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[Die Wahlen zur 17. Kneseth am 28. März 2006 - 28. Adar 5766]

Nach der Wahl:
Was zum Teufel ist geschehen?

...die Gleichung "orientalisch = arm = rechts" gegen "aschkenasisch = wohlhabend = links", beginnt sich zu lockern... Amir Peretz ist ein Hoffnungsträger...

Uri Avnery

DIE DRAMATISCHSTE und die langweiligste Wahlkampagne unserer Geschichte ist glücklicherweise zu Ende gegangen. Israel schaut in den Spiegel und fragt sich selbst: Was zum Teufel ist geschehen?

Auf dem Weg zur Wahlurne mitten in Tel Aviv konnte ich nicht das leiseste Anzeichen dafür erkennen, dass Wahltag ist. Im Allgemeinen sind Wahlen in Israel eine leidenschaftliche Angelegenheit. Überall Poster, Tausende von Wagen voller Slogans, die Wähler zu den Wahllokalen bringen – und alles mit viel Lärm. Dieses Mal – nichts. Eine unheimliche Stille. Weniger als zwei Drittel der registrierten Bürger nahmen überhaupt die Mühe der Wahl auf sich.

Politiker aller Richtungen werden gehasst, Demokratie wird unter den jungen Leuten verachtet, ganze Gesellschaftsgruppen haben sich entfremdet. Manche wollten eigentlich nicht wählen, besannen sich dann aber im letzten Augenblick und stimmten für Gil, die „Liste der Pensionäre“, die es aus dem Nichts zu sieben Sitzen brachte.
Es war eine richtige Protestwahl. Junge Leute sagten sich: statt unsere Stimme wegzuwerfen, wollen wir wenigstens etwas zu Gunsten anderer tun. Die alten Leute, die Kranken, auch die unheilbar Kranken, die Behinderten und das ganze Gesundheits- und Erziehungssystem waren Opfer der thatcheristischen Wirtschaftspolitik Netanyahus, die von Sharon unterstützt wurde und die sogar von Shimon Peres „schweinisch“ genannt wurde.

Die Wahl für die Pensionäre war eine Kuriosität.
Aber was geschah im Zentrum der Arena?

ZU BEGINN der Wahrkampagne schrieb ich, das ganze politische System bewege sich nach links. Viele dachten, dies sei reines Wunschdenken, aber tatsächlich: Als das Hauptergebnis dieser Wahlen wurde der Einfluss des national-religiösen Blockes, der länger als eine Generation in Israel vorherrschte, gebrochen. Alle die schon dachten die Linke sei endgültig tot und Israel dazu verurteilt, eine weitere lange Zeit vom rechten Flügel regiert zu werden, sind widerlegt worden.

Alle rechten Parteien zusammen gewannen nur 32 Sitze, die religiösen 19. Mit 51 von 120 Sitzen in der Knesset kann der rechts-religiöse Flügel nicht mehr jede Maßnahme in Richtung Frieden blockieren. Das ist ein Wendepunkt. Der Traum von Großisrael, vom Mittelmeer bis zum Jordan, ist ausgeträumt.

Bezeichnenderweise hat die „Nationale Union“, die Partei, die sich vollkommen mit den Siedlern identifizierte, nur 9 Sitze erlangt – etwa so viele wie beim letzten Mal. Auch nach dem dramatischen Abzug aus den Gaza-Siedlungen bleiben die Siedler unbeliebt. Die Schlacht um die öffentliche Meinung haben sie verloren.

Netanyahu erklärte die Wahlen zum „nationalen Referendum“ - gegen den Rückzug aus den besetzten Gebieten. Das waren sie dann ja auch - allerdings hat die Mehrheit ganz überwältigend für den Abzug gestimmt. Das Hauptopfer ist nun Netanyahu selbst. Der Likud brach zusammen. Seit seiner Gründung durch Ariel Sharon 1973 ist er zu keiner Zeit derart gedemütigt worden. Er steht nun auf Rang fünf der in der Kneseth vertretenen Parteien.

Die aufrichtige Freude über diese Niederlage der Rechten wird durch eine sehr gefährliche Entwicklung gedämpft: der Aufstieg von Avigdor Liebermans Partei „Unser Haus Israel“, einer seltsamen Mutation der Rechten mit offen faschistischer Tendenz.

Lieberman, ein Einwanderer aus der früheren Sowjetunion und selbst ein Siedler, holt sich den Rückhalt hauptsächlich aus der „russischen“ Gemeinde, die fast einstimmig extrem nationalistisch ist. Er ruft zur Vertreibung der Araber auf, die immerhin ein Fünftel der Bevölkerung Israels stellen - angeblich soll dies durch einen Landaustausch geschehen. Die Botschaft ist klar und auch die üblichen Merkmale solch einer Partei sind gegeben: Personenkult, der Ruf nach „Recht und Ordnung“, intensiver Hass gegenüber „dem inneren wie dem äußeren Feind“. Dieser Mann erhielt 12 Sitze und hat Netanyahu überholt. Sein Hauptslogan auf russisch: „Da Liebermann !“ („Ja Lieberman!“ auf deutsch) erinnert an historische "Größen".

