Juden aus der GUS:
Einwandern ja, aber nach Deutschland
Nach Eldad Beck in Jedioth achronoth
Was macht man, wenn die Juden aus der GUS auswandern
wollen, aber lieber nach Deutschland gehen, als nach Israel zu immigrieren?
Die Jewish Agency hat Deutschland schon gebeten, die Bedingungen für eine
Einwanderung von Juden zu verschärfen, doch der deutsche „Einwanderungskorb“
(Sal haKlitah) ist immer noch 7 Mal so groß, wie der, den die Einwanderer
nach Israel erhalten.
Fast 60 Jahre nach dem II. Weltkrieg und dem Holocaust, ist Deutschland zu
einem Anziehungspunkt für Juden geworden, und die jüdische Gemeinde vor Ort
ist mittlerweile die drittgrößte in Westeuropa.
In den letzten zwei Jahren hat sich auch eine neue Lage gebildet, in der –
vor allem wegen der Intifada und ihren Auswirkungen auf die Sicherheit und
die Wirtschaft Israels – die Anzahl der jüdischen Einwanderer, die nach
Deutschland kommen, größer ist, als die Anzahl der Einwanderer nach Israel.
Im Jahr 2002 betrug die Differenz etwa 1.000 Personen. Im letzten Jahr wuchs
sie auf ungefähr 3.000, für Deutschland.
Der Strom der Einwanderung der Juden aus der GUS nach Deutschland hört nicht
auf und liegt bei einem Jahresdurchschnitt von ungefähr 16.000 Emigranten.
Dazu kommen Tausende Israelis – teils deutsche Staatsbürger – die in den
letzten Jahren nach Deutschland gezogen sind, vor allem seit Beginn der 2.
Intifada. Im Jahr 2002 lag die Anzahl der Emigranten, die von Israel nach
Deutschland umsiedelten, bei 2.236. Heute gibt es 10.817 israelische
Staatsbürger (Juden und Araber), die als Emigranten in Deutschland
registriert sind.
Wie viele Juden leben heute wirklich in Deutschland? Man kann es nicht
wissen. Vor der großen Einwanderungswelle aus der GUS, Anfang der 90er
Jahre, lebten etwa 30.000 Juden in Deutschland, Heute sind davon nur noch
17.000 übrig. Nach den Dokumenten zu schließen, die dem Zentralrat der Juden
in Deutschland vorliegen, leben heute 102.000 Juden im Land. Nach den Daten
der deutschen Einwanderungsbehörde kamen 182.428 Juden seit Anfang der
großen Einwanderung 1991.
Israel verfolgte die Erscheinung der jüdischen Einwanderung nach Deutschland
mit gemischten Gefühlen. Itzhak Shamir versuchte, als er den Posten des PM
bekleidete, bei der deutschen Regierung zu intervenieren, damit diese die
Tore für diese Einwanderung schließe. Die Deutschen machten klar, dass sie
es sich, angesichts der nicht zu weit entfernten Vergangenheit, nicht
erlauben können, eine solche Politik anzunehmen.
In Jerusalem ist man sich der deutschen Empfindlichkeit in dieser
Angelegenheit bewusst. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte zu Jedioth diese
Woche ausdrücklich: „Ich sehe absolut keinen Grund, warum man die
Einwanderung von Juden nach Deutschland einschränken sollte. Diese
Einwanderung ist eine äußerst positive Entwicklung. Dass es heute in
Deutschland eine jüdische Gemeinde gibt die lebt und wächst, ist in meinen
Augen eine wichtige Sache, die angesichts der Geschichte nicht
selbstverständlich ist“.
Daher beschlossen die Drahtzieher der Einwanderung in Israel ihre
Einstellung zu ändern. Deutschland wird nicht mehr darum gebeten, ihre Tore
vor der jüdischen Einwanderung zu verschließen, sondern es wird gefordert,
dass man ihnen keine besonderen Absorptions-Bedingungen gibt.
