Noch ein Thor:
"Nationale" Haute Couture
Eine märkische Modemarke steckt Rechte
in Designerklamotten
Von Jan Sternberg
Märkische Allgemeine Zeitung,
5.10.2004
Billig sind die Sachen nicht. Von 60 Euro aufwärts
müssen Kunden für ein Sweatshirt der Marke "Thor Steinar" auf den Tisch
legen. Auch die Bestellseite im Internet ist edel aufgemacht: Hier verkauft
man Qualität. "Thor Steinar" ist eine Erfolgsgeschichte.
Seit eineinhalb Jahren vertreibt die Firma Mediatex aus
Zeesen bei Königs Wusterhausen (Dahme-Spreewald) die Klamotten besonders
unter Jugendlichen - zu einem großen Teil solchen, die nicht nur für den
discotauglichen Schick, sondern auch für die Gesinnung bezahlen. Denn die
auf dem globalisierten Weltmarkt zusammengenähten Sachen sind zur
"nationalen" Haute Couture geworden. Runen-Symbolik und "nordische"
Mythologie passen zur schleichenden Eroberung der ostdeutschen Jugendkultur
durch die Kader der rechten Parteien.
Wer nicht auf Springerstiefel und Lonsdale-Shirts abfuhr,
hatte bisher keine Möglichkeit zu erkennbarem Auftreten. "Thor Steinar macht
die Szene um eine Facette reicher", sagt Matthias Adrian vom Zentrum
demokratische Kultur in Berlin. "Die Rechten, die sich immer dagegen
wehrten, Skins zu sein, können so ihre Gesinnung zeigen." Aber auch in
"normalen" Boutiquen sind Steinar-Sachen immer öfter zu haben. Der dezente
Runen-Schick verfängt auch bei eigentlich unpolitischen Jugendlichen auf der
Suche nach technotauglichen Markenklamotten. Die rechten Kader freut der
Trend: Man komme an die Kids jetzt viel besser heran, frohlockte ein
Funktionär des "Märkischen Heimatschutzes" kürzlich im Fernsehen.
Neue Marke ist bei der Polizei kaum bekannt
Weiterer Vorteil für die Szene: Die Marke mit dem
Runenschrift-Logo ist bei der Polizei bisher kaum bekannt. Im "Thor
Steinar"-Signet sind die altgermanische Tyr-Rune und die Gibor-Rune oder
"Wolfsangel" miteinander verschlungen. Erstere war in der NS-Zeit Abzeichen
der SA-Reichsführerschulen, letztere das Symbol für die SS-Division "Das
Reich". Die Justiz zeigte sich bislang ziemlich machtlos: Noch nie wurde
bisher ein verbundenes Symbol als Kennzeichen verfassungsfeindlicher
Organisationen verboten, bemängelt Klaus Parker, Jurist und
Rechtsextremismusexperte, der für das Internet-Forum "hagalil-online"
arbeitet.
"Doch nach dem Zweck des Gesetzes und dem Willen des
Gesetzgebers fallen derartige Verbindungen ganz klar unter das Verbot",
meint Parker. "Die Marke Thor Steinar nutzt Gesetzeslücken aus, um dicke
Geschäfte zu machen." Anruf beim Mediatex-Geschäftsführer Uwe Meusel. Der
eloquente 29-Jährige ist auf die Presse nicht allzu gut zu sprechen. "Unser
Logo? Das ist ein T und ein S, in Runenschrift. Unsere Kollektion basiert
auf dem nordischen Mythos." Mehr sei da nicht. Und überhaupt: "Warum fragen
Sie uns nicht mal, wie viele Arbeitsplätze wir hier geschaffen haben?" Gerne
doch. Wie viele Angestellte haben Sie denn? Meusel: "Das werde ich Ihnen
jetzt nicht sagen."
Darüber, dass "Thor Steinar" auch Sweatshirts mit
Maschinengewehr-Aufdruck und Drohsprüchen wie "Weidmanns Heil" und
"Hausbesuche" anbietet, will er schon gar nicht reden. Nur soviel: "Wir
haben mit keiner Organisation auch nur ansatzweise etwas zu tun." Der
Brandenburger Verfassungsschutz hat andere Erkenntnisse: "Es gibt
Rechtsextremisten, die der Firma angehören", sagt Jonas Grutzpalk von der
Behörde.
Mediatex-Anwalt Michael Roscher, im vergangenen Jahr mit
einer Kampagne gegen Dieter Bohlen aufgefallen, vertritt die Firma im
Rechtsstreit gegen Berliner Antifa-Gruppen: "Thor Steinar verwendet keine
verfassungsfeindlichen Symbole", sagt er knapp, "und wenn Leute, die mit der
Verfassung Probleme haben, die Sachen tragen, ist das nicht das Problem der
Firma."
Roschers Juristenkollege Klaus Parker sieht das anders:
"Im Gegensatz zu Firmen wie Lonsdale, die wirklich nichts dafür können,
gehört Thor Steinar zu den Marken, die eindeutig für die rechtsextreme Szene
produziert werden."
Staatsanwälte noch uneins
Die Staatsanwaltschaften streiten sich indesssen darum, ob
das Runen-Logo nicht doch rechtswidrig sein könnte. Die Berliner
Staatsanwaltschaft sieht keine Möglichkeit, Anklage zu erheben. "Wir halten
das eher nicht für strafbar", sagt ihr Sprecher Michael Grunwald. Seine
Kollegen in Neuruppin wollen sich damit nicht abfinden. In zwei Fällen wurde
Anklage gegen Träger von "Thor Steinar"-Kleidung erhoben. Eine davon richtet
sich gegen eine Heranwachsende aus Prenzlau (Uckermark). "Wir haben sie
angeklagt, da wir meinen, dass das Firmenlogo verfassungsfeindlichen
Symbolen zum Verwechseln ähnlich sieht", sagt Neuruppins Leitender
Oberstaatsanwalt Gerd Schnittcher. Er gibt sich kämpferisch: Sollte das
Amtsgericht Prenzlau die Anklage nicht zur Hauptverhandlung zulassen, werde
man sich um eine obergerichtliche Entscheidung bemühen.
Für den Erfolg von "Thor Steinar" könnte das unangenehm
werden, für die rechte Szene wäre es höchstens ein Scharmützel. Das weiß
auch Gerd Schnittcher: "Diese Leute versuchen dauernd, Ersatzsymbole für
verbotene NS-Symbole zu finden." Runen gibt es ja genug.
"Thor Steinar":
Runen-Schick erstmals verurteilt
Das Logo der Marke zeigt die altgermanische Tyr-Rune und die
Gibor-Rune (auch "Wolfsangel") miteinander verschlungen, also Abzeichen der
SA-Reichsführerschulen und Symbol für die SS-Division "Das Reich"...
hagalil.com
08-10-2004 |