Falls es noch jemanden interessiert: die faschistische Gruppe, die als Teil ihrer Wahlkampagne zum Mord an mir aufrief, konnte nicht einmal die nötigen 2% für den Einzug in die Knesset erlangen. Allerdings braucht man zum Morden auch keine 2%. Bei dieser Gelegenheit möchte ich all jenen rund um die Welt meinen aufrichtigen Dank auszudrücken, die mir gegenüber ihre Solidarität zum Ausdruck brachten.

DIE FREUDIGEN Szenen im Labor-Hauptquartier mögen manchem auf den ersten Blick übertrieben scheinen. Schließlich hat die Partei nur 20 Sitze gewonnen - gegenüber 19 beim letzten Mal. Wobei man die drei Sitze der kleinen von Amir Peretz damals angeführten Partei berücksichtigen muss. Aber die Zahl erzählt nicht die ganze Geschichte.

Zunächst ist die politische Konsequenz weitreichend. Im Parlament spielen nicht nur die reinen Zahlen eine Rolle, sondern auch ihr Platz auf der politischen Karte. In der nächsten Knesset wird jede Koalition ohne Labor eher eine theoretische Option sein, wenn nicht vollkommen unmöglich. Amir Peretz wird nach Olmert, die wichtigste Person im nächsten Kabinett sein.

Noch wichtiger: Peretz, der erste „orientalisch“ jüdische Vorsitzende einer größeren israelischen Partei, hat den historischen Hass gegenüber den Einwanderern aus muslimischen Ländern und ihren Nachkommen gegen Labor überwunden. Ihm scheint es endlich gelungen zu sein, die übliche Gleichung "orientalisch = arm = rechts" gegen "aschkenasisch = wohlhabend = links", zu lösen. Das hat seinen vollen Ausdruck noch nicht bei dieser Wahl gefunden. Der Zuwachs durch orientalische Juden ist nur mäßig. Aber keiner, der gesehen hat, wie Peretz auf den offenen Marktplätzen empfangen wurde, die bisher Festungen der Likud gewesen waren, kann bezweifeln, dass sich hier etwas Grundsätzliches geändert hat.

Und was noch wichtiger ist: als Peretz vor kaum drei Monaten auf der Bildfläche erschien, war Labor eine wandelnde Leiche. Nun aber lebt sie, vibriert und ist aktionshungrig. Das ist Führung und nun ist sie da. Peretz könnte sehr wohl als Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten bei den nächsten Wahlen aufgestellt werden. Bis dahin wird er sicher auch einen großen Einfluss auf die sozialen Belange und den Friedensprozess haben.

DAS IST natürlich die Hauptfrage: kann uns die nächste Regierung dem Frieden näher bringen?

Kadima hat die Wahlen gewonnen, ist aber nicht glücklich. Als sie von Sharon gegründet wurde, erwartete man 45 Sitze – und nach oben waren keine Grenzen gesetzt. Nun muss sie sich mit schäbigen 29 Sitzen zufrieden geben, gerade genug, um die Regierung zu führen, aber nicht genug, um die Politik zu diktieren.

In seiner Siegesrede rief Olmert Mahmoud Abbas auf, Frieden zu machen. Aber das ist eine leere Geste. Kein Palästinenser kann die Bedingungen akzeptieren, die Olmert im Sinn hat. Wenn die Palästinenser also nicht zeigen, dass sie „Partner“ sind, will Olmert „Israels permanente Grenzen einseitig festlegen“, das heißt, dass er zwischen 15-55% der Westbank annektieren will.

Es ist zweifelhaft, ob Peretz der Regierung eine andere Politik aufzwingen kann. Möglich ist, dass die ganze Frage aufgeschoben wird – unter dem Vorwand, dass man sich erst einmal mit der sozialen Krise befassen muss. In der Zwischenzeit geht der Kampf gegen die Palästinenser weiter - mit Mauer- und Siedlungsbau.

Es liegt nun an der Friedensbewegung, dies zu ändern. Die Wahlen zeigen, dass die israelische Öffentlichkeit ein Ende des Konfliktes wünscht, dass sie die Träume der Siedler und ihrer Anhänger zurückweist, dass sie eine Lösung sucht. Wir haben dazu beigetragen. Nun ist es unser Job, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass Olmerts einseitiger Friede gar kein Friede ist und zu keiner Lösung führt.

An unserm Wahltag bestätigte das palästinensische Parlament die neue palästinensische Regierung. Mit dieser Regierung können und müssen wir verhandeln. Im Augenblick ist die Mehrheit in Israel noch nicht dazu bereit. Aber die Wahlen zeigen, dass wir auf dem Weg sind.

wahlen.gif (10029 Byte)* Die in diesem Artikel genannten Zahlen sind die nach Auszählung von 98% der Stimmen veröffentlicht worden. Nach der letzten Zählung mag es noch leichte Veränderungen geben. Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert.

hagalil.com 03-04-2006

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