Einen ganz besonderen Stellenwert in der regionalen deutschsprachigen
Unterhaltungsszene nehmen neben Martin Bendix Künstler wie Julius
Thannhauser, Josef Plaut, die Gebrüder Wolf, Alfred Auerbach, oder Paule
Graetz ein. Ihr Medium war der Dialekt. Sie wurden zum Innbegriff typisch
berlinerischer, münchnerischer, lippischer, hamburgerischer oder
schwäbischer Lebensart.
Der
legendäre Julius Thannhauser, zum Beispiel, wurde berühmt mit
ur-bayrischer Mundart und »Münchner Geschichten«. 1860 in München geboren
war er, im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen, Freizeit-Humorist. Im
Brotberuf betrieb er eine gut florierende Hutmacherfabrikation mit Laden am
Rindermarkt. Sein Repertoire, das vorwiegend aus Scherzgedichten, Parodien
und humoristischen 'Krügel-Reden' bestand, schrieb er selbst. Speziell
während der Faschingszeit gab es in München nur wenige Veranstaltungen, bei
denen Thannhauser nicht mitwirkte. Ab 1914 führten ihn Gastspiele sogar nach
Berlin, Hamburg, Köln, Leipzig und Nürnberg, wo man den Münchner als
'Urviech' (Eugen Roth) überaus Willkommen hieß. Als er 1921 verstarb,
schrieben die 'Münchner Neuesten Nachrichten': man schätzte seinen »mit
tiefen Lebensernst gepaarten, aus Herzenstiefe gekommenen Humor«.
Aber
auch Hamburg wäre nicht Hamburg ohne seine 'Originale', insbesondere ohne
die berühmten 'Gebrüder Wolf'. Das waren die drei Söhne des
Schächters Isaac Joseph Isaac aus der Hamburger Neustadt, Ludwig
(1867-1955), Leopold (1869-1926) und James (1870-1943), die nicht in die
Fußstapfen ihres Vaters treten wollten, sondern als Gesangstrio auftraten,
als »Bestes deutsches humoristisches Herren-Gesangs-Terzett«, wie es
seinerzeit die Presse formulierte. Auf Grund des allgegenwärtigen
Antisemitismus wählten sie statt "Die Gebrüder Isaac" den Künstlernamen "Die
Gebrüder Wolf". Ludwig und Leopold benennen sich 1924 auch mit bürgerlichem
Namen von Isaac in Wolf um. Als »Wolf-Trio« wurden sie vor allem mit ihrem
Repertoire von volkstümlichen Couplets bekannt, die sie im Stile der im
angelsächsischen Sprachraum so beliebten 'Comic Songs' vortrugen.
Obwohl sie schon vor der Jahrhundertwende bekannt waren, gelang der
eigentliche Durchbruch etwa um 1911 in der Revue 'Rund um die Alster', im
vom Wilhelm Bendiner geleiteten Hamburger 'Neuen Operetten Theater'. Hier
spielten die 'Gebrüder Wolf', seit 1906 nur noch aus Ludwig und Leopold
bestehend, die waschechten Hamburger Hafenarbeiter Fietje und Thetje, die
somit in die Geschichte eingingen. Besonders ihr Lied »Snuten un Poten«
wurde zum Synonym ihres Erfolgs. Jahre später, nämlich in einem Nachruf zum
Tode von Ludwig Wolf im Jahre 1955, erinnerte sich der Journalist Paul
Möhring im 'Hamburger Abendblatt': »Jahrzehntelang standen sein Bruder
Leopold und er als »Gebrüder Wolf« auf allen bedeutenden Varietebühnen
Deutschlands, der nordischen Länder, der Schweiz und Hollands. Wo sie
auftraten, waren sie die große Zugnummer. In ihrer Vaterstadt avancierten
sie nach der Jahrhundertwende zum populärsten Komikerduo. Mit ihren
plattdeutschen Couplets, gesungen und wasserkantenecht getanzt in der
Hafenarbeiterkluft, eroberten sie ganz Hamburg. Fietje und Tetje bejubelte
man bei Sagebiel, im Eden, im TROCADERO und im HANSA-THEATER. Über ein Jahr
lang kalauerten und scherbelten die beiden in der Revue »Rund um die
Alster«. Ihre Schlager von den »Snuten un Poten« und vom »Mariechen, dem
süßen Viehchen« sang man überall in der Stadt.«
Der
dritte große Volkskünstler auf der CD-Sammlung populärer jüdischer Künstler,
erschienen im Trikontverlag, ist der berühmte Schwabe Alfred Auerbach.
Die Auerbachs waren im Schwarzwald und im Stuttgarter Raum, ja bis in die
Würzburger Gegend, weithin bekannt. Berthold Auerbach (1812-1882) zählte zu
den bedeutendsten Volksschriftstellern seiner Zeit. Alfred Auerbach, der
1875 in Stuttgart zur Welt kam, wechselte nach seiner Kaufmannslehre ins
Künstlerische und ließ sich am Hoch'schen Konservatorium in Frankfurt/Main
zum Schauspieler ausbilden, wo er selber ab 1906 als Lehrer tätig wurde.
Neben klassischen Rollen, die er am Frankfurter Schauspielhaus verkörperte,
gehörten seine Darstellung volkstümlich-schwäbischer Charaktere zu den
vielgeliebten Glanzleistungen. Dies waren zumeist Stücke, die er selber
verfasste, darunter »Schwobe-Streich« (1904), »Di letscht' Sau« (1906) oder
»Auf'm Amt« (1911).
sound/geschichte/auerbach.rm
"Abgefahren!", aus "Schwäbsche Eisenbahn", Text v. Auerbach,
Grammophon, aufgenommen 1928
Besprechung zu den CDs:
Populäre
jüdische Künstler
[Bestellen?]
Hamburg und die "Gebrüder Wolf":
Return of the
Tüdelband
Mit der
unsterblichen Zeile "An de Eck steiht´n Jung mit´n Tüdelband" beginnt ein
Song, der zu so etwas wie der inoffiziellen Nationalhymne der Hansestadt
Hamburg wurde...
Populäre jüdische Künstler:
Lebensgeschichten
Die deutschsprachige Unterhaltungskultur, so wie wir sie
kennen und lieben, ist ohne das Wirken jüdischer Künstler undenkbar.
Jüdisches Kulturschaffen ist nicht nur ein Bestandteil der hiesigen
Kultur, sondern es ist hiesige Kultur...
Populäre Jüdische Künstler:
Musik & Entertainment 1903-1933
Die wahre Domäne jüdischer Unterhaltungskünstler war
nicht das Ballhaus, sondern die große Theaterbühne: Operette, Varieté und
Revue als populäre Formate, in denen sich Talente zu Stars emporverdienten,
ergänzt oft durch Film-, Radio- und Grammofonruhm...
Musik & Entertainment:
1903-1936 Wien
Populäre Jüdische Künstler...
Chaim Frank:
Autor, Journalist, Übersetzer (russischer und jiddischer Texte) lebt
seit 1984 in München, wo er sein "Dokumentationsarchiv für jüdische Kultur
und Geschichte" aus- und aufgebaut hat. Näheres unter
http://www.juedisches-archiv-chfrank.de
Andreas Koll:
Musiker, Komponist, Autor, Volkskundler; Publizist, Töne- und
Klangerfinder, Tontechniker, Schauspieler, Pedant. Spezialität: Tief
Durchatmen. Tätig seit etlichen Jahren.