Umdenken angebracht:
Auflösungserscheinungen
Ein Kommentar von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 21. November
2005
Bei Israel und den Palästinensern ist Umdenken angebracht. Innenpolitisch
steht bei Beiden alles auf dem Kopf. Bei den Palästinensern sind es der Tod
Arafats, die Korruption der Fatah-Partei und die Erstarkung der Hamas, die
das seit 40 Jahren stabile Machtsystem unter Arafats Führung
auseinanderbrechen ließen. In Israel haben der Gazarückzug und die von Ariel
Scharon de facto beendete Siedlungspolitik ein Zerbrechen des Likudblocks
bewirkt. Zuvor hatten der Mord an Rabin und das Ende des Osloer
Friedensprozesses im Herbst 2000 einen Niedergang des Linksblocks und der
Friedensbewegung beschleunigt.
Während Scharon sich zu einer "Taube" der Mitte mauserte, schlug der neue
Chef der Arbeitspartei, Amir Peretz, einen scharfen Rechtskurs ein. Die
Großsiedlung Maaleh-Adumim soll bei Israel bleiben und Jerusalem will er
nicht mit den Palästinensern teilen. Den palästinensischen Terror erklärt er
zum Feind Nummer eins und ein Rückkehrrecht für Palästinenser hält er für
"absolut" ausgeschlossen. Mit solchen Ansichten unterscheidet sich Peretz in
nichts mehr von Scharon. Da Peretz schon zur "Hoffnung" gekürt wurde, trotz
dieser Ansichten, während an Scharon immer noch der Titel "Hardliner" klebt,
fragt sich, ob links und rechts, Kriegstreiber oder Friedensbringer längst
unpassende Klischeebegriffe geworden sind.
Die Hauptfrage, "wie geht es weiter mit dem Friedensprozess", lässt sich
leicht beantworten. Der Friedensprozess ist seit Herbst 2000 tot und die
Roadmap kommt nicht zum Zuge, solange sich beide Seiten weigern, die
Bedingungen für Friedensgespräche zu erfüllen. Mit Hamas im Parlament dürfte
der Friedensdialog kaum möglich sei, solange sie auf einer Zerstörung
Israels besteht, obgleich aus einer extremistischen Terrorgruppe auf einen
Schlag eine "demokratisch gewählte" legitime Partei geworden wäre. In Israel
wird sich nichts Entscheidendes tun, solange der Wahlkampf tobt. Sollte
Scharon die von ihm errechneten 28 Mandate in der Knesset erhalten, dürfte
er die nächste Regierung stellen und mit seinem "Abkopplungsplan"
fortfahren. Sollten Peretz oder sonst jemand Premier werden, müsste geprüft
werden, ob sie ein konkretes Friedensziel haben.
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com
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