Das Internet bietet die Möglichkeit, Inhalte gleich welcher Art
praktisch zeitgleich weltweit zu verbreiten, und dies zu konkurrenzlos
günstigen Bedingungen. Der Unterhalt aufwendiger Betriebsdienste, wie bei
Printmedien, entfällt. Auch ist es unerheblich, in welchem Land die zum
Abruf bereitgestellten Daten tatsächlich gespeichert sind. So kann
nationalen Gesetzen zumindest technisch ausgewichen werden.
Die Inhalte dieser rechtsextremistischen Webauftritte bestehen in der
propagandistischen Verwendung von Hakenkreuzen, SS-Runen, einschlägigen
Tondateien mit volksverhetzender Zielrichtung. Es wird Haß gegen Teile der
Bevölkerung geschürt und zu Gewalttaten gegen sie aufgerufen. Die Opfer der
NS-Diktatur werden verhöhnt und verächtlich gemacht. Völkermordhandlungen
Nazi-Deutschlands werden geleugnet. Letzteres unter dem Deckmantel
behaupteter "Wissenschaftlichkeit" und "revisionistischer"
Geschichtsbetrachtung.
Für Web-Foren, Chatrooms und das Usenet haben Rechtsextremisten bereits
im Jahre 1997 die sog. "Strategie der national befreiten Zonen" sinngemäß
auf das Netz angewandt:
Also, hinein in die Datennetze, sprecht Euch auf Euren Hacusern ab,
erlernt die Rituale und dann forsch drauf los. Entwickelt eine
Diskussionsstrategie, die vorerst darauf gerichtet sein muss, bekennende
oder bekannte Antifa-Zecken und Schalom-Litaneienschreiber madig zu machen.
Wenn diese sich wehren, muessen wir auch schreien oder besser schreiben. Wir
werden sie dadurch isolieren. Wir als scheinbar entschiedene Demokraten aus
der rechten Mitte verstehen dann ue-berhaupt nicht, warum die Antifas gegen
uns die Keulen schwingen und zu uns so intolerant sind. Liberale
Scheisserchen verteidigen uns, wenn wir nur geschickt genug argumentieren,
fuer uns die Freiheit der Netze verteidigen. So ziehen wir sie und die
lesende Mehrheit auf unsere Seite. Die Arbeit, die Antifas aus den Netzen zu
ekeln, uebernehmen diese Toleranz-Trottel gerne fuer uns.
Eines ist besonders wichtig, bestaetigen wir uns gegenseitig mit kleinen
Differenzen, es genuegen fuenf Aktive pro Forum und wir beherrschen
inhaltlich Themenstellung und Diskussionsverlauf. Wenn's dann soweit ist,
koennen wir die Katze aus dem Sack lassen, ueber Vertreibung, alliierten
Bombenterror, Ueberfremdung etc. Diskussionen einleiten.2
Hier ein Beispiel für die Umsetzung der beschriebenen Strategie: Nach dem
Skinhead-Mord an Alberto Adriano in der Nacht zum 11. Juni 2000 in Dessau
eröffnete die Illustrierte "Stern" im Rahmen ihres Internetauftrittes ein
Diskussionsforum unter der programmatischen Überschrift "Stop dem brauen
Mob". Kurze Zeit nach Eröffnung des Forums erschienen im Forum des
rechtsextremistischen "Nationalen Infotelefons" (NTT) — dieses wurde im
Dezember 2001 vom Netz genommen - Hinweise auf das besagte Stern-Forum. Beim
"NIT" wurde diskutiert, auf welche Weise das Stern-Forum zu besetzen und für
rechtsextremistische Propaganda zu instrumentalisieren sei. Teilweise im
Minutentakt erschienen sodann entsprechende Beiträge im Stern-Forum. Es sei
über die Ausländerkriminalität zu sprechen, dieses Land sei überfremdet und
man müsse sich daher über die Tat nicht wundern. Wurde ein besonders übler
Beitrag, der das Opfer der Mordtat von Dessau, einem Mo-sambikaner, der
langjährig in Deutschland lebte, zum Täter stempelte und die Täter zu
Opfern, von der Online-Redaktion gelöscht, waren sofort weitere
"Diskutanten" zur Stelle, die lauthals über die angebliche Beschränkung
ihrer Meinungsfreiheit lamentierten. Beitragsschreiber, die sich eindeutig
für entschiedene Maßnahmen gegen extremistische Gewalt und damit für einen
effektiven Schutz potentieller weiterer Opfer aussprachen, wurden als
,31ockwarte" und "Feinde der Freiheit" beschimpft. "Nationale Deutsche
würden heutzutage ebenso verfolgt wie die Juden in den 30er Jahren. Dieser
massive rechtsextremistische Foreneinfall, der zudem mit einem nicht
unerheblichen Personal aufwand geführt wurde, hatte durchaus auch zum Ziel,
eine angebliche Meinungsführerschaft neonazistischen Gedankengutes in den
virtuellen Raum zu stellen. Die Online-Redaktion des "Stern" entschloß sich
in dieser Situation zu einer zeitdeckenden Moderation des Forums und konnte
hierdurch die beabsichtigte "Übernahme" durch Rechtsextremisten verhindern.