Russische Juden:
Deutschland ist ein attraktiveres Einwanderungsziel
Elijahu Salpeter, Haaretz, 2. Juni 2004
Ein hoher Sprecher des jüdischen Establishments
erteilte der deutschen Regierung eine Rüge, da sie den Juden
ermögliche, in ihr Land zu emigrieren. Die große Sünde Deutschlands:
letztes Jahr nahm die Bundesrepublik mehr Einwanderer aus der GUS
auf (19.000) als Israel (11.000). Der Ankläger ist der Vorsitzende
der Jewish Agency, Salai Meridor, der behauptete, die deutsche
Regierung "verführe" die Juden aus der GUS, "mit dem Status von
Flüchtlingen nach Deutschland einzuwandern, obwohl die Juden seit 56
Jahren einen eigenen Staat haben."
Meridor sagte dies vor ca. zwei Wochen in der
Sitzung des Einwanderungskomitees der Knesset. Er fügte hinzu, die
israelische Regierung müsse Maßnahmen gegen Deutschland unternehmen,
da die gegenwärtige Situation "die Einwanderung nach Israel
drastisch beeinflusst."
60 Jahre nach dem Holocaust wirft ein jüdischer
Funktionär Deutschland also vor, dass es Juden einen Zufluchtsort
anbietet. Meridor fordert, gegen den übertriebenen Liberalismus
Deutschlands gegenüber den Juden vorzugehen. Das deutsche Gesetz
hilft den jüdischen Immigranten bei Wohnungs- und Arbeitssuche, und
zwar mittels eines Abkommens zwischen der Berliner Regierung und der
Jüdischen Gemeinde, um "die historische Verantwortung für die
Nazivergangenheit zum Ausdruck zu bringen", wie es in dem Gesetz
heißt.
Bundeskanzler Gerhard Schröder lässt sich von den
Vorwürfen nicht sonderlich beeindrucken. Letzte Woche erklärte der
Kanzler, er unterstütze die Fortsetzung jüdischer Einwanderung aus
der GUS. Der Sprecher der Deutschen Botschaft in Israel reagierte
vor zwei Wochen in einem Gespräch mit der "Jerusalem Post" auf die
Vorwürfe Meridors: "Wenn wir die Juden nicht willkommen heißen, wird
man uns des Antisemitismus beschuldigen. Wenn wir sie mit offenen
Armen aufnehmen, wirft man uns vor, wir verführten sie" (nicht nach
Israel auszuwandern).
Besonders scharf äußerte sich der Sprecher der
Jewish Agency, der Deutschland vorwarf: "Es ist den Deutschen egal,
ob die immigrierten Juden ein jüdisches Leben führen. Sie wollen nur
sagen können, dass es im 21.Jahrhundert mehr Juden in Deutschland
gibt als vor dem Holocaust."
Der Sprecher der Jewish Agency warf Deutschland
auch vor, es verteile die jüdischen Einwanderer in 86 Städten der
gesamten Bundesrepublik. Die Agency, die sich der Wiedergutmachungs-
und Entschädigungsgelder erfreuen konnte, scheint vergessen zu
haben, dass eine Verteilung der Einwanderer eine Verteilung der
finanziellen Belastung auf die einzelnen Bundesländer bedeutet. So
verhält es sich auch mit den anderen Zahlungen, die Deutschland an
Holocaustopfer und deren Erben leistet.
Die Bundesrepublik Deutschland ist der einzige
Staat, der seine Reue über die Verbrechen der Nazis gegen das
jüdische Volk zum Ausdruck brachte und weiterhin bringt. Zwar gibt
es auch hier, wie in fast allen europäischen Ländern neu-alte
Anzeichen für Antisemitismus, aber vielleicht gibt es sogar einen
Zusammenhang zwischen einerseits finanziellen Forderungen an
Deutschland und Vorwürfen gegen jeden, der Kritik an Israel übt, und
andererseits einer Abneigung gegenüber Juden und Israel? Eine
Umfrage der Illustrierten "Stern" vom vergangenen November ergab,
dass 36% der Befragten der Meinung sind, "die Juden nützen die
Nazivergangenheit zu ihren Gunsten aus"?
Ein umstrittenes Thema:
Die Finanzierung der liberalen Gemeinden
Das deutsche Gesetz verpflichtet jedes Mitglied einer
Religionsgemeinschaft, 6% der Gesamtsteuern, zu welchen er
verpflichtet ist, an seine Gemeinde abzutreten. Bei niedrigen
Einkommensstufen bedeutet dies ca. 30 Euro im Monat...
Mehr zum Thema:
Jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion in Berlin und
Deutschland
hagalil.com
03-06-2004 |