"Nichts zu feiern":
Wie der erste Botschafter Israels die Bundesrepublik erlebte
Asher Ben Natan ist in diesen Tagen, in
denen Israel und Deutschland 40 Jahre diplomatische Beziehungen feiern, ein
gefragter Gesprächspartner. Ben Natan, 1921 in Wien geboren, war zwischen
1965 und 1969 der erste Botschafter Israels in Deutschland. Er lebt heute in
Tel Aviv.
Interview: Thorsten Schmitz
SZ: Wie war Ihr erster Tag als Botschafter in Deutschland?
Ben Natan: Ich landete mit meiner Frau, meinem Sohn und
meiner Tochter auf dem Kölner Flughafen; wir kamen aus Paris, weil es damals
noch keine Direktverbindung zwischen Israel und Deutschland gab. Außer den
Mitgliedern der jüdischen Gemeinde und einer Vorhut der israelischen
Botschaft stand noch der deutsche Protokollchef auf dem Rollfeld. Er war
ganz blass, gab mir die Hand und begrüßte mich mit zitternder Stimme auf
Englisch. Ich sagte ihm, er könne ruhig deutsch mit mir reden, schließlich
käme ich aus Wien.
Wie wurden Sie in Deutschland aufgenommen?
Insgesamt begegnete man mir zunächst sehr kühl. Heute feiern
wir 40 Jahre Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und
Israel; damals gab es erst einmal nichts zu feiern: Das deutsche Publikum
war kühl bis gleichgültig. Nur die deutschen Medien waren hinter mir her und
interviewten den ersten Israel-Botschafter Deutschlands. Alle wollten
wissen: Wer ist dieser Mann, der aus der Wüste kommt?
Und das politische Deutschland?
Unvergessen bleibt mir das rüde Verhalten des damaligen
Bundespräsidenten Heinrich Lübke. Ich war auf der Lebensmittelmesse Anuga in
Köln zu Besuch und hielt mich am israelischen Stand auf, als plötzlich Lübke
auf mich zuschoss. Ich hatte ihn nie zuvor persönlich kennen gelernt, und
anstatt mich freundlich zu begrüßen und ein paar Willkommensgrüße
auszusprechen, fuhr er mich an: "Warum haben Sie unseren Botschafter Rolf
Pauls so schlecht behandelt?"
Was hat Sie dazu bewogen, Israel in Deutschland zu
vertreten?
Ich war einer Meinung mit Ministerpräsident David Ben Gurion,
dass es wichtig sei, wieder Beziehungen zu Deutschland aufzunehmen. Israel
war sehr interessiert daran, von so vielen Staaten wie nur möglich anerkannt
zu werden. Schließlich ist das Land umgeben von arabischen Staaten, die ihm
das Existenzrecht absprachen und bis heute absprechen. Auch wirtschaftliche
Gründe spielten eine Rolle, neben moralischen natürlich.
Hat sich Deutschland in den letzten vier Jahrzehnten
verändert?
Als ich damals meine Botschaftstätigkeit aufnahm, gab es
allenthalben Rufe danach, den Holocaust zu verdrängen, einen Schlussstrich
zu ziehen, die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel zu normalisieren.
Heute dagegen spricht Bundespräsident Horst Köhler mit großer Sensibilität
und sagt vollkommen richtig, es könne nie ein Schlussstrich gezogen werden;
die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel würden immer besondere
bleiben.
Und was empfinden Sie?
Ich halte es mit Ben Gurion, der schon damals gesagt hat, das
Deutschland Adenauers und der Sozialdemokraten ist ein ganz anderes
Deutschland als das Hitlers. Zweifellos hat Deutschland eine positive
Entwicklung durchgemacht.
Antisemitische oder rechtsradikale Tendenzen beunruhigen
Sie nicht?
Ich habe schon 1965 gesagt, dass 15 Prozent der Deutschen zum
Rechtsradikalismus tendieren. Daran hat sich nichts geändert.
Das macht Ihnen keine Angst?
Mir macht das doch keine Angst. Den Deutschen muss das Angst
machen. Allerdings fände ich es sehr schlimm, wenn eines Tages Abgeordnete
der NPD im Bundestag säßen.
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hagalil.com 17-05-2005 |