Ein Leitartikel in Jedioth achronoth fragt, was die Anführer der
Hizbollah überhaupt dazu brachte, Israel derart zu provozieren
Der Libanon durchlebte gerade einen wichtigen Prozess der
Demokratisierung und Liberalisierung. Diese Vorgänge drohten, die Hizbollah
in eine Ecke zu drängen.
Israel hat nicht um den Krieg im Libanon gebeten und hat keinen Grund
gesucht, um damit anzufangen. Hätte die Hizbollah nicht zwei Soldaten
entführt und weitere 8 getötet, wäre die Grenze im Norden jetzt ruhig. Von
beiden Seiten. Die Landwirte im Tal des Libanon würden ihre Felder
bearbeiten und die Ortschaften im Oberen Galil würden ihre Fremdenzimmer
vermieten.
Jetzt brennt die ganze Region, und die Schuld für das Feuer liegt einzig
und allein bei der Hizbollah. Demzufolge machte sich bei uns die Annahme
Flügel, dass "die Hizbollah von der Reaktion der IDF überrascht wurde". Sie
wird vom Premier, vom Verteidigungs- und anderen Ministern und Sprechern des
Sicherheitsapparats geäußert. Diese Überraschungs-Theorie geht davon aus,
dass die andere Seite, das heißt die Hizbollah, dumm ist und die Spielregeln
des Krieges gegenüber Israel nicht versteht.
Diese Annahme ist völlig unbegründet im Verhalten der Hizbollah in der
nahen und entfernten Vergangenheit. Mehr noch: Auch wenn wir annehmen, dass
die Hizbollah vom ersten Gegenschlag der Luftwaffe überrascht wurde, gibt es
keine Antwort dafür, warum sie mit einer langen Reihe von schwerwiegenden
Provokationen fort fuhr, inklusive des Raketenbeschusses von eindeutig
städtischen Gebieten wie Haifa oder Tiberias. So ein Beschuss bedeutet, eine
gezielte und geplante Provokation, und wer weiß so etwas besser als die
Hizbollah.
Was hat also die Anführer der Hizbollah dazu gebracht, Israel zu provozieren
und die folgenden Gegenschläge, Bombardierungen, Zerstörung und Tod
praktisch zu bestellen? Die Antwort muss man in der sich ändernden
libanesischen Realität suchen und im Charakter der Hizbollah, einer
revolutionären, fanatischen Terrororganisation.
Der Libanon durchlebt gerade beschleunigte Demokratisierungsprozesse,
wirtschaftliche und soziale Liberalisierung einer verstärkten Öffnung
gegenüber dem Westen. Diese Vorgänge drohten, die Hizbollah in eine Ecke zu
drängen, ihre Botschaft zu dämpfen, ihren festen Zugriff auf die Herzen der
schiitischen Bevölkerung aus dem Gleichgewicht zu bringen und den
Enthusiasmus des revolutionären Terrors in den eigenen Reihen abzukühlen.
Ein stabiler gutbürgerlicher Libanon, florierend und heranwachsend, ein
Libanon, der Investoren und Touristen anzieht, ist genau das Gegenteil des
Libanon, an dem die Hizbollah interessiert ist. Das ist der Libanon, vor dem
die Hizbollah Angst hat.
Eine revolutionär-terroristische Organisation ist in schwachen Ländern
stark, und in starken Ländern schwach. Denn was hat er Bürgern zu bieten,
die ein gutes Leben wollen, eine Karriere und eine Rente für die alten Tage?
Diese Art von Bestreben gefährdet die Existenz selbst einer Organisation wie
der Hizbollah, die nur in einer Umgebung erblüht, in der es Konfrontationen,
Kriege und Zerstörung gibt. Und sie wird alles dazu tun, um solch eine
Umgebung zu erzeugen.
Die Hizbollah ist daher überhaupt nicht von dem Ausmaß der israelischen
Reaktion überrascht worden. Ganz im Gegenteil: Als die erste Reaktion
relativ zurückhaltend war und eine Öffnung für einen schnellen Abschluss der
Konfrontation offen hielt, hat die Hizbollah Schritte eingeleitet, von denen
sie wusste, dass sie Israel zwingen würden, mit aller Kraft zu reagieren.
Aus dieser Analyse - und nicht aus den kindischen Aussagen im Stil "Zeigen
wir's ihnen" - muss man die strategischen Ziele der Kämpfe im norden
ableiten. Das oberste Ziel kann einfach und klar formuliert werden: Israel
muss als Gegenleistung für jede Art von Waffenstillstand die Erschaffung
einer Lage fordern, in der die Hizbollah nicht nur Israel, sondern auch den
Libanon nicht mehr bedrohen kann. Mit Abschluss der Kämpfe muss den
Anführern der Hizbollah (die noch am Leben geblieben sind) klar geworden
sein, dass sie die großen Verlierer sind.
Das ist kein einfach zu erreichendes Ziel. Die bürgerliche Revolution im
Libanon ist noch jung, der wirtschaftliche Aufschwung nicht gesichert, der
Mittelstand beginnt erst, an Macht zu gewinnen, und der düstere Zauber der
Hizbollah zieht noch viele in seinen Bann. Die Niederlage der Hizbollah muss
daher vollständig und absolut sein.Aber das Ergebnis darf nicht die
Nebenerscheinung haben, dass die Regierung des Libanon unterwürfig und
erniedrigt da steht, oder dass die ganze schiitische Gemeinde beschämt wird.
Die jetzige Runde an der Nordfront muss ins Bewusstsein der Libanesen
eingeprägt werden, wie sie wirklich war: eine unbegründete Provokation einer
fanatischen moslemischen Terrororganisation, die durch eine Provokation
Israels den Libanon in ein Chaos zurückversetzen wollte und sich selbst als
Speerspitze in einem imaginären Kampf zur Zerstörung der zionistischen
Einheit darstellen wollte. Wollte und nicht konnte.
Ratlose internationale Gemeinschaft:
Kriegsgründe und Kriegsziele
Der bislang namenlose Krieg im Libanon erzeugt Verwirrung, weil er
nicht in traditionelle Denkschablonen passt. Man streitet sich über
die Frage, ob es ein Konflikt oder ein Krieg sei...