Qualität im
internationalen Antisemitismus zu tun?
Meine Sorge gilt nicht den paar Glatzen, die hier meinen einen neuen
"Führer" gefunden zu haben. Meine Sorge gilt dem sich immer weiter
ausbreitenden Antisemitismus, i.B. dem islamischen Antisemitismus.
Welche Bedeutung hat der iranische Präsident ihrer Meinung nach für die
deutsche Neonazi-Szene?
Er gilt als die neue Idolfigur der Rechtsextremen und Neonazis, was
selbstverständlich zu bekämpfen ist. Noch wichtiger aber ist es der
Bevölkerung allgemein die Gefahren näher zu bringen, die von diesem Regime
für die gesamte westliche Lebensweise ausgehen. Viele zu viele denken noch
immer, daß Ahmadinedschad es nur auf Israel abgesehen habe. Tatsächlich aber
verfügt der Iran schon heute über Raketen, die Europa in ein Inferno
verwandeln können.
Ihre Kundgebungen wurden aber auch von anderen kritisiert. In der eher
linken Tageszeitung "Junge Welt" wurde etwa den TeilnehmerInnen der
Kundgebung in Nürnberg vorgeworfen, sie wüßten gar nicht, wie die Situation
im Iran ist.
Über den Wissensstand einzelner Teilnehmer der Kundgebung mag ich mich nicht
äußern. Tatsächlich aber machten wir bereits in unserem Protestaufruf auf
die Menschenrechtsverletzungen des Mullah Regimes aufmerksam. Nicht zuletzt
durch die Redner auf den drei Podien, wie aber auch durch die immer wieder
anwesenden Exiliraner wurde immer wieder über die Gewalt, Unterdrückung und
die Armut der Bevölkerung im Iran gesprochen. Hierbei kamen genauso die
Unterdrückung von Frauen, wie die öffentliche Hinrichtung von Homosexuellen,
die Verfolgung politisch Andersdenkender, usw. zur Sprache.
Die Kundgebungen sind vorbei, der Iran ist ausgeschieden. Wie geht es nun
weiter?
Solange die vom Iran ausgehende Gefahr bleibt, werden wir nicht aufhören
nach neuen Wegen zu suchen, um den Menschen klarzumachen, daß Europas
Demokratie, Freiheit und Frieden in Israel verteidigt werden.
©
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de - 29.6.2006
Iran-WM-Spiel in Frankfurt:
1.500
demonstrieren gegen Antisemitismus
Mehr als 1.500 Menschen haben am Samstag in der
Frankfurter Innenstadt an einer Protestdemonstration unter dem Motto "Keine
Gastfreundschaft für Volksverhetzer – Solidarität mit Israel" beteiligt.
Anlass war das heutige Fußballspiel der iranischen Elf gegen Portugal...
Protestkundgebungen:
Keine
Gastfreundschaft für Volksverhetzer!
Solidarität mit Israel – gegen Ahmadinedjad und seine deutschen
Neonazi-Freunde, Protestkundgebungen am 11., 17., 21. Juni...
Vor dem ersten WM-Spiel der iranischen Mannschaft
in Deutschland:
Demo in Nürnberg stieß auf großes Echo bei Bürgern und den
Medien
Gemeinsamer Auftritt von Beckstein, Roth und
Michel Friedman...
hagalil.com 02-07-2006 |