Der Vorsitzende der Jewish Agency, Salai Meridor, hat den Startschuss für
diesen Kampf bei einer Sitzung des Einwanderungskomitees der Knesseth
abgefeuert. Er attackierte die Politik der deutschen Regierung, die – laut
seinen Worten – Juden verführe, mit einem Status als Flüchtlinge aus
Russland nach Deutschland einzuwandern, obwohl der Staat Israel schon seit
56 Jahren existiere. Laut einem Spezialabkommen, das nach dem Sturz der
Mauer und der Wiedervereinigung Deutschlands ausgearbeitet wurde, beschloss
die Bundesregierung, Juden, die aus der GUS einwandern, einen Spezialstatus
zu verleihen, der „Quotenflüchtling“ heißt – ein Status, der für Flüchtlinge
aus besonders problematischen Gebieten vorgesehen ist.
Ein „Quotenflüchtling“ wird anderen politischen Asylsuchenden oder
Flüchtlingen aus Bürgerkriegsgebieten vorgezogen. Im Gegensatz zu ihnen,
genießt ein „Quotenflüchtling“ die sozialen Bedingungen und Sozialhilfe, die
jedem deutschen Staatsbürger zusteht – das bedeutet, eine monatliche
Zuwendung, die bei 600€ für ein Paar liegt (für jedes Kind gibt es weitere
150 €), Krankenversicherung, kostenloses Wohnen, eine jährliche Zuwendung
für den Kauf von Bekleidung und Schuhen, sowie kostenlosen Deutschunterricht
– all das ohne Zeitbegrenzung. Nach 7 Jahren kann ein Antrag auf Erwerb der
deutschen Staatsbürgerschaft gestellt werden. Langfristig gesehen, erhält
ein Einwanderer, der nach Deutschland kommt, sieben Mal soviel wie der
„Einwanderungskorb“ enthält, den Einwanderer nach Israel erhalten.
„Im Prinzip kann Israel sich nicht mit einer Situation abfinden, in der
Deutschland seine Tore für die Juden öffnet“ sagt der Vorsitzende der Jewish
Agency Meridor zu Jedioth. „Doch das ärgere Übel ist, dass Deutschland die
Juden als Flüchtlinge betrachtet. Mit Gründung des Staates Israel wurden
diese Zeiten beendet“.
„Die riesigen Bemühungen, eine große jüdische Gemeinde in Deutschland
aufzubauen sehen für mich wie ein wohlgeplanter Akt der deutschen Behörden
aus“, sagt ein hochrangiger Vertreter der Jewish Agency in Europa. „Das ist
vonseiten der Deutschen ein sehr gescheiter Zug, doch für uns sieht es
zynisch aus. Das Ziel dieses Vorgehens ist es, zu verhindern, dass man das
größte Denkmal des Holocaust sieht – das Nicht Vorhandensein einer jüdischen
Gemeinde in Deutschland. Diese Tätigkeit wird bewusst unternommen, in der
Absicht, die Bedeutung der Leere zu verwischen, das große Loch zu verdecken.
Wenn die Generation der direkten Zeugen des Holocaust verschwinden wird,
wäre es möglich, dass es in 40 – 50 Jahren schwer fallen wird, zu glauben,
dass überhaupt etwas in Deutschland passiert ist. Tatsächlich zerstören die
Deutschen ein Denkmal, das an den Holocaust erinnert“.
Russische Juden:
Deutschland
ist ein attraktiveres Einwanderungsziel
Der Vorsitzende der Jewish Agency, Salai Meridor, behauptete, die deutsche
Regierung "verführe" die Juden aus der GUS, "mit dem Status von Flüchtlingen
nach Deutschland einzuwandern, obwohl die Juden seit 56 Jahren einen eigenen
Staat haben"...
Ein umstrittenes Thema:
Die Finanzierung der
liberalen Gemeinden
Das deutsche Gesetz verpflichtet jedes Mitglied einer
Religionsgemeinschaft, 6% der Gesamtsteuern, zu welchen er verpflichtet ist,
an seine Gemeinde abzutreten. Bei niedrigen Einkommensstufen bedeutet dies
ca. 30 Euro im Monat...
hagalil.com 08-06-2004 |