Volker Beck im
haGalil-Interview:
"Wir müssen alles
tun, um das Existenzrechts Israels zu verteidigen"
Interview: Jörg
Fischer
Volker Beck MdB, Berlin
Dt. Bundestag, A. Kohlmeier |
Volker Beck – Erster
Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die
Grünen, menschenrechtspolitischer Sprecher der Fraktion und mehrjähriger
Bundessprecher des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) – im
haGalil-Interview: Warum Israel auch für Schwule und Lesben wichtig ist,
warum sich die Schwulen- und Lesbenbewegung verstärkt der Menschenrechtslage
in den von islamistischen Despoten regierten Staaten zuwenden muss und über
die militärischen Überfälle von terroristischen Organisationen auf Israel.
Wie beurteilen Sie die
aktuelle Menschenrechtssituation besonders von Schwulen und Lesben in
Ländern wie Iran, Libanon oder den palästinensischen Autonomiegebieten seit
dem Machtantritt der Hamas?
Nach meiner Kenntnis gibt es keine strafrechtliche Verfolgung in den
palästinensischen Autonomiegebieten, aber die gesellschaftliche Ausgrenzung
ist dramatisch. Im Iran wird Homosexualität bis hin zur Todesstrafe
bestraft. Diese Urteile werden auch vollstreckt. Im Libanon wird
Homosexualität strafrechtlich verfolgt. Über die Verfolgungsintensität habe
ich selbst keine Informationen.
Wir haben als Grüne gerade eine Große Anfrage zur Menschenrechtssituation
von Lesben und Schwulen eingebracht. Damit wir mehr über die Situation der
Lesben und Schwulen in den einzelnen Ländern erfahren.
Wie ist dazu im
Vergleich ihre Einschätzung zur Situation in Israel? Wirkt sich die
Tatsache, das Israel die einzige Demokratie im Nahen und Mittleren Osten
ist, auf die Lebenssituation von Schwulen und Lesben aus?
In Israel ist die Situation vergleichsweise fortschrittlich. Die Armee
diskriminiert nicht aufgrund der sexuellen Orientierung. Und es gibt
Bestrebungen homosexuelle Partnerschaften besser anzuerkennen. Gleichwohl
gibt es mit religiös-konservativen Gruppen der Juden und Muslime auch starke
Probleme wie die Auseinandersetzung um den Gay Pride in Jerusalem gezeigt
hat.
Es geht jetzt nicht um
muslimischgläubige Menschen generell, aber islamisch-religiöse
Fundamentalisten – nicht nur in arabischen Ländern, sondern beispielsweise
auch der Großmufti von Moskau – haben gerade in den letzten Monaten
unverhohlen zur Ermordung von Schwulen aufgerufen, sogenannte "Fatwas"
ausgesprochen, ist hier eine Verschärfung zu verzeichnen?
Homosexualität wird von religiösen Führern der Muslime aber auch der
Orthodoxen oftmals als Teil des westlichen Lebensstiles denunziert. Hier hat
sich die Tonlage immer stärker verschärft. Wir müssen die Rechte der
Homosexuellen stärker als Teil der universellen Menschenrechte erklären.
Davon müssen wir aber auch unsere Regierungen und ihre diplomatischen
Dienste erst noch überzeugen. Die Rechte der Lesben und Schwulen
gehören zu jedem umfassenden Menschenrechtsverständnis und sind ein Erbe der
Aufklärung.
Man hat den Eindruck,
dass hierzulande viele Schwule und Lesben sich nicht des Ernstes der Lage
bewusst sind. Das Regime im Iran lässt schwule Jugendliche öffentlich
erhängen, Frauen steinigen und bedroht Israel mit Krieg und Vernichtung.
Hisbollah und Hamas führen militärische Angriffe mit aus dem Iran
gelieferten Raketen durch …
Wir müssen alles tun, um das Existenzrechts Israels zu verteidigen. Man
sieht aber daran, dass Regime die die Menschenrechte einer Gruppe angreifen
auch die Rechte anderer mit den Füßen treten.
Im August soll in
Jerusalem der schwullesbische World-Pride 2006 stattfinden. Zwar haben sich
religiöse Fundamentalisten aller Glaubensrichtungen in seltener Einmütigkeit
dagegen ausgesprochen, aber das oberste israelische Gericht hat die Stadt
Jerusalem zur finanziellen Unterstützung des WorldPride verpflichtet. Ist
die Durchführung des durch die, durch den militärischen Angriff Israel
ausgelöste Krise noch realistisch?
Da will ich den Menschen in Israel nicht neunmalklug hineinreden. Das muss
vor Ort beurteilt und entschieden werden.
Schwule und Lesben
sind an Leib und Leben gefährdet, wenn sie in Ländern wie dem Iran leben, in
denen islamistische Diktatoren die Macht ausüben. Glauben Sie, das diese
dramatische Situation in der Darstellung in den Medien genügend Beachtung
findet?
Ich fand es schockierend, dass die Bild-Zeitung die Erhängung von 2
Jugendlichen als Hinrichtung zweier Kinderschänder denunziert hat. Insgesamt
findet die Menschenrechtslage von Lesben und Schwulen kaum Beachtung. Aber
auch die Lesben- und Schwulenbewegung sollte sich neben der
Gleichstellungspolitik in Deutschland und der EU hier stärker engagieren.
Hier liegt eine langfristige Aufgabe, für die man langen Atem braucht. Eine
verantwortliche Lesben- und Schwulenpolitik muss hier einen Schwerpunkt
setzen.
Wie stehen Sie zu der
Forderung, das Menschen, die aufgrund ihrer Homosexualität im Iran verfolgt
und mit dem Tode bedroht werden und etwa nach Deutschland fliehen, hier als
Flüchtlinge anerkannt werden und einen gesicherten Aufenthaltsstatus
erhalten?
Das ist für mich, aber leider nicht für die deutschen Verwaltungsgerichte
eine Selbstverständlichkeit.
Zum Schluss eine
persönliche Frage an den Menschen Volker Beck: Was ist ihr Wunsch, ihre
Hoffnung für die Menschen im Nahen und Mittleren Osten?
Shalom und Salam. Ich wünsche mir, dass es endlich zu einem belastbaren
Frieden in der Region kommt und auch die Nachbarn Israels sich auf einen Weg
in Richtung Demokratie begeben.
Israel braucht eine belastbare Garantie für die Sicherheit seiner Bürger,
damit es sich auf sein Staatsgebiet zurückziehen kann. Die Palästinensische
Autonomiebehörde hat auch unter Arafat leider nicht erkennen lassen, dass
sie in den von ihnen kontrollierten Gebieten das staatliche Gewaltmonopol
durchsetzen will und kann.
Bildunterschrift für Foto: Volker Beck. Foto: Deutscher Bundestag/Angelika
Kohlmeier |